Zerwürfnis mit ÖVP ist Grund für Karas' Rückzug

ÖVP-Karas kandidiert nicht mehr für EU-Wahl

Donnerstag, 12. Oktober 2023 | 12:54 Uhr

Von: apa

Der ÖVP-Europaabgeordnete und Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas wird nicht mehr für die Volkspartei kandidieren. “Nach 25 Jahren im EU-Parlament werde ich bei den kommenden Wahlen nicht mehr kandidieren. Das ist keine einfache Entscheidung für mich”, sagte er am Donnerstag vor Medienvertretern in einer kurzfristig einberufenen persönlichen Erklärung. Seine politische Zukunft ließ er offen. Mit einer eigenen Liste wird er vorerst nicht antreten.

Auf eine entsprechende Frage, ob das auch für die Nationalratswahl gelte, antwortete Karas ausweichend. “Ich habe heute eine erste persönliche Entscheidung bekannt gegeben.” Alles andere werde sich zeigen, meinte er: “Eines ist aber sicher: Ich werde nur das tun, was für unser Land einen Mehrwert bedeutet, wo ich das, was ich für richtig und notwendig erachte, umsetzen kann.” ÖVP-Mitglied wolle er jedenfalls bleiben, so Karas. Und auch seine Funktion als Erster Vizepräsident werde er bis zur Wahl im Sommer weiterhin ausüben.

Der 65-Jährige begründete den heutigen Schritt mit dem Zerwürfnis zwischen ihm und seiner Partei. Karas war in der Vergangenheit immer wieder aus der Parteilinie ausgeschert und übte teils öffentliche Kritik am Kurs der Bundespartei. Auch am Donnerstag bemängelte Karas die Rolle der Volkspartei in Europa oder deren Standpunkt in Sachen Asyl und Migration. Auch kritisierte er diverse “Scheindebatten” wie etwa jene von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer angestoßene, das Recht auf Bargeld in der Verfassung zu verankern.

Die vergangenen Monate seien zudem “menschlich enttäuschend ” gewesen. Wie die Bundespartei mit ihm umgegangen sei, sei einer staatstragenden Partei “unwürdig”. Karas beklagte den Stil, der öffentlich Einzug gehalten habe.

Der Stil widerspreche seinem persönlichen Selbstverständnis, so Karas, der betonte, sich dem Land und nicht nur einer einzelnen Partei verpflichtet zu fühlen. Karas kritisierte die Anbiederung der etablierten Parteien an die politischen Ränder. Die politisch Handelnden hätten “jegliche Glaubwürdigkeit verloren” und mit ihrer Politik einen “nachhaltigen Schaden” verursacht.

Karas beklagte das “politische Versagen in vielen zentralen Feldern” und eine “mangelnde Debattenkultur”. Dazu sei ein “eklatanter Vertrauensverlust” der Bürger in die Politik gekommen. Die Politik verliere sich in “Scheindebatten” und “Nebenschauplätzen”.

Besonders schmerze ihn die veränderte Rolle Österreichs in der EU. Österreich sei vom Motor der Veränderung “zum Bremser” geworden. Als Beispiele dafür führte er das Schengenveto gegen Rumänien und Bulgarien, das Verhalten der SPÖ bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Nationalrat oder die “unverschämte antieuropäische Politik der FPÖ” an. Jene Parteien, die einst der Motor der europäischen Integration waren, würden nun mit dem Finger auf Brüssel zeigen.

Besonders bekam jedoch seine eigene Partei ihr Fett ab. Etwa gehe es ihm “unheimlich auf die Nerven” von manchen als Linker tituliert zu werden, “weil ich dafür eintrete, dass Frauen und Kinder nicht im Mittelmeer ertrinken”. Ebenso kritisierte er die “sinnlose Polarisierung”, neuerdings nenne man das “strategisch notwendigen Unsinn, wobei am Ende nur der Unsinn überbleibt”, so Karas.

Karas zog 1999 für die Volkspartei ins EU-Parlament ein. Von 2006 bis 2009 sowie von 2011 bis 2019 leitete der die ÖVP-Delegation. Im Jänner 2022 wurde der gebürtige Niederösterreicher zum Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gekürt. Dieses Amt bekleidete er zuvor bereits von 2012 bis 2014 sowie von 2019 bis 2022.

Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) wollte indes ein Antreten als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der EU-Wahl auf Nachfrage nicht ausschließen. “Das habe nicht ich zu bestimmen, das entscheiden die Gremien der Volkspartei”, sagte Plakolm am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz. Sie mache ihre Aufgabe als Staatssekretärin sehr gerne und wolle die nächsten Monaten als solche weiterarbeiten, betonte sie. Für die Entscheidung der Parteigremien über die Frage, wer für die Partei ins Rennen geht, sei “noch viel Zeit”.