Blumen und Bilder vor der russischen Botschaft in Berlin

Leichnam des russischen Oppositionellen Nawalny verschwunden

Samstag, 17. Februar 2024 | 13:48 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Das Team des Kremlgegners Alexej Nawalny hat dessen Tod bestätigt. Das teilte seine Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag auf X (vormals Twitter) mit. Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja war in das Straflager im Norden Russlands gereist und habe dort die Todesnachricht erhalten. Allerdings fehlte am Samstag vom Leichnam des russischen Oppositionspolitikers jede Spur. Jarmysch forderte, dass der Leichnam den Angehörigen unverzüglich übergeben werden müsse.

Der Tod des 47-Jährigen soll laut offiziellen am Freitag um 14.17 Uhr Ortszeit (10.17 Uhr MEZ) eingetreten sein. Zuvor hatte bereits der russische Strafvollzug über Nawalnys Tod informiert, der seit 2021 inhaftiert war.

Der Mutter wurde von einem Mitarbeiter des Straflagers zunächst gesagt, der Leichnam Nawalnys befinde sich im Leichenschauhaus der 50 km vom Straflager entfernten Stadt Salechard. Als sie allerdings hinreiste, um ihren Sohn zu identifizieren, war das Gebäude geschlossen. Telefonisch wurde ihr und einem mitgereisten Anwalt mitgeteilt, der Leichnam befinde sich doch nicht im Leichenschauhaus.

Einem anderen Anwalt Nawalnys sei gesagt worden, dass die Todesursache noch nicht bekannt und eine weitere histologische Untersuchung erfolgt sei, deren Ergebnisse in der nächsten Woche zu erwarten seien, schrieb Jarmysch. “Es ist offensichtlich, dass sie lügen und alles unternehmen, um den Leichnam nicht zu übergeben.” Den Anwälten sei lediglich mitgeteilt worden, dass die Untersuchungen “nichts Kriminelles” ergeben hätten. “Die lügen ständig und führen uns im Kreis herum.”

Der nach vielen Tagen in immer wieder angesetzter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang im Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos. Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Auch die Mitarbeiter des prominenten Anti-Korruptionskämpfers gingen davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde.

Nawalny habe als weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer die Hoffnung auf eine Zukunft nach der Diktatur verkörpert, schrieb der Experte Alexander Baunow für die Denkfabrik Carnegie am Samstag. Auch im Straflager sei der Politiker für den Kreml ein Ärgernis geblieben. “Doch zeugt das Streben selbst, eine solche Reizfigur loszuwerden, auch davon, dass das Regime nicht so von sich und seiner Zukunft überzeugt ist, wie es selbst gern erscheinen mag.”

Die G7-Außenminister forderten von Russland eine vollständige Aufklärung der Todesumstände von Nawalny. Nach einem Treffen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag teilte der italienische Vorsitzende Antonio Tajani mit, die Minister hätten ihre Empörung über den Tod Nawalnys in der Haft zum Ausdruck gebracht. Der Oppositionspolitiker sei zu Unrecht wegen legitimer politischer Aktivitäten und seines Kampfes gegen Korruption verurteilt worden. Die Minister forderten die russischen Behörden demnach auf, “die Umstände seines Todes vollständig aufzuklären”. Zudem verlangten die G7-Außenminister von Russland, die “inakzeptable Verfolgung” politisch Andersdenkender sowie die systematische Unterdrückung der Meinungsfreiheit und die unangemessene Einschränkung von Bürgerrechten einzustellen.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko macht Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich und hält den Zeitpunkt unmittelbar vor der Münchner Sicherheitskonferenz nicht für einen Zufall. Als derjenige, der als Präsident alle Entscheidungen in Russland treffe, trage Putin die Verantwortung für den Tod Nawalnys, sagte Klitschko der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Sicherheitskonferenz. Damit zeige sich nochmals das wahre Gesicht der russischen Politik. “Das ist eine Diktatur”, sagte Klitschko. Wer dort nicht einer Meinung mit Putin sei, werde ermordet oder ins Gefängnis gesteckt.

In zahlreichen europäischen Städten demonstrierten Menschen vor den jeweiligen russischen Botschaften und nannten Kreml-Chef Putin einen Mörder. In Wien erinnerten Angehörige der russischen Community seit Freitag mit einer improvisierten Gedenkstätte vor der russischen Botschaft in der Reisnerstraße in Wien-Landstraße an Nawalny. Zeitweilig waren bis zu 20 Personen gleichzeitig anwesend, die teils auf einem Bauzaun auch Plakate mit sehr expressiver Kritik an Kremlchef Putin und seinem Regime anbrachten.

Trotz Festnahmen und Drucks der Behörden hielten auch in Russland die öffentlichen Beileidsbekundungen für Nawalny an. Nach Berichten von Menschenrechtlern gab es landesweit Hunderte von Festnahmen. Das Internetportal ovd.info schrieb am Samstagnachmittag, dass mindestens 359 Anhänger Nawalnys in 32 Städten festgenommen worden seien, darunter auch in Moskau und St. Petersburg. Das Portal listete zugleich auch die Namen der Festgenommenen auf. Vielerorts wurden trotz Räumungsaktionen und Festnahmen weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt.