Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag wurde heute die Plenarsitzung zur Neuordnung der örtlichen Körperschaften abgehalten.
Landesgesetzentwurf Nr. 144/17: Neuordnung der örtlichen Körperschaften, vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag von LR Arnold Schuler. Den Anstoß habe die Verfassungsreform von 2001 gegeben, die den Gemeinden eine neue Rolle zuerkenne, erklärte Schuler. Auf die neue Verantwortung der Gemeinden wolle dieses Gesetz eingehen. Noch 2011 hätten die Südtiroler Gemeinden zu den am meisten verschuldeten gehört, diese Verschuldung sei nun abgebaut worden, auch dank der Immobiliensteuer. 2016 sei man vom Rotations- zum Investitionsfond übergegangen. Mit dem vorliegenden Gesetz werde das Ganze abgerundet, um die Finanzen der Gemeinden zu stärken und eine Zusammenarbeit zwischen ihnen zu fördern, was vor allem den kleinen Gemeinden zugute komme. Dieses Gesetz, das zusammen mit dem Gemeindenverband erarbeitet wurde, ist gleichzeitig die Grundlage für weitere Reformen. Vorgesehen sei auch eine Übertragung von Zuständigkeiten, aber nicht aller auf einmal, denn die Gemeinden müssten sich auf neue Aufgaben vorbereiten können. Mit diesem Gesetz würden einige Aufgaben übertragen, andere würden in den nächsten Jahren folgen. Ein zweiter wesentlicher Punkt sei die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden. Er sei gegen Zwangsfusionen, die Bürger würden das nicht akzeptieren. In kleinen Gemeinden würden sich die Bürger auch mehr einbringen. Statt auf Fusionen setze man auf Zusammenarbeit. Komme es nicht zu einem Konsens unter den Gemeinden, würden der Bezirk und das Land die Formen der Zusammenarbeit festlegen. Hauptziel sei nicht die Einsparung, sondern die Effizienzsteigerung, etwa bei der Handhabung des neuen Raumordnungsgesetzes. Er habe sich von Anfang an auf diese Zuständigkeit für die Gemeinden gefreut und hoffe, dass er diesen Reformprozess, den er schon vom Gemeindenverband aus begleitet habe, nun abschließen könne.
Anschließend verlas Tamara Oberhofer ihren Minderheitenbericht zum Entwurf.
Nach einer längeren Unterbrechung für Beratungen innerhalb der Opposition und innerhalb der SVP wurde mit der Generaldebatte begonnen.
Oswald Schiefer (SVP) meinte, dass dem Gesetz ein bisschen die Substanz fehle, aber der Landesrat habe ja angekündigt, dass das noch kommen werde. Die an die Gemeinden übertragenen Zuständigkeiten hätten etwas mehr sein können. Kompatscher und Schuler hätten als Präsidenten des Gemeindenverbandes schon einiges zugunsten der Gemeinden geleistet, vor allem zum Schuldenabbau. Die Übertragung der Zuständigkeiten werde die Gemeinden stärken, aber nur, wenn sie ihre Verantwortung übernehmen. Dazu gehöre die Zusammenarbeit bei vielen Diensten. Diese sei besser als Zwangsfusionen wie im Trentino. Ein bestimmter Druck zur Zusammenarbeit werde manchmal aber sicher nötig sein. Auch die Bezirksgemeinschaften bräuchten eine institutionelle Reform, seit 1991 seien Aufgaben wie die Sozialdienste dazu gekommen, aber am Regelwerk habe sich nichts geändert. Mit der Reform von Gemeinden und Bezirken könnte man sehr wohl Einsparungen erreichen.
Walter Blaas (Freiheitliche) wollte nach der “Lobhudelei” Schiefers wieder auf den Boden der Tatsachen kommen. Das vorgelegte Gesetz sei eine reine “Wurstlerei”, wie die zahlreichen Änderungsanträge aus der Landesregierung bewiesen. Mit den Zusammenlegungen würden auch qualifizierte Arbeitsplätze im ländlichen Raum verloren gehen. Man lege funktionierende Dienste von Gemeinden mit unterschiedlichen Regelungen wie etwa bei der Bauordnung zusammen. Blaas kritisierte Art. 15 mit der Bestimmung, dass Überschüsse in den Rotationsfonds einzuzahlen seien. Ein Übergang des Personals dürfe keine Frage des Kollektivvertrags sein. Wenn man Dienste der Gemeinden zusammenlege, dann brauche man die Bezirksgemeinschaften nicht mehr, außer zur Postenbeschaffung für Parteifreunde. Die Bezirksgemeinschaften entzögen sich jeder politischen Kontrolle. Blaas kritisierte auch Schuler, der den Gemeinden nahegelegt habe, nicht mehr auf seine Landtagsanfragen zu antworten. Mit Art. 4 werde die Landesregierung zu Entscheidungen delegiert und der Landtag ausgeschlossen. Er werde klar gegen dieses Gesetz stimmen, er sei enttäuscht über diese Arbeit.
Brigitte Foppa (Grüne) erinnerte an das kritische Gutachten des Rates der Gemeinden zum Gesetzentwurf und zur Vorgangsweise. Sie kritisierte, dass der Entwurf den Abgeordneten erst kurz vor Behandlung im Gesetzgebungsausschuss zugestellt wurde, dadurch seien Konsultationen mit verschiedenen Gemeinderäten der eigenen Partei nicht mehr möglich gewesen. Die neuen Aufgaben für die Gemeinden hätten auch eine Kehrseite, die Gemeinden müssten dadurch auch gegenüber ihren Wählern Verantwortung übernehmen. Die Übertragung der Zuständigkeit für die Bildungsausschüsse könne auch zu weniger Qualität führen, zu Einschränkungen aus Kostengründen. Problematisch seien auch die Zuständigkeit für die Spielsäle, diese hätte sich das Land behalten können sowie die Zusammensetzung der Kommission für öffentliche Veranstaltungen.
Bereits im Gesetzgebungsausschuss habe man sich darüber beschwert, wie schnell der Gesetzentwurf durchgedrückt werden sollte, berichtete Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). In der Zwischenzeit habe sie mit einigen Gemeindevertretern gesprochen, und es sei ihr bestätigt worden, dass man zum einen von Zusammenarbeit spreche, zum anderen Druck und Sanktionen androhe. Durch den Zwang zur Zusammenarbeit würde den Gemeinden Autonomie genommen. Mit den Zuständigkeiten wolle das Land die heiße Kartoffel weiterreichen. Buchhaltung und technische Dienste zusammenzulegen, sei problematisch, einzelne Ämter würden damit überlastet. Mit Geldentzug drohen und gleichzeitig neue Aufgaben übertragen, sei der falsche Weg. Zuerst die Mittel, dann die Aufgaben.
Das Gutachten des Rates der Gemeinden sei für ihn unverständlich, meinte Josef Noggler (SVP), dieser sei, wie LR Schuler sagte, von Anbeginn eingebunden gewesen. Im Gesetz sei oft von Einvernehmen die Rede, aber diese könne nach gewisser Zeit auch übergangen werden. Die Übertragung von Zuständigkeiten sollte der Kernpunkt sein, doch im Entwurf seien nur drei von den 200 angeführt, die eine Expertengruppe des Landesrats ermittelt habe. Noggler kündigte eine entsprechende Tagesordnung mit weiteren Kompetenzen an, auch wenn einige Landesräte anscheinend nichts abgeben wollten. Die Bildungsausschüsse würden nur für den Teil der laufenden Ausgaben übertragen, für anderes müssten sie sich ans Land wenden.
LR Arnold Schuler begründete in seiner Replik die vielen Querverweise auf andere Gesetze damit, dass man nicht alles neu regeln müsse und so das Gesetz lesbarer bleibe. Was die Kompetenzen betreffe, so sei es Wunsch der Gemeinden gewesen, mit wenigen zu starten. Bald schon würden weitere Bestimmungen erlassen, etwa zur Führung der Musikschulen. Bei den Überschüsse gehe es darum, dass andere die nicht ausgegebenen Mittel verwenden könnten. Die Dringlichkeit dieses Entwurfs sei allein durch den Art. 15-bis gegeben. Schuler bestätigte, dass die Aufgaben der Bezirksgemeinschaften zu überdenken seien, derzeit gebe es zu viele Unterschiede. Durch die Zusammenarbeit bei den Diensten würden keine Arbeitsplätze verloren gehen. Das müsse so organisiert werden, dass nicht zu viele übersiedeln müssten, ansonsten hätte man leere Büros. Der Rat der Gemeinden könne laut Autonomiestatut nicht selbst Gesetzentwürfe dem Landtag vorlegen, wie in der Debatte gefordert, er müsse den Weg über die Landesregierung gehen. Er selbst sei vom Gutachten des Rates überrascht gewesen, inzwischen aber habe man die fraglichen Dinge geklärt und es seien Änderungen ausgearbeitet worden. Er sei weiter überzeugt, dass das Subsidiaritätsprinzip der richtige Weg sei. Die Bildungsausschüsse würden heute schon in die Zuständigkeit der Gemeinden fallen, hier gehe es um eine Entflechtung. Die Anhörung der Kommission für öffentliche Veranstaltungen sei eine Möglichkeit, keine Pflicht. Bei den Spielhallen hätten die Gemeinden wahrscheinlich Angst vor Rekursen, aber das sei überschaubar. Die Reform übertrage den Gemeinden vor allem Verantwortung, aber es werde Richtlinien brauchen, damit die Situation nicht chaotisch werde. Die Eingriffsmöglichkeit des Landes bei fehlendem Einvernehmen sei stark eingeschränkt.
Eine Tagesordnung der Abg. Noggler und Wurzer zu den Öffnungszeiten der Gastbetriebe wurde von der Landesregierung angenommen. Demnach seien Änderungen innerhalb der Regelöffnungszeiten nur im Lokal anzuschlagen und nicht gesondert zu melden.
Anschließend wurde zur Artikeldebatte übergegangen.
Art. 1 mit den Zielsetzungen wurde mit 18 Ja und 13 Enthaltungen genehmigt. Streichungsanträge von Walter Blaas wurden abgelehnt.
Art. 2 enthält allgemeine Grundsätze und wurde mit 18 Ja und 13 Enthaltungen genehmigt. Änderungsanträge von Walter Blaas wurden abgelehnt.
Art. 3 regelt die Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden.
Josef Noggler forderte die Streichung des unklaren Absatzes 1 sowie des Absatzes 3, der eine Frist für das Einvernehmen vorsieht. Letzteres forderte auch Brigitte Foppa. Walter Blaas wollte die Pflicht für die Gemeinden einführen, sämtliche Landtagsanfragen zu beantworten. Außerdem wollte er die Frist für das Einvernehmen von 60 auf 90 Tage verlängern. Das fehlende Einvernehmen sollte auch begründet werden. Absatz 1 sei ein Verweis auf ein geltendes Gesetz, erklärte LR Arnold Schuler. Für die Einvernehmensfrist habe sich auch der Rat der Gemeinden ausgesprochen. Eine schriftliche Begründung sei sowieso Pflicht. Zu den Anfragen sagte Schuler, das könne nicht durch Landesgesetz geregelt werden, das Land habe laut Statut und Verfassung nicht mehr die Kontrolle über die Gemeinden. Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Walter Blaas bedauerte die Ablehnung, insbesondere des Antrags zu den Landtagsanfragen. Dem Landesrat werde keine Gemeinde eine Antwort schuldig bleiben, er wolle nur nicht, dass auch der Landtag zu diesem Recht komme. Die Informationen, die die Landesregierung bekomme, leite sie selbstverständlich dem Landtag weiter, antwortete LR Schuler. Das Grundproblem liege darin, dass sich die Anfragen früher in einem gewissen Rahmen hielten. Der Tsunami an Anfragen sei der Auslöser für die Verweigerung gewesen. Die Anfragen hätten mittlerweile wieder abgenommen, daher wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, gemeinsam eine Lösung zu besprechen.
Der Artikel wurde mit 19 Ja, 7 Nein und fünf Enthaltungen genehmigt.
Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.