Von: luk
Bozen – Zu Beginn der heutigen Landtagssitzung hat Gleichstellungsrätin Michela Morandini über ihr Tätigkeitsjahr 2018 berichtet. Sie erläuterte die Aufgaben und Zuständigkeiten dieser Einrichtung, die auch den Monitoringausschuss für Behindertenrechte betreut. Der Monitoringausschuss hat sich vergangenes Jahr mit dem selbstbestimmten Wohnen beschäftigt.
Die Zahl der bearbeiteten Fälle sei seit 2014 um 68 Prozent auf 340 Fälle gestiegen. Die Top-Themen waren 2018 wieder Mobbing, multiple Diskriminierungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für die Bewältigung der Aufgaben stehen der Gleichstellungsrätin drei Mitarbeiter zur Seite. Die Zunahme der Fälle ist auch auf eine Steigerung des Bekanntheitsgrades der Einrichtung zurückzuführen, wozu auch die verstärkte Präsenz im Internet und den sozialen Medien beigetragen hat. Dafür habe sie auch wertvolle Unterstützung durch den Landtag und dessen Generalsekretär gefunden.
Morandini ist die einzige Vollzeit-Gleichstellungsrätin in Italien, ihre Arbeit ist durch das staatliche Gleichstellungsgesetz und durch das Landesgesetz Nr. 5/2010 geregelt. Wichtig für die Tätigkeit war auch die Netzwerkarbeit, die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – viele Fälle wurden z.B. von den Gewerkschaften an die Gleichstellungsrätin übermittelt.
Voriges Jahr hat es über 2.000 Kontaktaufnahmen gegeben, unter anderem mit den Schulen. Diskriminierungsopfer befinden sich in einer schwierigen emotionalen Situation, daher ist eine kontinuierliche Betreuung wichtig. Die Mediationen zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften sind sehr aufwendig.
Zu den bearbeiteten 340 Fällen gehören 80 Mediationen, 85 Informationsgespräche über E-Mail oder Telefon, 140 Beratungen und 35 an andere Stellen weitergeleitete Fälle. 30 Prozent der Fälle betreffen Männer. Die Aufteilung unter den Sprachgruppen: 31 Prozent Italiener, 53 Prozent Deutsche, 13 Prozent Ladiner, drei Prozent andere. Der Großteil der Fälle kommt aus dem öffentlichen Bereich (44 Prozent), aber die Fälle aus dem Privatsektor, vor allem aus dem Handel (22 Prozent) haben stark zugenommen.
Die Diskriminierungsfälle betreffen vor allem Mobbing und multiple Diskriminierungen, wobei aber nicht immer alles, was von den Betroffenen so empfunden wird, auch Mobbing ist. Teilzeit, die für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist, ist nicht ein Recht, hier muss oft vermittelt werden. Kündigung vor oder nach der Geburt sind in Südtirol sehr häufig – 986 Mütter haben während dieser Zeit gekündigt, die Befragten haben angegeben, sie könnten Familie und Beruf unter diesen Bedingungen nicht vereinbaren. Hochqualifizierte Frauen daheim zu lassen, kann nicht im Sinne der Wirtschaft sein, meinte Morandini. Sie verwies auch auf den Bericht zur Beschäftigungssituation der Frauen in den Betrieben, der keine Verbesserung der Situation feststellen konnte.
Zur Sensibilisierungsarbeit kündigte Morandini an, sie werde vermehrt in die Schulen gehen, auch um Jugendliche darauf aufmerksam zu machen, an wen sie sich wenden können. Wichtig sei auch ein anonymer Zugang. Die Gleichstellungsrätin ist nun auch auf Facebook und Instagram präsent, Plattformen, die vor allem für Jugendliche interessant sind. Morandini unterstrich die Wichtigkeit einer Mobbing-Anlaufstelle, die genauso für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber nützlich sein kann. Sie regte auch eine qualitative Untersuchung zu den Frauen an, die aus dem Arbeitsmarkt aussteigen – 2018 waren es rund 1000.
Südtirol ist die einzige Provinz Italiens mit einem Monitoringausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung, in dem neben Fachleuten auch Selbstvertreter, also Menschen mit verschiedenen Behinderungen, sitzen. Den Vorsitz hat die Gleichstellungsrätin inne. Der Ausschuss überwacht die Einhaltung der UN-Konvention zu den Behindertenrechten. Jahresthema 2018 war das selbstbestimmte Wohnen, dazu wurden Sitzungen und auch eine Tagung abgehalten. Leider hat der Landtag noch zu viele architektonische Barrieren, um eine solche, auch von Betroffenen gut besuchte Tagung abzuhalten, bemerkte Morandini, die auch Behindertenparkplätze vor dem Landhaus vermisste. Der Ausschuss wird vor der Sommerpause neu gewählt. Das heurige Thema wird Arbeit und Inklusion sein.
Anschließend war Gelegenheit für Fragen und Anmerkungen der Abgeordneten, die der Gleichstellungsrätin auch ausführlich für ihre Arbeit dankten.
Die Grünen fragten nach Details zu den Kündigungen von Frauen in der Mutterschaft, nach Vergleichszahlen zu Beschäftigungssituation und Karrieremöglichkeiten von Frauen sowie nach einer Einschätzung der Dunkelziffer jener, die sich nicht zur Gleichstellungsrätin trauten. Das Team Köllensperger kritisierte die Abwesenheit der für den Bereich zuständigen Regierungsmitglieder und den mangelnden Einsatz beim Abbau architektonischer Barrieren vor öffentlichen Einrichtungen und fragte nach der Einschätzung der Gleichstellungsrätin. Erschreckend sei, dass sich die Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt in all den Jahren nicht verbessert habe. Auffallend auch, dass es bei den Ombudsstellen beim Landtag so unterschiedliche Vergütungen gebe, ebenso, dass Lehrpersonen aufgefordert würden, nicht während des Schuljahres Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Gefragt wurde auch nach den Gründen für die hohe Kündigungsrate unter Frauen nach der Geburt wie auch unter Führungskräften, nach dem Kita-Angebot in der Peripherie. Die SVP fragte nach den Möglichkeiten, den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Karenzzeit zu fördern, nach dem männlichen Anteil an der Elternzeit, nach der Diskriminierung von Männern, die Elternzeit in Anspruch nehmen wollen, nach der Entlohnung von Menschen mit Behinderung. Lob gab es für die Mediationstätigkeit, die vielen hohe Prozesskosten erspare. Hingewiesen wurde aber auch auf die Bemühungen der Betriebe zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auf mehr Eigenverantwortung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die viel Bürokratie ersparen würde. Die Freiheitlichen fragten, ob der Gleichstellungsrätin Fälle bekannt seien, in denen Vorgesetzte nichts gegen Mobbing unternähmen. Die Demokratische Partei fragte, wie gut die Kontakte zu anderen Einrichtungen seien, etwa zum Arbeitsamt, ob Betriebe für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert würden, wie das Wohnungsangebot für Menschen mit Behinderung sei. Die Lega wies auf Weiterbestehen von vielen architektonischen Barrieren hin und unterstrich die Notwendigkeit, allen gleiche Chancen zu bieten.
Gleichstellungsrätin Morandini ging anschließend auf die Fragen ein. Im öffentlichen Sektor würden Männer 7,2 Prozent der Elternzeit beanspruchen, in den größeren Privatbetrieben 0,8 Prozent. Auch sie sei wütend über den langsamen Abbau von architektonischen Barrieren, oft scheitere es am Denken. Die unterschiedliche Entlohnung der Ombudsstellen sei schwer zu erklären, vielleicht mit ihrer Geschichte, zu rechtfertigen sei sie nicht. Die Geschlechterstereotypen seien nach wie vor verbreitet, das höhere Gehalt in der Familie entscheide auch, wer Elternzeit in Anspruch nehme, für Pflege seien normalerweise die Frauen zuständig. Im Privatsektor gebe es jetzt mehr flexible Arbeitsmodelle, dazu gebe es auch in Südtirol Vorzeigebetriebe. Der Jobs Act hätte in diesem Rahmen vieles ermöglichen sollen, das habe sich aber nicht bewahrheitet. Viele würden sich nicht zur Gleichstellungsrätin trauen, aber eine Dunkelziffer könne sie nicht angeben. Mit dem Arbeitsamt arbeite sie täglich zusammen, das ergebe sich aus den Fällen. Beim Wohnungsangebot für Menschen mit Behinderung sei auch darauf zu achten, dass die Betroffenen möglichst in der Nähe ihrer Familie wohnen möchten. Diskriminierung könne sie oft auch gegenüber Männern feststellen, wenn sie Elternzeit nähmen – das behindere ihre Karriere. Mobbing sei ernst zu nehmen, aber man müsse vorsichtig mit dem Begriff umgehen, das sei nicht einfach ein Konflikt mit den Kollegen.