Von: apa
Österreich ist, wie bereits angekündigt, der Luftabwehr-Initiative “Sky Shield” beigetreten. Am Dienstag unterzeichnete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in Brüssel eine entsprechende Erklärung mit Deutschland. Die Sky Shield-Initiative ist eine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine und will einen stärkeren Luftverteidigungsschirm über Europa spannen.
“Dieser Schritt heute ist ein ganz wichtiger für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher”, erklärte Tanner vor der Unterzeichnung gegenüber Journalisten in Brüssel. Gerade als neutraler Staat sei es “unabdingbar notwendig, dass wir uns schützen vor Bedrohungen aus der Luft”, dass “wir die Österreicherinnen und Österreicher schützen vor Drohnen, Marschflugkörpern”.
Rechte Parteien würden sich mit ihrer Kritik an der Unterzeichnung “sicherheitspolitisch auf einen Weg begeben, den man nur als Risiko bezeichnen kann”, sagte die Ministerin zur Frage, ob nach dem Beitritt zu Sky Shield die Teilnahme Österreichs an weiteren militärischen EU-Initiativen geplant sei. “Sky Shield wird die Speerspitze der Neutralität sein”, so Tanner. Laut österreichischer Verfassung sei die “Neutralität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen”.
Die Unterzeichnung des sogenannten “Memorandum of Understanding” erfolgte am Rande eines Treffens mit Tanners Amtskolleginnen und -kollegen. Thema sind hier auch die Vorschläge der EU-Kommission für eine Stärkung der europäischen Verteidigungsbereitschaft und Rüstungsindustrie.
Die Teilnahme am Sky Shield erfolgt in mehreren Phasen. Mit Österreich nehmen aktuell 21 europäische Länder an der vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz ins Leben gerufenen Initiative teil. Im Oktober 2022 haben die Verteidigungsministerinnen und -minister mehrerer europäischer Staaten am Rande eines NATO-Treffens eine gemeinsame Absichtserklärung zum Start der European Sky Shield Initiative (ESSI) unterschrieben. Lücken im bisherigen Schutzschirm für Europa sollen geschlossen werden, unter anderem durch gemeinsame Einkäufe von Waffensystemen. Geplant ist zudem die Zusammenarbeit bei Planungen im Bereich der Luft- und Raketenabwehr unterschiedlicher Höhen sowie im Ausbildungs- und Trainingsbereich. Auch Polen hat inzwischen angekündigt, der Initiative beitreten zu wollen.
SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer forderte Tanner in einer Aussendung auf, “Sky Shield dem Parlament vorzulegen”. Genau diesen Weg habe kürzlich die Schweiz gewählt: “Es ist erfreulich zu sehen, dass in der Schweiz die Bedeutung parlamentarischer Kontrolle und demokratischer Prozesse gelebt wird. Bundesministerin Tanner wäre gut beraten, dies auch zu tun.” Laimer erinnerte daran, dass in Österreich “noch immer keine neutralitätsrechtlichen Gutachten vorliegen: Bei solchen Summen und tiefgreifenden Veränderungen der österreichischen Verteidigungssysteme muss das Parlament eingebunden werden.”
“Schwarz-Grün hebt heute ihren gelebten Verrat an unserer immerwährenden Neutralität auf eine neue Stufe”, übte FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl scharfe Kritik an der Bundesregierung. “Wo ‘Ja’ zu Sky Shield draufsteht, ist auch das ‘Ja’ zur NATO und das klare ‘Nein’ zu unserer immerwährenden Neutralität drinnen. Das ist ÖVP und Grünen genauso bewusst wie die Tatsache, dass unsere Bevölkerung wie wir Freiheitliche an ihrer Seite die Neutralität erhalten will – deshalb setzen sie jetzt auch ihren perfiden Plan um, noch vor den beiden richtungsentscheidenden Wahlen im Sinne der EU- und NATO-Eliten ohne Volksabstimmung Fakten zu schaffen.”
NEOS-Generalsekretär und Verteidigungssprecher Douglas Hoyos sah den Beitritt dagegen als “ein erster, wichtiger Schritt, um Österreich sicherer zu machen”. Das Ziel müsse allerdings eine gemeinsame, europäische Verteidigung sein. “Europa muss sich aus eigener Kraft sichern und verteidigen können – unabhängig von den USA. In den Vereinigten Staaten von Europa geht das mit einer eigenständigen, europäischen Berufsarmee.”
Für die KPÖ ist Sky Shield ein weiterer Schlag gegen die Glaubwürdigkeit der österreichischen Neutralität. “Bei Skyshield sind noch viele Fragen offen, klar ist aber: Mit der Neutralität ist dieses Bündnis nicht vereinbar”, erklärte Günther Hopfgartner, KPÖ-Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat zur EU-Wahl. Er kritisiert auch die Kosten: “Zuerst wurden vier Milliarden genannt, dann sechs, jetzt soll die Teilnahme Österreich bis zu sieben Milliarden kosten. Das ist Geld, das beim leistbaren Wohnen, in der Pflege und in der Bildung viel dringender benötigt wird.”
Die Teilnahme und Ausgestaltung von ESSI erfolgt in einem dreistufigen Verfahren, erklärte das Verteidigungsministerium gegenüber der APA. Nach der Absichtserklärung (“Letter of Intent”), den Österreich und die Schweiz im Juli des vergangenen Jahres unterzeichnet haben, und der Rahmenvereinbarung (Memorandum of Understanding) ist noch die Unterzeichnung einer Programm-Vereinbarung (PA) erforderlich. In Folge würden dann konkrete Beschaffungspläne festgelegt. Mit der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding wird außerdem ein Beschlussfassungsgremium eingerichtet, das sogenannte “ESSI Steering Committee”.
Um den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik Österreichs und der Schweiz zu unterstreichen, wurde eine gemeinsame, schriftliche Erklärung zur Neutralität abgegeben. Diese Neutralitätsklausel legt fest, dass die beiden neutralen Staaten das Kooperationsausmaß selbst definieren. Sie erklären, sich an keinen operativen Handlungen, keinem militärischen Bündnis und keinen militärischen bewaffneten Konflikten zu beteiligen. Ebenso akzeptieren Österreich und die Schweiz demnach keine militärischen Stützpunkte und keine Präsenz ausländischer Soldaten auf ihren Territorien.