Von: apa
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat beim Kongress der rund 1.600 EU-Gemeinderäte am Dienstag in Wien mehr Wettbewerbsfähigkeit für die Europäische Union gefordert. Für die von Exporten abhängige EU sei dies ein zentrales Thema, Wettbewerbsfähigkeit sei “der Garant für die Zukunft der Union”, sagte Nehammer. Die EU sollte “weniger regulieren, mehr zulassen”. Die USA seien durch ihr Konjunkturprogramm IRA “wieder ein bedeutender Konkurrent geworden”.
Gerade Österreich sei eine Exportnation, wo jeder zweite Arbeitsplatz an Ausfuhren hänge, sagte der Kanzler. Dabei hätten die 27 EU-Mitgliedstaaten aber sehr unterschiedliche Herausforderungen. “Die Kunst europäischer Politik ist nicht Zentralismus und Gleichmacherei, sondern die Vielfalt anzunehmen.” Dieser Gedanke einer “Union der Vielfalt” habe bereits den EU-Gründungsvätern innegewohnt. Auch heute sollten Lösungskompetenzen vor Ort belassen werden.
Nehammer forderte auch Korrekturen an Handelsabkommen, um Fairness im globalen Wettbewerb zu garantieren. Europäische Produzenten wären häufig gegen chinesische Billigprodukte im Nachteil, die staatlich subventioniert würden, sagte der Kanzler. Dies sei “eine Schieflage”, die “dringend korrigiert werden” müsse. Auch die Welthandelsorganisation (WTO) sei diesbezüglich stärker in die Pflicht zu nehmen. Zugleich müsse die EU ihren Binnenmarkt weiterentwickeln, um sich weniger vom Export abhängig zu machen.
Zur Frage unterschiedlicher Sozialstandards in Europa sagte Nehammer, die ehemals kommunistischen osteuropäischen Staaten sollten selbst den eigenen Sozialstandard anheben, weil dann auch die Binnenmigration in der EU nachlasse. Er sei aber gegen jeglichen Zentralismus, weil sonst die Gefahr drohe, dass die Standards eher nach unten nivelliert würden.
“Umweltschutz und Klimaschutz müssen einhergehen mit der Frage: wie behält die Europäische Union ihre Wettbewerbsfähigkeit?”, so Nehammer weiter, der “Umwelt- und Klimaschutz mit Hausverstand” forderte. Auf die Frage einer Teilnehmerin aus dem Publikum, was er gegen den verschwindenden Wintersporttourismus infolge des Klimawandels tun wolle, sagte der Kanzler, der Tourismus sei zwar wichtig für Österreich, aber gleichzeitig komme die größte Wertschöpfung aus Unternehmertum und Industrie. “Klima und Klimawandel ist global”, daher brauche es auch Allianzen mit Ländern wie China und Indien, daran arbeite die EU und Österreich.
Auf eine andere Frage aus dem Publikum, warum Österreich das EU-Lieferkettengesetz blockiert habe, sagte Nehammer, dieses verfolge zwar eine richtige Absicht, aber eine falsche Umsetzung. Kleine Betriebe könnten in Haftungssituationen kommen, die sie überfordern. Außerdem würden sich Konzerne aus Afrika zurückziehen, wo ein Rückgang von Investitionen höchst gefährlich sei.
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) sagte, er unterstütze den Bürokratieabbau, “aber das müssen wir alle gemeinsam machen”. Viele EU-Gesetze würden deshalb komplizierter, weil das Europaparlament sehr viele Wünsche äußere. Mittlerweile könnten die vielen Berichtspflichten nur mehr mit Künstlicher Intelligenz (KI) gehandhabt werden.
Hahn rief ebenso wie Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die EU-Gemeinderäte dazu auf, die Leute zur Teilnahme an der Europawahl zu bewegen. 80 Prozent der Regulierungen würden auf europäischen Vereinbarungen beruhen, daher sei wichtig, wer in Brüssel und Straßburg dabei sei. “Hingehen (zur Wahl, Anm.) ist das Mindeste, jede Stimme zählt.” Der Brexit hätte nicht stattgefunden, wenn die jungen Briten in demselben Ausmaß wie die Alten zur Wahlurne gegangen wären, sagte Hahn.
Der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Hahn sprach sich auch für die Aufnahme der Westbalkan-Staaten sowie der Ukraine und Moldaus in der EU aus. Ohne interne Reformen werde die Erweiterung aber nicht funktionieren. Die Ukraine werde von vielen heute als Belastung gesehen, könne aber in Zukunft ein “Kronjuwel der Europäischen Union” werden, das die europäische Wirtschaft vorantreibe.
Edtstadler betonte: “Europa fängt in der Gemeinde an.” Die parteiübergreifende Initiative der EU-Gemeinderäte existiert in Österreich seit dem Jahr 2010, sie geht auf den früheren Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) zurück. 2022 wurde das Projekt von der EU-Kommission aufgegriffen und europaweit ausgeweitet.