Von: mk
Bozen – Der jüngste Vorstoß der Mitterechts-Regierung rund um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sorgt auch in Südtirol für Aufregung innerhalb der LGBT-Gemeinschaft. Durch einen Gesetzesvorschlag, den die Justizkommission in der Abgeordnetenkammer gutgeheißen hat, wird Leihmutterschaft als Straftat gebrandmarkt – auch, wenn der Vorgang im Ausland abgewickelt wurde.
„Es herrscht Anspannung und Angst. Ich kenne viele Personen in Bozen, die sich überlegen, Italien zu verlassen, um in ein Land zu ziehen, das die Regenbogenfamilien schützt“, erklärt Miriam Arianna Fiumefreddo, Präsidentin der Homosexuellenvereinigung Centaurus in Bozen, laut einem Bericht von Alto Adige online.
An eine Leihmutter wenden sich in der Regel heterosexuelle Paare, die unter Unfruchtbarkeit leiden. In Einzelfällen sind es auch Singles oder männliche Paare. In Italien ist nicht nur die Leihmutterschaft seit 2005 verboten, sondern auch deren indirekte Ermöglichung oder Bewerbung. Laut Gesetz ist neben einer zweijährigen Haftstrafe eine Geldstrafe bis zu einer Million Euro vorgesehen. Doch bislang ist noch nie jemand verurteilt worden.
In 40 Ländern, in denen Leihmutterschaft erlaubt ist, gibt es manchmal dennoch gewisse Einschränkungen. So ist es männlichen homosexuellen Paaren nur in einigen Ländern gestattet, sich an eine Leihmutter zu wenden und nur in Kanada und in einzelnen US-Bundesstaaten gilt dies auch für ausländische männliche Paare.
Die Regeln unterscheiden sich von Land zu Land. In manchen Fällen darf die Leihmutter Geld annehmen, in anderen Fällen ist dies nicht erlaubt. In bestimmten Ländern muss die Frau bereits vorher Kinder zur Welt gebracht haben und sie muss über ein eigenes Einkommen verfügen.
Für Erstunterzeichnerin Maria Carolina Varchi ist der Gesetzesvorschlag ein wahres Steckenpferd. Dem „Zeugungstourismus“, dem „Handel mit Kindern“ und dem „vermieteten Uterus“ müsse ein Ende gesetzt werden, erklärte die Fratelli d’Italia-Abgeordnete.
Völlig anders sieht es Fiumefreddo. „Mit der Leihmutterschaft hat die Wissenschaft ein Hilfsmittel für Paare gefunden, die keine Kinder bekommen können. Doch diese Regierung greift nicht die Leihmutterschaft an sich an, sondern nutzt sie als Vorwand, um eine bestimmte Gruppe anzugreifen und homosexuelle Paare zu verfolgen“, so die Centaurus-Präsidentin.
Auch vom juristischen Standpunkt aus ist das Thema heikel. Angelo Schillaci, Dozent für vergleichendes öffentliches Recht an der Universität „La Sapienza“ in Rom, spricht von einem nicht gerechtfertigten Gebrauch des Strafrechts. Er sieht in dem Vorstoß Widersprüche zum Verfassungsrecht.
Sollte auch die Leihmutterschaft im Ausland zur Straftat in Italien werden, könnten die Paare bei ihrer Rückkehr strafrechtlich belangt werden. Unter den Folgen würden auch die Kinder leiden. Nicht zuletzt deshalb hat das Verfassungsgericht im Fall eines Kindes, dessen Väter sich an eine Leihmutter aus Kanada gewandt hatten, geurteilt, der Schutz von Minderjährigen müsse im vollen Umfang gewährleistet bleiben. Die Rechte der beiden Männer, die die Geburt gewollt haben und sich um das Kind kümmern, wurden anerkannt, da sie faktisch „elterliche Verantwortung“ übernommen hätten.
Sollte der Gesetzesvorschlag tatsächlich angenommen werden, droht auch heterosexuellen Paaren die strafrechtliche Verfolgung und eine Verurteilung, wenn sie sich aufgrund von Unfruchtbarkeit an eine Leihmutter im Ausland wenden. Laut einer Schätzung des Zentrums für Reproduktionsmedizin in Bruneck seien 15 Prozent aller Paare in Südtirol von einer solchen Regelung betroffen, schreibt Alto Adige online. Italienweit geht man von 20 Prozent – also von zwei Millionen Männern und Frauen aus.