Von: apa
Die neue Südtiroler Mitte-Rechts-Fünfer-Regierung bestehend aus Südtiroler Volkspartei (SVP), Südtiroler Freiheitlichen, Fratelli d’Italia, Lega und La Civica muss sich noch einen Tag bis zu ihrer Wahl im Landtag gedulden. Am Mittwoch kam es nicht zur finalen Abstimmung, da die Debatte über das Regierungsprogramm zu viel Zeit in Anspruch nahm. Die Wahl soll nun am Donnerstag, dem zweiten vorgesehen Sitzungstag, erfolgen.
Der seit 2014 regierende Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) war bereits am 18. Jänner – nach zähen, seit Anfang Dezember andauernden Regierungsverhandlungen – im Landesparlament gewählt worden. Der 52-Jährige geht in seine dritte und letzte Amtszeit. Kompatscher hob in seiner Rede zur Vorstellung des Regierungsprogramms sowie zur Besetzung der neuen Landesregierung bzw. der Zuteilung der Kompetenzen vor allem die Bedeutung der Autonomie bzw. dessen vorgesehenen Ausbau hervor. Diese sei “die Grundlage für ein erfolgreiches Regierungshandeln.” Sie sei Brücke zwischen den Sprachgruppen, aber auch ein wirtschaftliches Instrument, das für Wohlstand im Land sorge. Der Spielraum sei jedoch eingeschränkt worden und solle nun zurückerkämpft werden. Man habe einen Vorschlag für ein neues Verfassungsgesetz ausgearbeitet, das diese Verluste rückgängig machen solle. Auch ein Ausbau der Autonomie sei darin vorgesehen. Die Regierung habe es sich gemeinsam mit der Regierung in Rom zum Ziel gesetzt, aus diesem Vorschlag bis Ende Juni einen gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten, der dann dem Parlament vorgelegt werden soll. Dazu habe sich die Regierung bereit erklärt.
Der Landeshauptmann betonte erneut, dass in der Gesellschaft ein “Auseinanderdriften” festzustellen sei. Das Gefühl für Gemeinschaft sei zum Teil verloren gegangen. Dem Programm habe man verschiedene Werte vorangestellt, die grundlegend seien. Als Schwerpunkte neben dem Ausbau der Autonomie seien die Bildung als Grundlage für Erfolg, eine leistungsgerechte und den Lebenshaltungskosten angemessene Entlohnung, leistbares Wohnen sowohl als Eigenheim als auch in Miete, die Sicherheit, die Klimaneutralität bis 2040 sowie die Biodiversität festgelegt worden. Im Bereich Zuwanderung und Integration “haben wir Verantwortung, Parallelgesellschaften zu vermeiden und jene zu unterstützen, die sich integrieren möchten. Zugleich müssen wir das Einhalten der Regeln einfordern”, erklärte Kompatscher.
Von der Opposition setzte es in der Debatte hingegen teils scharfe Kritik. Paul Köllensperger vom Team K warf Kompatscher etwa vor, dass “diese Regierung teilweise von Rom bestimmt” worden sei. Er glaube auch nicht, dass der Landeshauptmann bis zum Ende der Legislaturperiode politisch durchhalten werde.
“Süd-Tiroler Freiheit”-Landtagsabgeordneter Sven Knoll – seine Gruppierung legte bei der Landtagswahl im vergangenen Oktober stark zu – sprach im Hinblick auf die Regierungsbeteiligung von Fratelli d’Italia von einem “Dammbruch”: “Ohne jede politische Notwendigkeit werden heute Neofaschisten in die Landesregierung geholt. Jene Kräfte, die bisher vehement gegen die Autonomie und die Minderheitenrechte der Süd-Tiroler gekämpft haben.” Hart ins Gericht ging Knoll mit Kompatscher ins Gericht: “Es ist eine Frotzelei, wenn Kompatscher von dem Problem der Jugendgewalt in unserem Land spricht und damit so tut, als ob die Jugendlichen das Problem seien. Süd-Tirol hat kein Problem mit Jugendlichen, Süd-Tirol hat ein massives Problem mit kriminellen Ausländern.”
Brigitte Foppa von den Grünen wies darauf hin, dass der Landeshauptmann seit der Wahl zahlreiche Niederlagen habe hinnehmen müssen. So habe er sich öffentlich für eine achtköpfige Landesregierung ausgesprochen, geworden sei es eine aus elf Mitgliedern. Er habe sich ursprünglich für das Team K als deutschen Koalitionspartner ausgesprochen, geworden seien es die Freiheitlichen. Auch bei der Besetzung verschiedener Posten habe Kompatscher seine Wünsche nicht realisieren können.
Die künftige, noch zu wählende Landesregierung soll aus elf Mitgliedern bestehen. Kompatscher wird in Zukunft die Bereiche Außenbeziehungen, Autonomie, Finanzen, Gemeinden, Zivilschutz, Bürgerrechte und Chancengleichheit verwalten. Rosmarie Pamer (SVP) wird erste Landeshauptmannstellvertreterin und die Bereiche Soziales und Familie sowie Zusammenhalt, Senioren und Ehrenamt übernehmen. Den Posten des zweiten Landeshauptmannstellvertreters soll Marco Galateo (FdI) bekleiden, der die italienische Schule und Kultur sowie die Wirtschaftsbereiche Handel, Handwerk, Dienstleister und Industrie verwalten wird. Ladinischer Landeshauptmannstellvertreter wird der bereits bisher in der Regierung vertretene Daniel Alfreider (SVP), der die ladinische Bildung und Kultur sowie Mobilität und Infrastrukturen über haben wird.
SVP-Obmann Philipp Achammer ist wie bisher als Landesrat für die Bereiche deutsche Schule und Kultur vorgesehen. Hinzu kommen Innovation, Forschung und Denkmalpflege. Magdalena Amhof (SVP) soll sich laut dem Vorschlag an das Landesparlament mit Europa, Arbeit und Personal beschäftigen, während Christian Bianchi (Lega) Hochbau, Grundbuch und Kataster verwalten wird. Peter Brunner (SVP) wird die Bereiche Umweltschutz, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Energie und Sport verwalten, die Freiheitliche Ulli Mair bekommt Wohnbau, Sicherheit und Gewaltprävention. Hubert Messner (SVP), Bruder von Bergsteigerikone Reinhold Messner, soll erwartungsgemäß die Bereiche Gesundheit und Vorsorge übernehmen. Als letzter der elf Mitglieder der Landesregierung wird sich Luis Walcher (SVP) um den Tourismus sowie um Land- und Forstwirtschaft kümmern.
Das Fünfer-Bündnis war Mitte Jänner nach zähen Verhandlungen endgültig paktiert worden. Sie löste teils heftige Kritik ob der Beteiligung von Fratelli d’Italia, Lega und teils auch der Freiheitlichen aus – so stiegen etwa Künstler sowie Wissenschafter öffentlich “auf die Barrikaden”, die Rede war von einer “Rechts-Rechts-Regierung” und einem Tabubruch. Bis zuletzt gab es ein heftiges Tauziehen um die Zahl der italienischsprachigen Landesräte in der Regierung bzw. die Größe derselben. Letztlich einigte man sich auf ein Kabinett aus elf Mitgliedern. Die italienischen Parteien Fratelli d’Italia und Lega stellen jeweils einen Landesrat. Die kleine Bürgerliste La Civica ist hingegen nicht in der Landesregierung vertreten.
Die Südtiroler Volkspartei hatte nach ihrer empfindlichen Niederlage bei der Landtagswahl Ende Oktober zwei weitere Koalitionspartner gebraucht, um auf eine Landtagsmehrheit zu kommen bzw. jedenfalls auch einen deutschsprachigen Partner. Ein Novum in der Südtiroler Geschichte. Zuletzt regierte man nur mit der Lega. Dass eine italienischsprachige Partei bzw. deren Proponenten in einer Landesregierung vertreten sind, ist ohnehin zwingend vorgeschrieben.