Von: ka
Barcelona/Bozen – Die halbe Welt mit Dutzenden von Fernsehstationen und Medienberichterstattern und nicht zuletzt die heimischen Unabhängigkeitsbefürworter warteten am Dienstag gespannt auf die katalanische Unabhängigkeitserklärung. Diese kam dann sehr wohl aus dem Mund des katalanischen Regierungschefs, aber den letzten Schritt tat er dann doch nicht und suspendierte sogleich die von den katalanischen Sezessionisten herbeigesehnte eigene Republik.
Den Ausschlag zum Rückzieher gaben vermutlich die turbulenten letzten Tage, in denen immer mehr wichtige Unternehmen und Banken ihre Sitze aus Katalonien hinaus verlegten. Die idealistischen Unabhängigkeitsbefürworter hofften auf ein Stillhalten der EU und vielleicht auf ein Einlenken Madrids, aber als wichtige Unternehmer ahnten, dass die Republik weder mit einer schnellen Aufnahme in EU und Euro noch auf internationale Anerkennung hoffen konnte, brach unter ihnen Panik aus. Mit hartem Blick auf Paragrafen dulden weder EU noch Madrid eine Abkehr vom Gesetz. Nun rächt es sich, dass der gesetzliche Rahmen verlassen wurde. Das harte Ringen um den Brexit hätte Barcelona eigentlich zeigen müssen, dass der Boden außerhalb des geschriebenen Wortes steinig und eine Scheidung schmerzhaft ist.
Aber hat Madrid nicht alles getan, um die Lage eskalieren zu lassen? Den schwersten Fehler beging der Staat, als er den Katalanen die Reform des Statuts verwehrte. Dies war die Geburt des auf Eigenstaatlichkeit pochenden Katalanismus. Durch mehrere Jahre hindurch wurde weiteres Porzellan zerschlagen, bis der Konflikt in den Prügelexzessen der Polizei am 1. Oktober kulminierte. Die Gewalt schreckte Europa auf. Aber es hilft nichts. Nicht zuletzt von Europa gezwungen, müssen die Katalanen nun den Weg zurückgehen. Bis Montag haben sie noch Zeit. Zugleich bedeutet die EU unter der Hand Madrid, Barcelona entgegen zukommen und begangene Fehler auszubügeln.
Aus Südtiroler Sicht können gleich mehrere Lehren gezogen werden. Die erste ist “Pacta sunt servanda” – “Verträge sind einzuhalten”, die zweite ist, dass aber in diesem Rahmen über vieles geredet werden kann und die dritte ist, dass in einer globalisierten Wirtschaft Rechtssicherheit alles zählt und sowohl Geld als auch Unternehmen scheue Tiere sind, die flüchten, sobald sie nur ein wenig Rascheln im Unterholz vernehmen.
Treffen Madrid und vor allem Barcelona die richtigen Entscheidungen könnten die Katalanen in Zukunft vielleicht dort stehen, wo Südtirol mit seiner pragmatischen, unaufgeregten, stillen, aber beharrlichen Politik laut der deutschen FAZ bereits heute erfolgreich angelangt ist.