Von: mk
Am Tag nach seiner Vereidigung sitzt Donald Trump in der Washington National Cathedral beim Gottesdienst. Bischöfin Marianne Budde (65) nutzte bei ihrer Predigt die Gelegenheit, um sich direkt an den neugewählten Präsidenten zu wenden. Was sie sagt, lässt Trump erstarren. Doch danach lässt er seinem Unmut freien Lauf.
Die linksgerichtete Pfarrerin der Episkopalkirche in Washington stand auf der Kanzel nur wenige Meter vor dem frisch inaugerierten Präsidenten und wandte sich direkt an ihn. Dabei nahm sie kein Blatt vor dem Mund, während dieser mit versteinerter Miene zuhörte.
“Lassen Sie mich eine letzte Bitte äußern, Herr Präsident”, sagte die Bischöfin, “Millionen Menschen haben Ihnen vertraut, und wie Sie gestern vor der ganzen Nation selbst gesagt haben, spüren Sie die Vorsehung eines liebenden Gottes. Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, Erbarmen mit den Menschen in unserem Land zu haben. Menschen, von denen viele jetzt Angst haben. Es gibt schwule, lesbische und transsexuelle Kinder in Familien von Demokraten, Republikanern und Unabhängigen, von denen einige um ihr Leben fürchten.”
Die Begeisterung des 78-Jährigen, der der in der ersten Reihe neben der First Lady, Melania Trump, und seinem Vize JD Vance und seiner Frau Usha sitzt, hält sich offensichtlich in Grenzen. Trumps Gesichtszüge frieren praktisch ein, wie in einem Video zu sehen ist, das in den sozialen Medien kursierte.
In der Reihe hinter Trump ist seine Nichte Lara zu sehen, die ihre Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln zu verziehen scheint. Trumps Sohn Donald Jr., der noch eine Reihe weiter dahinter sitzt, wendet sich an seinen Sitznachbarn und tuschelt ihm etwas ins Ohr.
Zur Erinnerung: Trump hatte kurz nach seiner Vereidigung angeordnet, dass der Politik der USA fortan die Annahme zugrunde liegen soll, dass es nur zwei Geschlechter gibt, nämlich männlich und weiblich. Außerdem hat die neue US-Regierung die verantwortlichen Bundesbehörden angewiesen, die Angestellten von Diversitätsprogrammen zur Förderung von Minderheiten und Frauen in den Zwangsurlaub zu schicken. Offenbar gibt es Pläne, Programme zu Vielfalt, Teilhabe und Inklusion zu schließen.
Anschließend mahnt die Bischöfin auch zur Barmherzigkeit gegenüber illegalen Einwanderern. Wie berichtet, hat Trump gleich nach seiner Amtseinführung auch diverse Dekrete zur Eindämmung illegaler Migration unterzeichnet. Unter anderem hat der Republikaner das Heimatschutzministerium angewiesen, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Migranten ohne Bleiberecht abzuschieben.
Dazu zählt auch, dass die Einwanderungsbehörde ICE Betroffene künftig wieder an oder in der Nähe sogenannter sensibler Orte wie Kirchen, Schulen oder Spitäler aufgreifen und in Gewahrsam nehmen darf. Die Vorgängerregierung unter Joe Biden hatte eine entsprechende Regelung aus dem Jahr 2011 verschärft und die Befugnisse der Behörde weiter limitiert. Nun sollen die Einschränkungen fallen.
„Die Leute, die unsere Früchte ernten, unsere Bürogebäude reinigen, die auf Geflügelfarmen und in Fleischverpackungsanlagen schuften, die nach unserem Essen in Restaurants das Geschirr spülen und in Krankenhäusern Nachtschichten schieben, sind möglicherweise keine Staatsbürger oder verfügen nicht über die erforderlichen Papiere“, erklärte die Geistliche. Die überwiegende Mehrheit der Einwanderer bestehe nicht aus Kriminellen. „Sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn, sie sind treue Mitglieder unserer Kirchen, Moscheen und Synagogen. Herr Präsident, ich bitte Sie um Gnade für die Menschen in den Gemeinden, deren Kinder Angst haben, dass ihnen ihre Eltern weggenommen werden“, betonte Budde.
The Right Rev. Mariann Budde, the Episcopal bishop of Washington, D.C., implored newly inaugurated President Donald Trump on Tuesday "to have mercy upon" communities across the country "who are scared now" after his election.
"There are gay, lesbian and transgender children in… pic.twitter.com/NfBfj7LnuJ
— PBS News (@NewsHour) January 21, 2025
Trump, der nach seine Amtseinführung etwas müde wirkte, ließ die Predigt regungslos zunächst über sich ergehen. Doch der Appell für mehr Menschlichkeit hat bei ihm wohl seine Wirkung verfehlt. Als ihn ein Reporter vor der Kirche nach seinem Eindruck der Predigt fragte, meinte Trump: “Nicht allzu spannend, oder?” Die Bischöfin sei in ihrem Ton “fies” gewesen, ihre Aussagen “unangemessen” und der Gottesdienst “sehr langweilig und uninspiriert”. Später bezeichnete der neue US-Präsident die Bischöfin auf seiner Online-Plattform Truth Social als linksradikale Trump-Hasserin und schrieb: “Sie ist nicht sehr gut in ihrer Arbeit! Sie und ihre Kirche schulden der Öffentlichkeit eine Entschuldigung.”
Andere Vertreter der republikanischen Partei hatten sich schon vorher geäußert. “Die Person, die diese Predigt hält, sollte auf die Abschiebungsliste gesetzt werden”, lästerte der Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Mike Collins.
Wer Trump kritisiert, lebt in den USA offenbar gefährlich. Zuletzt bekamen das vor allem die ehemalige Republikanerin Liz Cheney oder der Ex-Generalstabschef Mark Milley zu spüren, dessen erst vor Kurzem enthülltes Porträt im Pentagon von Trump-Getreuen gleich am ersten Tag seiner Präsidentschaft wieder abgehängt wurde. Milley hatte zuvor ein kritisches Buch über Trump geschrieben, in dem er diesen als “beinharten Faschisten” und als “gefährlichsten Mann Amerikas” bezeichnet hatte.
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