Urzì vermisst Tricolore

Ossanna (PATT) für Regionalregierung vorgeschlagen

Mittwoch, 17. März 2021 | 14:15 Uhr

Von: luk

Trient/Bozen – Derzeit tagt der Regionalrat in Trient. Am Vormittag fand eine eingehende Debatte zu eventuellen Konsequenzen für die Mehrheitsbildung in der Region und in der Provinz Trient statt.

Zu Beginn der Sitzung wies Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) darauf hin, dass heute der 160. Jahrestag der Einheit Italiens ist. Er vermisste die Trikolore im Sitzungssaal, wie es in anderen Regionalräten Italiens Gepflogenheit sei.

Präsident Roberto Paccher gab bekannt, dass Alessia Ambrosi die Fraktion Lega Salvini verlassen und sich der Fraktion Fratelli d’Italia angeschlossen hat.

Erster Punkt auf der Tagesordnung der heutigen Regionalratssitzung war die Wahl eines Regionalassessors der italienischen Sprachgruppe nach dem Rücktritt von Claudio Cia.

Maurizio Fugatti schlug Lorenzo Ossanna (PATT) für dieses Amt vor.

Nach einer Unterbrechung für eine Beratung innerhalb der Opposition forderte Sara Ferrari (PD) von der Mehrheit eine politische Begründung für diesen Vorschlag. Immerhin trete hier ein Abgeordneter, der im Trentino zur Opposition gehöre, zur Mehrheit in der Region über.

Vizepräsident Maurizio Fugatti wies darauf hin, dass der PATT sich im Regionalrat bereits zu Beginn der Legislaturperiode zur Mehrheit bekannt habe.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) räumte ein, dass der PATT sich zur Mehrheit in der Region bekenne, gleichwohl habe er sich, im Unterschied zu anderen Mehrheitsfraktionen, immer wieder kritisch zur Regionalregierung geäußert. Die SVP sehe im PATT den treuesten Partner und nutze ihn, um ihre Ziele zu erreichen, darunter die Schwächung der Region. Andere Koalitionspartner, wie auch Cia, der dafür angefeindet wurde, stünden hingegen treu zur Region. Wenn heute Fugatti und die Lega eine bestimmte Position innehätten, so sei das auch dank Fratelli d’Italia, welche kein Gegengeschäft verlange, sondern die Treue zu den Prinzipien.
Carlo Vettori (PATT) erinnerte daran, dass Fratelli d’Italia bei den Wahlen 2018 nicht präsent war. Es gebe kein Problem mit dem Austritt von Cia aus der Regionalregierung. Die Südtiroler Parteien hätten aber ein Problem mit Parteien, die sich als autonomistisch deklarieren, sich dann aber anders verhielten. Der PATT habe von Anfang an erklärt, dass er seinen Beitritt zur Mehrheit in der Region als Unterstützung für die SVP sehe, nicht für die Trentiner Mehrheit.
Urzì erwiderte, dass Fratelli d’Italia einen wesentlichen Beitrag zum Wahlsieg Fugattis geleistet habe, und warf Vettori vor, die Trikolore für nutzlos zu erachten. (Präs. Paccher präzisierte, dass dieses Wort nie gefallen sei.)

Alex Marini (Movimento 5 Stelle) erinnerte daran, dass er den Misstrauensantrag gegen die Regionalregierung nach dem Rücktritt Cias mit unterschrieben habe. Die Position von Fratelli d’Italia sei klar und transparent gewesen, nicht aber jene der Mehrheit, die ihre Beweggründe nicht öffentlich mache. Von der Designierung Ossannas habe man aus der Zeitung erfahren. Ossanna übernehme immerhin die Agenden zu den Lokalkörperschaften, ein Bereich, mit dem sich der Regionalrat oft befassen müsse: Gemeindefusionen, Unabhängigkeit der Gemeindesekretäre, Gemeindereferenden, Wahlgesetz u.a.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) teilte das Anliegen Marinis: Die Mehrheit müsse Stellung nehmen. Der PATT sei schon einmal besser aufgestellt gewesen, z.B. unter der Führung Rossis, mit einem Verhältnis zur SVP auf Augenhöhe. Heute hingegen gehe es nur um einen Posten, um einen Dank für die politische Treue.
Giorgio Tonini (PD) erinnerte daran, dass unsere Region 1861 noch nicht bei Italien war, und das sei vielleicht mit ein Grund für die Autonomie. Ebenso seien im Regionalrat auch Parteien vertreten, denen man nicht die Treue zur Trikolore abverlangen könne, wohl aber einen korrekten Umgang damit. Fugattis Antwort sei unbefriedigend, denn mit Ossanna komme eine Partei in die Regionalregierung, die nicht zur Mehrheit im Trentino gehöre, und das werfe die Frage auf, ob sich der PATT auf die Lega zu bewege oder ob sich die Lega der SVP und dem PATT annähere oder ob es nur um Sessel gehe. Dies seien wichtige Fragen, auch weil in der Region wichtige Fragen anstünden, darunter A22 und Eisenbahn, das Kreditwesen oder die Reform des Statuts.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) dankte Tonini für den historischen Zusammenhang. Es gebe Parteien, von denen man weder Treue noch Loyalität zum Staat verlangen könne. Er habe den Misstrauensantrag gegen die Regionalregierung unterstützt, weil man durch den Parteiwechsel Cias plötzlich eine postfaschistische Partei in der Regionalregierung hatte (Präs. Paccher mahnte, den Ausdruck “faschistisch nicht zu verwenden). Im Autonomiekonvent sei die Abschaffung der Region gefordert worden, aber dieses Anliegen sei bisher nicht erhört worden. Knoll plädierte schließlich für eine weitere Übertragung von Kompetenzen an die beiden Provinzen, den die Region habe keinen Sinn mehr.

Alessandro Urzì protestierte dagegen, dass man bestimmte Parteien, aber auch die Region als postfaschistisch hinstelle, und verlangte mehr Respekt vor den Institutionen und den anderen Parteien.

Claudio Cia (Fratelli d’Italia) wünschte Ossanna gute Arbeit, wenn auch wenig zu tun sei in dieser ausgehöhlten Region, dank SVP und PATT. Fugatti sollte nicht vergessen, dass die Lega nur dank dem Zusammenhalt der Trentiner Koalition in der Regionalregierung sei. Nach Jahren der Zusammenarbeit sei es nicht akzeptabel, von der Nominierung Ossannas aus der Zeitung zu erfahren. Die Neubesetzung gehe nicht auf in Abkommen zwischen PATT, SVP und Mitte-Rechts zurück, sondern auf einen Pakt PATT-SVP-Lega. Damit werde die Loyalität von Fratelli d’Italia missbraucht. Er hoffe, Ossanna könne zur Aufwertung der Region beitragen, aber der PATT habe mitgeholfen, die Region auszuhöhlen.

Walter Kaswalder (Autonomisti Popolari – Fassa) erklärte, alle Fahnen zu respektieren, und stimmte Toninis Ausführungen zur Geschichte zu. Man müsse in die Zukunft schauen und Zwiespalt vermeiden. Die Autonomistenbewegung sei stark in Südtirol und im Trentino, aber die Geschichte des PATT sei zyklisch. Seine Fraktion wünsche sich eine starke autonomistische Bewegung, auch um die aktuellen Herausforderungen durch die Pandemie zu meistern.

Ugo Rossi (PATT) wies darauf hin, dass er im Trentiner Landtag bereits einer anderen Fraktion angehöre und deshalb heute nicht mit dem PATT stimmen werde. Er sei überzeugt, dass Ossanna gut arbeiten werden, auch wegen seiner Erfahrung als Kommunalverwalter. Die Lega sei früher stets gegen das Staffelprinzip bei der Führung der Region gewesen, nun, mit dieser Neubesetzung, stütze sie es. Das Staffelprinzip bedeute auch, dass Mehrheit in der Provinz und in der Region übereinstimmten. Aus diesem Grund könne er nicht für Ossanna stimmen. Diese Operation lege die Widersprüche der Lega offen, darunter die Zustimmung zu Beiträgen nur für die Südtiroler Gemeinden.

Alessandro Savoi (Lega Salvini Trentino) sah den Austritt Cias als natürliche Folge seines Parteiwechsels. Fratelli d’Italia gehöre in der Region zur Opposition. Ebenso folgerichtig sei es, wenn Rossi, der nach einer langen Karriere im PATT nun zur Linken gehöre, nicht für Ossanna stimme. Für eine Regierungsbildung brauche es stabile Mehrheiten; der PATT gehöre von Anfang an dazu und trete nun auch in die Landesregierung ein. Das sei alles ein logischer Werdegang ohne offene Fragen. Mit Ossanna werde nun jemand mit großer Erfahrung in die Regionalregierung gewählt, und die Lega unterstütze ihn mit Überzeugung.
Er schätze Ossanna, erklärte Michele Dallapiccola (PATT), aber er hätte sich gewünscht, dass Fugatti seinen Vorschlag begründet hätte. Ossanna sei dem Territorium mit seiner Erfahrung als Kommunalverwalter verbunden. Auch der PATT sei eine Partei, die auf Verwaltung ausgerichtet sei, mit einem offenen Ohr für Identitäten und soziale Anliegen. Der PATT habe Ossanna ein blockfreies Mandat erteilt, was einen Beitritt zur Trentiner Mehrheit ausschließe.

 

Bezirk: Bozen