"Wäre schade, wenn Gäste nicht mehr kommen"

Overtourism-Protest in Südtirol: Bürgermeisterin in Sorge

Freitag, 07. Februar 2025 | 07:36 Uhr

Von: luk

Kastelruth – Eine mit roter Farbe auf den Schnee gesprühte Botschaft sorgt auf der Seiser Alm für Aufsehen: „Too much“ – zu viel. Doch zu viel wovon? Die mysteriöse Protestaktion, die in der Nacht auf den 4. Februar stattfand, ist von der Umlaufbahn aus gut sichtbar und hat die Debatte über den Massentourismus in Südtirol neu entfacht.

Die Bürgermeisterin von Kastelruth, Cristina Pallanch, zeigt sich wenig begeistert von der Aktion – nicht nur wegen der Botschaft selbst, sondern auch wegen der ökologischen Folgen. „Eine Protestaktion mit Spray auf Schnee ist alles andere als umweltfreundlich“, kritisiert sie gegenüber dem Corriere. Zwar wurde die Farbe mit einem Traktor entfernt, doch der Schnee blieb rot gefärbt.

Überfüllte Pisten und volle Parkplätze

Die Hintergründe der Aktion sind unklar, doch Pallanch vermutet einen Zusammenhang mit dem Andrang am vorherigen Sonntag: „Es war ein wunderschöner Tag, viele Tagesgäste aus Bozen und Umgebung sind zum Skifahren gekommen. Das führte zu besonders viel Verkehr – manche Einheimische fanden keinen Parkplatz mehr.“

Doch von einer generellen Ablehnung des Tourismus könne keine Rede sein. „Die meisten hier leben vom Tourismus“, betont Pallanch. Zwar gebe es Beschwerden über Staus und hohe Preise, doch von einem massiven Unmut in der Bevölkerung wolle sie nicht sprechen. Vielmehr sei sie besorgt darüber, dass die Bilder des Schriftzugs nun die Runde machen. „Touristen kommen hierher, um eine entspannte Zeit in der Natur zu verbringen. Es wäre schade, wenn sie sich durch eine solche Botschaft nicht mehr willkommen fühlten.“

„Erinnern wir uns an den Corona-Lockdown“

Overtourism ist in Südtirol kein neues Thema. Orte wie der Pragser Wildsee kämpfen seit Jahren mit den Folgen steigender Besucherzahlen. Pallanch verweist jedoch darauf, dass auf der Seiser Alm bereits Maßnahmen zur Steuerung des Ansturms bestehen – etwa die digitalisierte Zufahrtsregelung für Autos oder die begrenzte Erreichbarkeit mit der Seilbahn.

Sollte der Schriftzug tatsächlich Ausdruck von lokalem Unmut sein, appelliert die Bürgermeisterin an das Erinnerungsvermögen der Bevölkerung: „Vor vier Jahren, während der Pandemie, war hier niemand. Viele hatten Angst um ihre Existenz, manche mussten sich beruflich umorientieren. Mehr als 70 Prozent der Menschen in Kastelruth arbeiten im Tourismus – das dürfen wir nicht vergessen.“

Ein größeres Problem als die Touristenzahlen sieht Pallanch derzeit an anderer Stelle: „Wir haben bald Gemeinderatswahlen, doch es gibt kaum Kandidaten. Viele haben eine Meinung, aber am Ende will sich niemand engagieren. Ich stelle mich jedenfalls wieder zur Wahl.“

Bezirk: Salten/Schlern

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