Von: APA/dpa/AFP
Für zwei laufende Gerichtsprozesse gegen den inhaftierten und abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu sind weitere Verhandlungstage angesetzt worden. Das bestätigte İmamoğlus Anwalt Kemal Polat nach zwei Prozessterminen am Freitag. In beiden Fällen drohen dem Kontrahenten von Präsident Recep Tayyip Erdoğan Haftstrafen und ein Politikverbot. Die Verfahren haben inhaltlich nichts mit der jüngsten Festnahme İmamoğlus wegen Korruptions- und Terrorvorwürfen zu tun.
Die Opposition sowie Kritiker werfen der Regierung vor, den Erdoğan-Rivalen durch die Verfahren gegen ihn kaltstellen zu wollen. “Ich bin hier, weil ich die Wahlen in Istanbul dreimal gewonnen habe”, sagte İmamoğlu vor Gericht in Silivri westlich von Istanbul, wie die Zeitung “Cumhuriyet” berichtete.
Dort begann ein Prozess, in dem İmamoğlu die Bedrohung eines Staatsanwalts vorgeworfen wird. Der Politiker wies die Vorwürfe zurück: “Ich bin immer jemand, der versöhnt”, sagte er. Gefordert werden in dem Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren und vier Monaten sowie ein Politikverbot. Ein weiterer Prozesstag wurde für den 16. Juni angesetzt.
Verfahren wegen Betrugsvorwürfen zieht sich weiter hin
In dem zweiten Verfahren geht es um Betrugsvorwürfe bei Ausschreibungen im Jahr 2015, als İmamoğlu Bezirksbürgermeister im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü war. Eine Entscheidung fiel in diesem bereits laufenden Prozess auch Freitagnachmittag nicht. Ein weiterer Prozesstag wurde für den 11. Juli angesetzt, wie İmamoğlus Anwalt sagte. Dieser warf der Anklage vor, ein Urteil hinauszuzögern, da es auf Freispruch hinauslaufe. Hier nahm İmamoğlu nicht persönlich an der Verhandlung teil.
In einem dritten Prozess gegen seine Oppositionspartei CHP ist İmamoğlu als Zeuge geladen, war bei einem Gerichtstermin am Freitag aber nicht vor Ort. İmamoğlu wurde 2022 bereits in einem anderen Verfahren wegen Beamtenbeleidigung bereits zu einem Politikverbot verurteilt. Die Entscheidung ist aber bisher nicht rechtskräftig.
Am 19. März wurde İmamoğlu wegen Terror- und Korruptionsvorwürfen festgenommen. İmamoğlus Festnahme löste die größte innenpolitische Krise seit vielen Jahren in der Türkei aus. Hunderttausende gingen gegen die Regierung auf die Straße.
Gericht ordnet Freilassung von 93 jungen Demonstranten an
Unterdessen ordnete die türkische Justiz am Freitag die Freilassung von insgesamt 93 jungen Demonstranten an, die im Zuge der Proteste festgenommen wurden. Damit stieg die Zahl der in dieser Woche freigelassenen Demonstranten auf rund 200.
Ein Gericht in Istanbul ordnete zunächst die Freilassung von 59 jungen Demonstranten an. Nach den Angaben der Anwälte der Demonstranten begründete das Gericht seine Entscheidung insbesondere damit, dass einige der Festgenommenen “Studenten” seien und die “Gefahr einer Unterbrechung ihres Studiums” bestehe. Die größte türkische Oppositionspartei CHP, der auch İmamoğlu angehört, kündigte später an, dass weitere 34 junge Demonstranten freigelassen werden sollten.
Am Donnerstag hatte die türkische Justiz bereits 107 junge Demonstranten wieder auf freien Fuß gesetzt. Der CHP und mehreren Anwälten zufolge waren mehr als 300 Studierende in Untersuchungshaft genommen worden.
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