Von: mk
Bozen/Trient – Im Regionalrat hat man die letzten zwei Tage im Rahmen der Haushaltsdebatte über die Demokratie diskutiert. Eine der Fragen war: Soll man künftig in kleineren Gemeinden, wenn nur ein Bürgermeisterkandidat zur Wahl antritt, das Beteiligungsquorum auf 40 Prozent heruntersetzen, ja oder nein? Die Grünen finden: Nein.
„Es ist ein verheerendes Signal, dass es immer weniger Beteiligung braucht. Man müsste auf Erleichterung der Beteiligung setzen, anstatt sich selbst eine Bankrotterklärung auszustellen“, sagen die grünen Regionalratsabgeordneten Brigitte Foppa, Madeleine Rohrer, Zeno Oberkofler und Lucia Coppola in einer Aussendung am Ende der nächtlichen Marathonsitzung. Gleichzeitig erinnern sie an den zweiten strittigen Punkt, nämlich die Einführung des Kabinettschefs für den wirklich ziemlich bedeutungslosen Vizepräsidenten der Region – auch dies sei ein ungutes Signal von Postenbeschaffung und unnützen Privilegien.
Die grüne Fraktion habe in dieser Sitzung für die Sache gearbeitet, sich zu Wort gemeldet, Streichungsanträge und Tagesordnungen vorgelegt. „Das ist unser parlamentarischer Auftrag, wir nehmen ihn sehr ernst – auch im Gegensatz zu anderen Kollegen, die sich gar nicht erst blicken ließen, ihren Urlaub genossen oder ab Hälfte der Arbeiten verschwanden“, so die Grünen.
Was dann folgte, war laut den Grünen „ein unerhörtes Vorgehen“. Die Mehrheit legte um 23.40 Uhr einen Änderungsantrag (erstunterzeichnet von Maurizio Fugatti) vor, der alle anderen übersprang und somit verfallen ließ. Da er erst 22 Minuten vorher eingebracht worden war und nicht auf der digitalen Plattform der Abgeordneten zu finden war, gab es keine Möglichkeit, hier noch Änderungen vorzunehmen.
Regionalratspräsident Roberto Paccher erklärte diese Frist kurzerhand für abgelaufen und somit war die gesamte Arbeit der Opposition umsonst. „In allgemeiner Stille und mit manchem verhohlenen Grinsen haben die SVP und Landeshauptmann Arno Kompatscher dieses miese Spiel mitgetragen. Man hat über Demokratie diskutiert und am Ende hat man sie im eigenen Gremium regelrecht zunichte gemacht. Es ist die niederste und miserabelste Stunde des Regionalrats, die gestern um 23.18 Uhr geschlagen hat“, so die Abgeordneten der Grünen Fraktion. Ihre Arbeit an der Sache würden sie trotzdem fortführen heißt es in einer Aussendung.
Auch STF gegen Postenvermehrung in der Region
Auch die Süd-Tiroler Freiheit übt Kritik: Die Region Trentino-Südtirol und der Regionalrat seien unnötig, teuer und von der Bevölkerung nicht gewünscht, heißt es in einer Aussendung. „Trotzdem wollen Kompatscher und Co die leere Schachtel Regionalrat mit neuen Versorgungsposten füllen. Belohnt werden damit offensichtlich treue Parteisoldaten der SVP.“
Die Süd-Tiroler Freiheit findet dagegen: „Schluss mit der Region und Schluss mit diesen Postenspielen!“ Sie distanziert sich gleichzeitig aber auch von Obstruktionspolitik der Opposition, da die Regionalregierung, Kraft der Mehrheitsverhältnisse ihre Vorhaben so oder anders durchboxen werde. So entstünden durch das Hinauszögern der Sitzungen nur zusätzliche Ausgaben zu Lasten der Steuerzahler.
„Nachdem die SVP-Landtagskandidatin Gabriele Morandell den Sprung in den Landtag knapp verpasste, soll sie laut Medienberichten einen Trostpreis bekommen. Sie dürfe sich über den gut dotierten Posten als Generalsekretärin der Regionalregierung freuen. Und weil Kompatscher und Co schon beim Postenschaffen sind, wollen sie auch noch einen zusätzlichen Kabinettschef für die Vizepräsidentin der Region installieren“, behauptet die Bewegung.
Durch solche Aktionen zeige die SVP, dass es ihr nur um Macht und Posten gehe, zeigt Bernhard Zimmerhofer, Fraktionssprecher der Süd-Tiroler Freiheit im Regionalrat, auf. „Die Bevölkerung brachte im Autonomiekonvent klar zum Ausdruck, dass sie die Region und den Regionalrat ablehnt. Aber anstatt diese schrittweise abzubauen, werden sie sogar aufgewertet. Zusätzliche Posten und neue Gesetzgebungskommissionen sind nicht im Sinne der Menschen in Süd-Tirol“, unterstreicht Zimmerhofer abschließend.
Team K: „Wie man für Posten in der Region seine Würde verliert“
Kritik kommt auch vom Team K. Bis zuletzt habe man gestern im Regionalrat beim Nachtragshaushalt mit allen Mitteln dafür gekämpft, dass nicht noch mehr Steuergeld für neue Posten in der Regionalregierung und dem Regionalrat verschleudert werde. „Doch die Mehrheit, SVP, Lega und FdI holten sich mit einem nächtlichen Handstreich, was sie wollten, nämlich zusätzliche Kabinettschefsitze“, so das Team K.
Damit nicht genug, denn als Opposition habe das Team K auch darum gekämpft, eine Reihe von blinden Passagieren aus diesem Haushaltsgesetz zu entfernen. So soll das Quorum bei Wahlen in kleinen Gemeinden von 50 auf 40 Prozent gesenkt werden, und bei Gemeindeprojekten soll der Gemeinderat nicht mehr über die technisch-wirtschaftliche Durchführbarkeit entscheiden dürfen, sondern nur noch der Ausschuss. Dieser letzte Passus wurde noch vor der Schlussabstimmung zurückgenommen.
Gegen Mitternacht sei dann der Paukenschlag erfolgt, den auch die Grünen heftig kritisierten. „Es wird ein 318 Seiten langer Änderungsantrag aus dem Hut gezaubert, der zwar die Erst-Unterschrift des Abgeordneten Fugatti trägt, aber ganz klar die Handschrift von Landeshauptmann Kompatscher erkennen lässt. Ohne ein Wort zu sagen, ohne auf die Kritik und die Vorschläge der Opposition auch nur mit einem einzigen Wort einzugehen, wurde mit einem Änderungsantrag, der das gesamte Gesetz ersetzte und der der Opposition bis zuletzt vorenthalten worden war, weiterer Widerstand der Opposition und eine weitere inhaltliche Diskussion zum Gesetz unmöglich gemacht. Kompatscher und die Lega haben sich damit ihre Kabinettschefs gesichert. Jährliche Kosten: über 180.000 Euro. Aber zu welchem wirklichen Preis? Um den Preis einer weiteren Abwertung des Regionalrats und des Verlusts der Würde der Mehrheit für ein paar Posten mehr“, so das Team K.
Fugatti und Kompatscher hätten eine unmissverständliche Botschaft vermittelt: Wer seinen Anteil bekommen wolle, müsse schweigend gehorchen. „Die Mehrheit der Abgeordneten und die Bürokraten haben gehorcht. Gesetze, Verordnungen und demokratische Grundsätze wurden gestern im Regionalrat mit Füßen getreten. Die parlamentarische Debatte wurde dem eigenen Vorteil geopfert“, so das Team K.
Als ob dem nicht genug wäre, sei mit demselben Handstreich auch noch die Senkung des Quorums bei Wahlen in kleinen Gemeinden in Kraft gesetzt worden. „Die Mehrheit ist der Meinung, dass das Gegenmittel gegen die immer geringere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am demokratischen Leben darin besteht, die Hürden zu senken, anstatt den Bürgern Gründe zu geben, wählen zu gehen“, so das Team K.
Würden die Wählerinnen und Wähler ernsthaft eingebunden, begleitet von einer guten Verwaltung, die den Menschen klar macht, dass sie mit ihrer Stimme wirklich etwas bewirken können, würde auch das Interesse an Politik wieder steigen, ist die Bewegung überzeugt. „Eines muss auch deutlich gesagt werden: Eine geringe Wahlbeteiligung spielt bei jeder Wahl der SVP in die Hände, denn wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger am Wahltag zu Hause bleiben, kann sie mit Unterstützung der beiden üblichen Lobbys weiterregieren. Die politische Arroganz zeigt sich auch darin, dass es der SVP heute Nacht völlig gleichgültig war, den demokratisch gewählten Regionalrat respektlos zu übergehen. Dieses Verhalten heute Nacht ist kein positives Signal im Sinne der Demokratie und der gewählten Institutionen“, so das Team K.
Gegen all das habe sich das Team K mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gewehrt. „Ganz abwesend war oder die Sitzung früher verlassen hat – nicht zum ersten Mal – die rechte deutschsprachige Opposition von der Liste JWA, Vita bis zur Süd-Tiroler Freiheit, die die Region zwar in Worten abschaffen möchte und die gestrige Postenvermehrung in einer Presseaussendung kritisiert, in Wirklichkeit aber keinen Finger gerührt hat, um zu verhindern, dass Sitze und Kosten sich vervielfachen“, so das Team K.
Es sei wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger verstünden, wer sie mit welchen Methoden regiere und mit welcher Respektlosigkeit mit dem Steuergeld umgegangen werde.