Von: APA/Reuters/dpa
Inmitten des geopolitischen Ringens um Grönland haben die Bewohner der weltgrößten Insel offenbar für einen Machtwechsel gestimmt. Bei der Parlamentswahl am Dienstag errang die oppositionelle Mitte-Rechts-Partei Demokraatit 29,9 Prozent der Stimmen, geht aus dem Endergebnis hervor. Die Partei befürwortet eine langsame Annäherung an die Unabhängigkeit von Dänemark. Die ebenfalls oppositionelle Naleraq, die eine rasche Unabhängigkeit anstrebt, erzielte 24,5 Prozent.
Bei der letzten Wahl 2021 hatte Demokraatit lediglich 9,1 Prozent erreicht. Die derzeit regierenden Parteien landeten dagegen auf dem dritten und vierten Platz. Sie kamen zusammen nur noch auf 36 Prozent, nach 66,1 Prozent vor vier Jahren.
Wegen des Anspruchs von US-Präsident Donald Trump auf das dänische Territorium lag besonderes Augenmerk auf der Wahl. Trump rechtfertigt seinen Anspruch auf Grönland mit Sicherheitsinteressen der USA, zudem will er die dortigen Bodenschätze heben. Nach einer kürzlichen Umfrage lehnen 85 Prozent der Grönländer es ab, Teil der USA zu werden.
“Wir wollen nicht morgen die Unabhängigkeit”
Dem erst 33 Jahre alten Demokraatit-Chef Jens-Frederik Nielsen wird es nun zufallen, sich an der Bildung der nächsten grönländischen Regierung zu versuchen. Er kündigte noch in der Nacht an, seine Hand in Richtung aller weiteren Parteien auszustrecken – auch zur Naleraq. Diese wird in weiten Teilen des politischen Spektrums kritisch betrachtet. Zu ihr gehören einige der wenigen Politiker, die sich zwischenzeitlich positiv über Trumps Begehrlichkeiten geäußert hatten.
“Die Menschen wollen eine Veränderung … Wir wollen mehr Wirtschaft, um unseren Wohlstand zu finanzieren”, sagte Nielsen, Demokraatit-Vorsitzender und ehemaliger Minister für Industrie und Mineralien. “Wir wollen nicht morgen die Unabhängigkeit, wir wollen eine gute Basis.”
“Wir werden natürlich mit ihnen reden, genau wie mit allen anderen”, sagte Nielsen nach Angaben des dänischen Rundfunksenders DR in der Wahlnacht. “Das ist die zweitgrößte Partei, daher kommen wir um sie nicht herum.” Er sprach sich demnach gleichzeitig für einen “ruhigen Kurs” gegenüber den USA aus und dafür, dass zunächst “ein Fundament” geschaffen werden müsse, ehe man über eine Staatsgründung sprechen könne. Auch Naleraq-Chef Pele Broberg wollte eine Zusammenarbeit der beiden Parteien nicht ausschließen.
Egede stürzte massiv ab
Die derzeit regierenden Parteien Inuit Ataqatigiit von Ministerpräsident Mute Egede und Siumut stürzten massiv ab. Egede hat wiederholt erklärt, für die vollständige Abspaltung von Dänemark zu sein. Er wie auch sein sozialdemokratischer Koalitionspartner Siumit bremsen allerdings bei der Geschwindigkeit. Den Ambitionen von Trump erteilte er eine Absage.
Egedes linke Partei Inuit Ataqatigiit (IA) und Siumut verloren jeweils um die 15 Prozentpunkte, womit sie noch auf 21,4 beziehungsweise 14,7 Prozent kamen. “Wir respektieren den Ausgang der Wahl”, schrieb Egede auf Facebook. “Jetzt beginnt die Arbeit in der neuen Wahlperiode. Und wir sind gespannt zu hören, was die Parteien für die Verhandlungen anbieten werden – wir sind bereit.”
Trump-Debatte prägt Wahl
40.500 der insgesamt knapp 57.000 Grönländer waren aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Wegen des großen Andrangs war die Öffnungszeit der Wahllokale um eine halbe Stunde verlängert worden. Bis 1953 war Grönland eine dänische Kolonie und hat seitdem weitgehende Autonomie erlangt. Dazu gehört seit 2009 auch das Recht, die Unabhängigkeit zu erklären.
Hauptknackpunkt bei einer Unabhängigkeit der Insel ist dabei Grönlands nach wie vor starke finanzielle Abhängigkeit von Kopenhagen. “Wir müssen unsere Wirtschaft um etwa fünf Milliarden Kronen (670 Mio. Euro) pro Jahr verbessern, wenn wir politische Unabhängigkeit anstreben und gleichzeitig das derzeitige Wohlstandsniveau aufrechterhalten wollen”, heißt es dazu im Demokraatit-Wahlprogramm. Ein Weg dorthin – das haben nicht zuletzt Egedes Aussagen gezeigt – könnte eine stärkere wirtschaftliche Kooperation mit den USA sein.
Zuletzt hatte sich Trump in die heiße Phase des Wahlkampfes eingemischt, indem er den Grönländern über seine Plattform Truth Social neue Arbeitsplätze und Reichtum versprach. In dem Beitrag lud er die knapp 57.000 Einwohner der Insel kurz vor der Wahl noch einmal ein, “ein Teil der großartigsten Nation der Welt” zu werden, wenn sie das wollten.
So einfach, wie Trump sich das vorstellt, ist es allerdings nicht. Anders als etwa im Falle Alaskas 1867 können die USA Territorium heutzutage nicht einfach von anderen Staaten abkaufen. Und da auch die Bevölkerung mehrheitlich dagegen ist, ist es zum jetzigen Stand völlig unrealistisch, dass die nächste grönländische Regierung dem Trump-Wunsch in irgendeiner Weise Folge leistet.
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