Von: mk
Bozen – Mit den Ausführungen der Einbringerin Brigitte Foppa (Grüne) hatte die Behandlung des Landesgesetzentwurfs Nr. 5/18 „Bestimmungen über die Wahlwerbung von Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften“ im Landtag bereits gestern Nachmittag begonnen. Der Gesetzentwurf will, wie es im Begleitbericht von Einbringerin Foppa heißt, eine Lücke in der Gesetzgebung schließen: Ab dem 60. Tag vor dem Wahltag ist Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften, die gemeinnützigen Charakter haben, nämlich jegliche Werbetätigkeit für Kandidaten und Parteien verboten. Doch im Hinblick auf Landtagswahlen gebe es Unklarheiten wegen der Anwendbarkeit von Sanktionen gegenüber diesen Organisationen, weil im entsprechenden Gesetz Angaben fehlten.
Der LGE Nr. 5/18 umfasst einen Artikel (Art. 1), der die Einfügung eines neuen Art. 11-bis mit drei Absätzen ins Landesgesetzes Nr. 14/12 „Bestimmungen über die Wahl des Landtages, des Landeshauptmannes und über die Zusammensetzung und Wahl der Landesregierung“ vorsieht: In Absatz 1 wird lauf Begleitbericht geklärt, dass Verbände, Vereine und Gewerkschaften, die von öffentlicher Hand gefördert werden, in den 60 Tagen vor der Wahl keine Werbung für Parteien oder Kandidaten machen dürfen. Absatz 2 sieht vor, dass bei Übertreten dieser Norm im folgenden Jahr die Hälfte der Fördermittel gestrichen werden. Absatz 3 beauftragt den Landtag, etwaige Übertretungen auf der Homepage des Landtags publik zu machen.
Paul Köllensperger (Team K) erinnerte daran, dass es auch von den Freiheitlichen Vorstöße in dieselbe Richtung gegeben habe. Es sei eine Objektivität und ein Heraushalten aus dem Wahlkampf für bestimmte Parteien notwendig. Die bestehende Norm sähe aber keine Sanktionen vor. Er finde es richtig, dass solche durch diesen LGE vorgesehen werden sollten. Denn zum Gesetz die Ergänzung mit der Bestrafung abzulehnen bedeute, dass man in den vergangenen Jahren damit gut gefahren sei und man auch die Früchte trage. Der Entwurf wolle, dass steuergeldfinanzierte Organisationen nicht Vorfeldorganisationen einer Partei seien. Das Team K unterstütze den LGE.
Zustimmung zum Gesetzentwurf kündigte auch Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) an. Er würde zu mehr Chancengleichheit und Neutralität beitragen – auch für Parteien, die nicht im Landtag vertreten seien. Zurzeit gebe es ein Netzwerk, das nur bestimmte Parteien unterstütze. Die Behandlung im Ausschuss liege schon einige Zeit zurück, damals wurde auf einen in Rom diskutierten Vorschlag verwiesen, der alle Verbände verpflichten sollte, ihre Buchhaltung zu veröffentlichen. Sie frage sich, was daraus geworden sei.
Auch er werde für das Gesetz stimmen, so Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten), es seien darin Normen des gesunden Hausverstandes vorgesehen. Vereinigungen und Gewerkschaften müssten für Pluralität sorgen. Es gehe im Gesetz nicht um Kirchengemeindeverbände, sondern um größere Vereinigungen. Es sei klar, dass es Organisationen gebe, die von den neuen Regelungen stärker betroffen sein würden als andere. Es gebe Vereinigungen, die wegen der Übernahme der Präsidentschaft oder anderem anfragten – doch dies werde dann unter Verweis aufs politische Amt abgelehnt. Die Zustimmung zum Gesetz wäre ein starkes Zeichen des Landtags. Er hoffe, so der Abgeordnete, dass sich die Verbände im nächsten Wahlkampf pluralistisch äußern werden.
Marco Galateo (Fratelli d’Italia) bemerkte, die Absicht des Gesetzentwurfes könne unterstützt werden – es solle dadurch verhindert werden, dass der Willen des Volkes dadurch verfälscht werde, dass sich Verbände oder Vereine zugunsten einer bestimmten politischen Partei äußerten. Es müsste natürlich sein, dass Vereinigungen nicht missbraucht würden, um Politik zu machen – aber wir lebten nicht in einer perfekten Gesellschaft. Es gebe Parteien, die aufgrund ihrer Nähe zur Welt der Verbände eine gewisse Nonchalance an den Tag legten. Er werde für das Gesetz stimmen, halte aber eine von allen getragene Einigung in dieser Frage im Rahmen des bereits laufenden Wahlkampfs für angemessen: Wahrscheinlicher als dass die Verbände sich bewegen würden sei, dass deren Präsidenten dies machen würden – und damit wäre das Gesetz umgangen.
Auch Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erklärte seien Zustimmung zum LGE, die darin vorgesehenen Regelungen seien dringend notwendig. In einer perfekten Welt wären diese Regeln durch Respekt und Ethik gewährleistet und dadurch, dass Verbände andere Zwecke als politische Aktivitäten verfolgen. Die bisher geltenden Regeln, die politische Aktivitäten verbieten, aber ohne Sanktionen seien, konnten leicht umgangen werden, zudem würden die politischen Aktivitäten im Stillen durchgeführt. Dies sei führe zu einer Verzerrung des Wahlkampfs, der zum Monopol der Kommunikation durch die Presse hinzukäme.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne), Mitunterzeichner des LGE, stellte klar, dass wenn von Verbänden gesprochen werde, dann gehe es hier nicht um kleine, sondern um solche, die eine gewisse Stärke hätten. Das Verhältnis zwischen spezifischen und allgemeinen Interessen sei ein grundlegendes demokratisches Thema der Demokratien. In den Verfassungen stehe, dass die gewählten Vertreter die Souveränität des Volkes repräsentierten. Hegel sagte, dass diejenigen, die die öffentlichen Angelegenheiten verwalten, die Allgemeinheit vertreten müssten und sich von Partikularinteressen frei machen müssten. Dem aber widerspreche die Präsenz von wirtschaftlichen Interessenverbänden, die Vorwahlen abhielten, um ihre Kandidaten zu bestimmen. Dies bedeutete, dass in den folgenden fünf Jahren bestimmte gewählte Vertreter Kategorienvertreter seien. Es gebe sehr starke Kategorien, die er in den Ausschüssen bei der Arbeit gesehen habe, wobei diese mit “chirurgischer Technik” vorgingen. Beim vorliegenden LGE handle es sich um die Ergänzung eines bereits bestehenden Gesetzes. Das “Festival der Partikularinteressen” solle damit zurückgedrängt werden. Dies sei auch im Interesse der Mehrheit, weil damit die Politik in den Vordergrund gerückt werde.
Gert Lanz (SVP) erklärte, er wolle voraussetzen, dass man sehr wohl zwischen der Tätigkeit in einem Verband und der Tätigkeit im Landtag unterscheide. Während einer Amtsperiode gebe es immer einzelne Abgeordnete, die sich ganz stark auf ein Thema konzentrierten. Auch diese müssten das nach außen vertreten, und die Wähler müssten dann entscheiden. Alle Abgeordneten kämen irgendwo her. Es gehe darum zu klären, ob öffentliches Geld, das Vereine, Verbände, Gewerkschaften erhalten, für den Wahlkampf eingesetzt werden dürften. Es sei aber so, dass diese kein öffentliches Geld mehr bekämen. Es seien Mitglieder, die über diese Verbände Tätigkeiten abwickelten; wenn zum Beispiel die Frauen im LVH eine Fortbildung organisierten, dann bekämen diese Geld, nicht der Verband. Es sei ihm nicht bekannt, dass in Südtirol Geld ohne einen bestimmten Zweck verteilt würde. Die Frage sei, wohin dieses Gesetz abziele. Man habe die Aufgabe, Dinge in den Landtag hereinzuholen und dafür tätig zu werden, wobei das dann ganzheitlich zu bewerten und betrachten sei. Er tue sich schwer mit Gesetzen, mit denen man auf etwas abzielen wolle, was man nicht treffen werde. Das Gesetz sei nicht ausgereift. Der LVH bekomme keine öffentlichen Beiträge, es seien die Mitglieder, die sehr sensibel darauf achteten, wie die Tätigkeit eines Vereines ausgerichtet sei – und von diesen bekomme man sehr schnell Rückmeldungen. Es wundere ihn auch, dass Leute hier sitzen würden und das Wort erheben, die vor fünf Jahren sich aber sehr wohl unterstützen lassen haben. Man wolle Leuten das Recht absprechen, sich mit einem Angebot auseinanderzusetzen, dann zu bewerten und im Sinne einer Interessenvertretung auch seine Meinung kundzutun. Man habe hier im Landtag den Auftrag, die Themen ganzheitlich zu betrachten; es sei für jeden Abgeordneten eine Gratwanderung, sich zu positionieren – als Mehrheit müsse man Kompromisse eingehen. Ein Punkt sei auch jener, dass ein Stück mehr Ehrlichkeit an den Tag gelegt werden müsste, denn es gebe immer wieder Aussagen, dass etwa eine Gewerkschaft sage, sie sei froh, dass dieser oder jener Abgeordnete ihre Anfrage aufgegriffen habe – das sei dann Demokratie. Wenn aber ein wirtschaftlicher Interessenverband dasselbe tue, dann sei das Lobbyismus. Die Leute wählten keinen Verband – das möge früher so gewesen sein -, heute würden die Personen gewählt. Die Lorbeeren hole man sich bei der Bevölkerung, und nicht im Verband.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bemerkte, man habe im Rahmen der Diskussion immer wieder gehört, der LGE sei nicht ausgereift. Doch wenn etwas in Südtirol nicht ausgereift sei, dann seien es das Demokratieverständnis und der Pluralismus. Keiner stelle es den Vereinen und Verbänden in Abrede, dass sie in Südtirol Wichtiges leisten würden. Aber Verbandsvertreter, Verbandsspitzen seien keine Privatpersonen mehr, sie stünden für alle Mitglieder des Verbandes – das blende die Mehrheit aus. Auch der LH habe gesagt, dass die Verbandsspitzen nicht Parteipolitik machen sollten. Von den Verbandsspitzen – von HGV bis Bauernbund – seien 100 Prozent Mitglieder der SVP. Es sei auch nicht so, dass die Mitgliedschaft in Organisationen freiwillig sei. Es sei klar und verständlich, dass sich Politiker mit Verbänden regelmäßig austauschten und auch, dass die Verbände die Mehrheit öfter treffen würden als die Opposition. Die Schuld treffe nicht die SVP- und Verbandsfunktionäre allein, sie treffe auch die Bürger, die es tolerieren würden. Das sei das moderne, aufgeschlossene Südtirol.
Niemand habe ein Problem damit, so Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), wenn ein Politiker zu einer Podiumsdiskussion eingeladen würde, oder dass Verbandsvertreter Kontakt mit Politikern hätten. Ein Problem sei, wenn man den Eindruck habe, dass das Erhalten von Beiträgen an der “richtigen” politischen Orientierung hänge. In dem Moment, wo Vereine, Verbände, aber auch Medien öffentliche Beiträge erhielten, dann hätten diese neutral zu sein. Denn die Steuergelder kämen nicht vom LH oder der SVP, sondern von jedem einzelnen Bürger. Komme es keinem seltsam vor, dass die vier Vertreter, die der Bauernbund bei den nächsten Landtagswahlen unterstützen werde, allesamt von der SVP kämen? Dies sei nicht demokratisch, ebensowenig wie es die Vergabe von Beiträgen bei der Nähe zu einer Partei sei. Fast jedes Gesetz, das von der SVP eingereicht werde, werde vom Gemeindenverband positiv bewertet, bei Gesetzen der Opposition sei dies nicht der Fall – dies sei politische Steuerung. Es brauche kein Gesetz, das es Vereinen und Verbänden verbiete, sich politisch zu engagieren; es brauche aber sehr wohl eines, dass es ihnen verbiete, Parteipolitik zu machen. Vereine und Verbände seien keine parteipolitische Vorfeldorganisationen. Es brauche hier klare Spielregeln.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) verwies auf die 60 Tage vor dem Wahlbeginn, von denen im Gesetz die Rede sei. Was wolle man mit dem Gesetz vermeiden? Dass zwei Tage vor der Wahl von einem Verband noch ein E-Mail mit einer Wahlempfehlung für einen bestimmten Kandidaten komme, das sei auch ein Missbrauch des verbandsinternen E-Mail-Verteilers. Dass man in den Tagen vor den Wahlen noch zugemüllt werden mit Wahlwerbung in Verbandszeitungen. Er stimme dem Zeitraum von 60 Tagen vor den Wahlen zu und unterstütze das Gesetz.
Ulli Mair (Freiheitliche) unterstrich inhaltlich alles, was bereits der Abg. Leiter Reber gesagt habe. Wie die Einbringerin Foppa gestern erklärt habe, gehe es insbesondere um die fehlenden Sanktionen. Sie erinnerte sich an einen Wahlaufruf für einen Kandidaten am Wahltag und die “Zuckersackln”, die der HGV mit Namen von Kandidaten versehen hatte, für diese Kandidaten seien in der Wahlnacht noch E-Mails verschickt worden. Es wäre eine wesentliche Verbesserung, dass 60 Tage vor den Wahlen solche Geschichten nicht mehr passieren dürften. Dies sei auch den Mitgliedern gegenüber korrekt. In der Vergangenheit sei in den Verbänden der kleinste gemeinsame Nenner oft die SVP gewesen und danach sei gehandelt worden.
Auch er komme, so Helmut Tauber (SVP), aus verschiedensten Vereinigungen – gewerblichen, privaten und ehrenamtlichen. So wie ihm ginge es im Landtag vielen. Es sei durchaus legitim, wenn sich Bürger zusammentäten und eine Vereinigung bildeten, und dann auch ihre Meinung kundtäten, Hilfestellungen leisten u.a. Wenn nun die Oppositionsparteien sagten, das sei nicht richtig, dann verweise er darauf, dass diese dieselben Möglichkeiten hätten, in ihren Statuten bestimmte Dinge vorzusehen. Die SVP sei sehr breit aufgestellt. Welche andere Organisation mache permanent einen direkten Austausch mit Interessen und Vertretungen – vom Vinschgau bis ins Pustertal, vom Brenner ins Unterland? Für ihn sei die vorliegende Norm zu hinterfragen und gehe in die falsche Richtung – in Richtung Verfassungswidrigkeit, etwa im Hinblick auf den Art. 21 der Verfassung, die Meinungsfreiheit, oder Art. 18, Freiheit um eine uneingeschränkte Zusammenführung von Vereinigungen.
Wenn sie in ihre Fraktion hineinschaue, bemerkte Magdalena Amhof (SVP), dann sei jeder aus einem Verein oder Verband hervorgekommen. Es sei ein ganz normaler Weg. Wenn man dann in der Politik sei, dann streife man nicht einfach die im Verein gewonnenen Ideen ab. So wie das Parteienspektrum im Landtag bunter geworden ist, so bunt seien mittlerweile auch die Vereine. Der Abg. Lanz habe es auf den Punkt gebracht: Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, die jemandem nicht in Ordnung gehe, dann gebe es unmittelbar Rückmeldungen. Es gebe so viele Vereine und Verbände, auch hier sei man vielfältiger geworden. Die Neuerungen im Gesetz seien die Sanktionen, doch die großen Wirtschaftsverbände erhielten keine Beiträge von der öffentlichen Hand – denen könne man folglich nichts nehmen. Wie strafe man diese? Sie sei der Auffassung, dass es jedem Verein und jedem Verband möglich sein solle, seine eigene Meinung zu politischen Themen und Kandidaten abzugeben. Diese Meinung müsse intern abgesprochen sein. Es sei ihr vorher nicht bewusst gewesen, was das Verbot jedweder Werbeveranstaltungen 60 Tage vor der Wahl bedeute – gehe zu Podiumsdiskussionen also niemand mehr hin? Ihr sei bei vielen Verbands- und Vereinspräsidenten nicht bekannt, welche politische Konnotierung diese hätten. Wenn dieser LGE umgesetzt werden würde, würden die großen Vereine, an die gedacht werde, nicht getroffen, wohl aber die kleinen Vereine und Verbände.
Brigitte Foppa (Grüne) bedankte sich für die Diskussion – man stehe im Wahljahr und man tausche sich über den Wahlkampf aus. Der Abgeordnete Lanz habe das Thema “Was ist eigentlich Wahlwerbung” angesprochen: Eine Podiumsdiskussion mit vielen verschiedenen Akteuren sei keine Wahlwerbung, sondern eine Hilfe zur Entscheidungsfindung, das Geben einer möglichst ausgewogenen Information. Man wisse, dass ein Gesetz, das eine Regel festschreibt, aber keine Sanktion vorsieht, in der Luft hänge. Meinungsfreiheit – von den Abgeordneten Lanz und Tauber – angesprochen – sei ein hohes Gut; sie verwies diesbezüglich auf ein Zitat des Südtiroler Bauernbunds, der 2013 zwei Tage vor der Wahl geschrieben habe, dass es nur der Interessenvertretung der Bauern zustehe, die bäuerlichen Kandidaten vorzuschlagen. Nun von einem unausgereiften Gesetzentwurf zu sprechen, sei nicht korrekt, das Verbot sei bereits im alten Wahlgesetz aus den 80-ern enthalten, nur ohne Sanktionen. Daran könne man durchaus noch arbeiten. Es gehe letztendlich um den Erhalt des freien Mandats. Der Gesetzentwurf wurde mit 16 Ja und 18 Nein abgelehnt.