Von: apa
Ganz zufrieden ist der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil mit dem am Samstag präsentierten SPÖ-“Masterplan” zu Asyl und Migration nicht. Dass er selbst daran nicht mitgearbeitet hat, begründet er in der ORF-Pressestunde damit, sich im Nationalratswahlkampf zurückhalten zu wollen. An das von Parteichef Andreas Babler ausgegeben Ziel, den ersten Platz zu holen, glaubt Doskozil nicht mehr. Indirekt legte er Babler auch nahe, sich bei einem Minus zurückzuziehen.
Dass das Thema Migration innerhalb der Sozialdemokratie ein sehr umstrittenes ist, ist kein Geheimnis. Am gestrigen Samstag präsentierte Babler eine “aufgefrischte” Version des sogenannten Kaiser-Doskozil-Papieres aus dem Jahr 2018, die unter anderem schnellere Verfahren an den EU-Außengrenzen, eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU samt Sanktionen gegenüber Staaten, die das verweigern, sowie mehr Rückführungen vorsieht. Dass der burgenländische Landeshauptmann sich im Gegensatz zu seinem Kärntner Pendant nicht an der Ausarbeitung beteiligte, begründete er so: “Weil es sicher den ein oder anderen Punkt gegeben hätte, den ich anders gesehen hätte”. In der “sensiblen Phase” vor der Nationalratswahl am 29. September gehe es darum, “dass wir ruhig in den Wahlkampf gehen können, und dass er (Babler, Anm.) sich beweisen kann”.
Ein wesentlicher und richtiger Schritt seien etwa Außengrenzverfahren, “was aber nicht drinnen steht, was passiert dann in weiterer Folge?”. Einen Schuldigen für die Probleme im Migrationswesen ortete Doskozil aber doch außerhalb seiner Partei. “Die Verantwortung trägt nicht die SPÖ, die trägt die ÖVP”, die – Herbert Kickl (FPÖ) ausgenommen – seit über 20 Jahren das Innenressort leitet. Wäre Doskozil noch Innenminister gewesen, hätte er wie auch Gerhard Karner (ÖVP) den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien blockiert, “wenn wir dafür ein Europäisches Asylverfahrenszentrum an der bulgarisch-türkischen Grenze für diese Fluchtroute bekommen hätten”. Karner sei es aber nur darum gegangen “politisches Kleingeld” zu wechseln. “Mit Kontrollen alleine” werde man die Situation nicht lösen können, denn “90 Prozent oder mehr können trotz Gerichtsentscheiden nicht abgeschoben werden”. Deshalb brauche es eine Vereinbarung mit der Türkei, und “natürlich wird Europa das bezahlen müssen”.
Im Herbst gehe es dann darum, zu zeigen “dass wieder eine große Koalition möglich ist”. Damit meinte er aber wohl inhaltlich, denn daran, dass ÖVP und SPÖ gemeinsam die Mehrheit stellen könnten, glaubt der burgenländische SPÖ genauso wenig wie daran, dass seine Partei auf Platz eins landen könnte. “Ich schraube die Erwartungshaltung nicht zu weit nach oben, aber wenn wir ein klares Plus verzeichnen wäre ich schon zufrieden”. Für die Sozialdemokratie gehe es darum, die Trendwende zu schaffen. “Wenn ich nicht in der Lage wäre Wahlen zu gewinnen, wüsste ich was ich zu tun hätte”, nämlich abzuziehen. “Das Credo gilt auf allen Ebenen”, legte er seinem Parteichef und einstigem Kontrahenten um dieses Amt indirekt den Rückzug im Falle einer Wahlschlappe nahe.
Seine “Wunschkoalition” nach der Wahl wäre zwar SPÖ, Grüne und NEOS, an deren rechnerische Wahrscheinlichkeit glaubt Doskozil aber ebenso wenig. Am wahrscheinlichsten erscheint ihm eine Schwarz-Blaue Regierung, trotz aller Bekundungen der Volkspartei, Kickl nicht zum Kanzler zu machen. “Wenn Karl Nehammer ein zweistelliges Minus einfährt, dann wird er nicht weitermachen können, dann wird jemand anders übernehmen”, ist Doskozil überzeugt. Ein Minus im zweistelligen Bereich ist derzeit – glaubt man den Umfragen – aufgrund des sensationellen ÖVP-Ergebnisses 2019 durchaus wahrscheinlich.
Sollte sich Kickl, ähnlich wie Jörg Haider Anfang des Jahrtausends aus der Bundespolitik zurückziehen, und jemand anderen vorschicken, so wäre “die ÖVP die erste die diesen Schritt macht”. Der Volkspartei täte aber eine Zeit in der Opposition gut, so Doskozil, um wieder “ein bisschen Demut vor dem Wähler zu bekommen”. Anders als auf Bundesebene wollte Doskozil eine Koalition der SPÖ mit den Freiheitlichen nach der Wahl im Burgenland im kommenden Jahr nicht ausschließen.
Viel “schöner und angenehmer” als die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen auf Bundesebene wäre für ihn da natürlich eine Dreierkoalition mit ÖVP und SPÖ. Als wohl notwendigen dritten Partner seien laut Doskozil die NEOS deutlich wahrscheinlicher als die Grünen, hätte mit diesen doch nicht nur die ÖVP aufgrund der jüngsten Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (ÖVP) zum EU-Renaturierungsgesetz ein Problem, sondern auch die Wiener SPÖ wegen des Lobautunnels.
Auch bei eben jenem Renaturierungsgesetz war Doskozil anderer Meinung als etwa die Landesparteien in Wien und Kärnten, die die Zustimmung Gewesslers begrüßt haben. “Aus meiner Sicht hätte man nicht zustimmen dürfen”, sagte Doskozil. Denn “niemand weiß derzeit genau, was das bedeutet (…) Etwas zuzustimmen das ich nicht kenne, tu ich mir schwer”. Geärgert hätte er sich auch über den Umgang Gewesslers. “Die Landeshauptleutekonferenz ist zwar nicht in der Verfassung, aber sie ist ein Gremium, dass in der Vergangenheit weit über Parteigrenzen hinaus Beschlüsse gefasst hat”, fühlte er sich übergangen. Aber auch die Reaktion der ÖVP, die bekanntlich die Koalition fortführt, aber eine Anzeige einbrachte, macht für Doskozil keinen Sinn. “Wenn ich die Frau Minister anzeige und ich bin der Meinung, das ist ein Amtsmissbrauch, dann hätte ich auch die Koalition auflösen müssen.”