Von: apa
Innsbruck hat einen “Mitte-Links”-Rutsch erlebt. Grünen-Amtsinhaber Georg Willi fuhr bei der Gemeinderatswahl einen in dieser Form nicht erwarteten Sieg ein: Er landete in der Direktwahl mit 22,89 Prozent an erster Stelle. Paukenschlag zudem: Ex-ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (JA – Jetzt Innsbruck) schaffte es mit 19,37 Prozent als Zweiter ebenfalls in die Stichwahl am 28. April. Koalitionsmäßig winkt wohl ein Bündnis links der Mitte.
Nicht in die Stichwahl gelangte FPÖ-Bürgermeisterkandidat Markus Lassenberger, der mit 15,92 Prozent auf Rang drei rangierte, knapp vor SPÖ-Kandidatin Elisabeth Mayr mit 15,22 Prozent. Eine schwere Niederlage musste Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky einstecken, der mit dem bürgerlichen Bündnis “das Neue Innsbruck” angetreten war. Er blieb mit nur 10,41 Prozent in der Direktwahl weit abgeschlagen. Den sechsten Platz sicherte sich Liste Fritz-Landesobfrau und Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider mit 4,62 Prozent. Ein Achtungsergebnis fuhr KPÖ-Frontfrau Pia Tomedi mit 4,06 Prozent ein.
Bei der Listenwahl siegten laut vorläufigem Endergebnis ebenso die Grünen mit 18,87 Prozent. Sie büßten damit im Vergleich zu 2018 einige Prozentpunkte ein (2018: 24,16 Prozent), Bei den Mandaten verlor man zwei und hält nun bei acht von 40 Gemeinderatsmandaten. Auch hier landete Anzengruber bei seinem ersten Antreten auf Platz zwei: 16,83 Prozent und ebenso starke acht Mandate heimste der Ex-ÖVP-Vizebürgermeister ein. Dahinter landete die FPÖ mit 15,21 Prozent und sieben Mandaten (2018: 18,56 Prozent und acht Mandate). Auf Platz vier kam die SPÖ mit 13,58 Prozent und sechs Mandaten – was ein schönes Plus bedeutete, denn bei der letzten Wahl war man auf 10,32 Prozent und vier Mandate gekommen.
Enttäuschend auch hier das Abschneiden von Turskys “das Neue Innsbruck”. Es reichte lediglich für 10,15 Prozent und vier Mandate: Zum Vergleich: Die jetzigen Hauptbündnispartner ÖVP und “Für Innsbruck” waren 2018 auf 12,17 Prozent bzw. 16,15 Prozent gekommen. Und zusammen noch auf zwölf Mandate. Ein Debakel, die mit viel Pomp gefeierte “Wiedervereinigung” von ÖVP, “Für Innsbruck” und dem Seniorenbund erlitt vorerst Schiffbruch. Im Stadtparlament landete die Liste Fritz mit 5,5 Prozent und zwei Mandaten (2018: 3,23 Prozent und ein Mandat), wobei weder bei Listen- noch bei Direktwahl die Bäume – auch mit Frontfrau Landeschefin Haselwanter-Schneider – in den Himmel wuchsen.
Den “Mitte-Links”-Rutsch verdeutlichten nicht nur die Erfolge von Grünen und SPÖ und mit Abstrichen des eigentlich bürgerlichen Anzengruber, sondern auch das Abschneiden von linken “Kleinparteien”: Überraschend den Sprung in den Gemeinderat und über die Vier-Prozent-Hürde schafften die Kommunisten mit 6,72 Prozent und drei Mandaten. Knapp drinnen ist auch die Liste “ALI”, eine Art frühere Grünen-Abspaltung, mit 4,83 Prozent und zwei Mandaten. Beim letzten Urnengang hatte es nur für ein Mandat gereicht.
Somit sind künftig acht Listen im Innsbrucker Gemeinderat vertreten. Um zwei weniger als bisher. Alle andere Kleinparteien – darunter auch “Gerechtes Innsbruck” von Gerald Depaoli – verpassten den Sprung in das Stadtparlament. Ernüchternd etwa das Abschneiden der NEOS: 3,51 Prozent waren zu wenig, das bisher eine Mandat ging verloren. Die Vier-Prozent-Hürde trennte also doch etwas die Spreu vom Weizen.
In puncto möglicher Koalitionen nach der Wahl, die konkret wohl erst nach der Stichwahl verhandelt werden, tut sich jedenfalls ein großes Fenster für eine Mitte-Links-Variante auf, etwa in der wahrscheinlichen Form einer Dreierkoalition. Denn die Grünen, die Anzengruber-Gruppierung und die SPÖ kommen zusammen auf 22 Gemeinderatsmandate und etwa 48 Prozent, was auch für eine Stadtsenatsmehrheit reichen würde. “Mitte-Rechts” in verschiedensten Varianten erreicht hingegen nach derzeitigem Stand keine Mehrheit im Stadtsenat. Letzterer verfügt derzeit über sieben Mitglieder.
Mit Interesse wird in den nächsten Tagen auch beobachtet werden, ob es zu Unterstützungsbekundungen anderer Parteien für Willi und Anzengruber kommen wird. Dass Anzengruber von seiner früheren politischen Heimat unterstützt wird, darf aber wohl bezweifelt werden und wäre eine faustdicke Überraschung. Und ob die FPÖ – um eine Verlängerung Willis zu verhindern – sich auf Anzengrubers Seite schlägt, bleibt vorerst ebenfalls offen. Ebenso wie das Verhalten der gestärkten SPÖ. Die totale Polarisierung wie im Falle einer Grünen-FPÖ-Stichwahl dürften die beiden Wochen bis zum Urnengang jedenfalls nicht bringen.
Erfreuliches gab es jedenfalls von der Wahlbeteiligungs-Front: Sie stieg von 50,38 Prozent auf nunmehr 60,50 Prozent.