Von: mk
Bozen – In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2020 ist Alois Ebner, einer der in einem unrühmlichen Prozess verurteilten „Pfunderer Buam“, für immer von uns gegangen. Dies teilt Obmann Roland Lang im Namen des Südtiroler Heimatbundes mit. Alois Ebner hatte in seiner Jugend Schweres erleben müssen.
Unter dem Titel „Justiz in Südtirol“ veröffentlichte die österreichische „Liga für Menschenrechte“ im Jahre 1958 eine Broschüre, in welcher das Vorgehen der italienischen Justiz gegen die Pfunderer Burschen eingehend untersucht und dargestellt wurde. Auf dem Umschlagbild ist der junge Pfunderer Bernhard Ebner zu sehen.
In der Nacht des 15. August 1956 waren sieben junge Bauernburschen in Pfunders, einem kleinen Gebirgsort in einem Seitental des Pustertals, vor einer Arbeiterkantine in eine Rauferei mit zwei italienischen Finanzern geraten, mit denen zusammen sie vorher ausgiebig in der Kantine gezecht hatten. Einer der Finanzer, Raimondo Falqui, hatte Reißaus genommen, war schwer alkoholisiert davon gerannt und in der Dunkelheit von einer steinerne Brücke ohne Geländer drei Meter tief in den ausgetrockneten Roanerbach gestürzt. Bei seinem Sturz hatte sich Falqui einen tödlichen Schädelbruch zugezogen. Die spätere Untersuchung ergab, dass Falqui 1,7 Promille Alkohol im Blut gehabt hatte, also schwer betrunken gewesen war.
Die vor der Kantine Zurückgebliebenen hatten Falquis Sturz nicht mitbekommen und gingen ebenso wie dessen Kollege nach Hause zu dem jeweiligen Bauernhof, auf dem sie arbeiteten. Am nächsten Tag wurden die Bauernburschen als „Mörder“ verhaftet. Bereits am 17. August 1956 meldete die Bozner italienische Tageszeitung „Alto Adige“ auf ihrer Titelseite, dass es sich um Mord gehandelt habe. Der Finanzer sei angegriffen und umgebracht worden.
Am 23. August 1956 schrieb die Zeitung: „Die Missetat hat ohne Zweifel ihre Ursache in dem ungesunden Geist der antiitalienischen Gehässigkeit“. Und am 31. August verkündete das Blatt: „Die Südtiroler Volkspartei trägt die moralische Schuld am Mord des Finanzwächters von Pfunders.“
In Rom gab das „Giornale d’Italia“ das Zeichen zur Hetzjagd: Es sei Mord gewesen und zwar ein „politischer Mord … Die Gründe sind … zweifellos in dem Klima des Hasses zu suchen, den die Vertreter einer Partei seit Jahren säen …“ Gemeint war damit die „Südtiroler Volkspartei“. Die Ermittlungen wurden so geführt, dass sie eine Mordanklage rechtfertigen sollten. Die These der Vernehmenden und später des Gerichtes lautete, dass Falqui zu Tode geprügelt und dann in das Bachbett geworfen worden sei.
Der Prozess gegen die Pfunderer Burschen begann am 8. Juli 1957 und fand vor dem Schwurgericht in Bozen statt. Den Angeklagten half es gar nichts, dass sie aussagten, bei den Verhören geschlagen und zu ihren „Geständnissen“ erpresst worden zu sein. Die Verhandlung wurde nur in italienischer Sprache geführt. Die Angeklagten konnten weder den Aussagen der Zeugen, noch der Beweisführung der Ankläger folgen. Der Staatsanwalt behauptete, die Angeklagten hätten den Finanziere Falqui geradezu „gelyncht“ und der Vertreter der Privatanklage nannte die Angeklagten „Hyänen“, „Bestien“, „hündische Meute“, „halbe Kannibalen, Wegelagerer und Mörder.“. („L’Adige“, Trient, vom 13. Juli 1957)
Wichtige Entlastungszeugen wurden nicht angehört. Am „Tatort“ war keine Spurensicherung und vorgenommen worden. Mit der Aufklärung des Geschehens wurde war keine Morduntersuchungskommission mit Spezialisten eingeschaltet worden.
In dem Verfahren blieb ein entlastendes Gutachten des Gerichtsmediziners Professor Aldo Franchini von der Universität Padua unberücksichtigt, der festgestellt hatte, dass Falquis Schädelbruch mutmaßlich durch den Sturz in das Bachbett verursacht worden sei. Alle Angeklagten wurden am 16. Juli 1957 zu hohen Strafen verurteilt, Alois Ebner zunächst zu 24 Jahren Kerker und in zweiter Instanz zu lebenslanger Haft. Der italienische Justizminister Guido Gonella nannte das Urteil „würdig der vornehmsten Traditionen der italienischen Justiz“.
Am 1. April 1958 veröffentlichten die „Dolomiten“ eine Entschließung der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP), in welcher es hieß: „Es wurde Rache geübt, die zur Beschaffenheit der Tat und den offenbaren Absichten der Täter in keinem Verhältnis steht und an die dunkelsten Zeiten unmenschlicher Strafjustiz erinnert.“
Das Urteil rief in ganz Tirol Entsetzen hervor. Am 1. April 1958 ruhte in ganz Nordtirol von 10.00 bis 10.05 Uhr alle Arbeit zu einem Gedenken an die unglücklichen Pfunderer Burschen. Landeshauptmann Dr. Tschiggfrey, erklärte während dieser Gedenkminuten über den Rundfunk: „Das Tiroler Volk denkt, von tiefstem Leid erfasst, an jene sechs jungen Bauernsöhne eines entlegenen Südtiroler Bergdorfes, deren Leben durch einen Richterspruch ganz oder teilweise vernichtet wird.“
Europaweit hatte die Kritik an dieser politisch geprägten Justiz zugenommen. In einem Gutachten hatte 1958 der international renommierte Kriminologe Prof. Dr. Armand Mergen, Universitätsprofessor für Kriminologie an der Universität Mainz, schwerste Unterlassungen der Erhebungsbehörden und des Gerichtes festgestellt und war zu dem Schluss gekommen, dass die Schuld der Verurteilten keineswegs bewiesen worden war. Das Ministerkomitee des Europarates empfahl 1963 eine Begnadigung. Die römische Regierung benützte nun schrittweise diesen Ausweg aus dem Dilemma, in welches sich Italien selbst durch dieses Verfahren gebracht hatte.
„Der letzte Begnadigte, Alois Ebner, kehrte Weihnachten 1969 heim. Er hatte über 13 Jahre in ungerechtfertigter Haft verbracht. Er ruhe in Frieden!“, erklärt Roland Lang,
Obmann des Südtiroler Heimatbundes, abschließend.