Von: luk
Bozen – Zu Beginn der heutigen Landtagssitzung teilte Präsident Roberto Bizzo mit, dass der Abgeordnete Pius Leitner am 13. März sein Rücktrittsschreiben eingereicht hat.
Wenn Leitner durch ehemalige Mitstreiter und die Justiz zum Rücktritt gezwungen werde, dann sei das auch Anlass, um auf sein politisches Leben Rückschau zu halten, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). Leitner habe mit seiner Parteigründung einen Beitrag zur Demokratisierung des Landes geleistet. Er habe gegen ein ganzes System antreten müssen und habe es zum Abgeordneten mit den zweitmeisten Stimmen hinter dem Landeshauptmann geschafft. Leitner habe auf seinem politischen Lebensweg auch mit Opportunisten und ehemaligen Parteikollegen zu tun gehabt, von denen einer ihn aus dem Landtag geklagt habe. Leitners Karriere stehe wie ein Denkmal, auch wenn er kein Landesverdienstkreuz bekommen werde, weil er der falschen Partei angehöre.
Dieter Steger (SVP) bezeichnete Mairs Rundumschlag als schlechten Stil. Er kündigte an, dass die SVP dem Rücktrittsansuchen Leitners zustimmen werde, aus Respekt vor Leitner und der Entscheidung seiner Fraktion. Leitner sei immer ehrlich und fair gewesen, ein harter Verhandler, der es der Mehrheit nicht immer leicht gemacht habe. Man tue sich schwer, für den Rücktritt zu stimmen, auch weil durch das Gerichtsverfahren die Politik unter Generalverdacht gestellt werde. Man zweifle an den Maßstäben der Justiz, die für geringfügige Vergehen schwere Strafen verhänge. Es sei an einer anderen Haltung gegenüber der Politik zu arbeiten. Leitner werde dem Landtag sicher fehlen, er sei der längstgediente Politiker im Haus. Er wünsche ihm alles Gute für die Zukunft.
Mit Leitner gehe auch eine Ära zu Ende, meinte Hans Heiss (Grüne), eine Epoche, in der die Politik vielleicht weniger vorsichtig war, aber mehr Rückhalt bei der Bevölkerung hatte. Die Härte des Gerichtsurteils sei nicht nachvollziehbar. Die Grünen würden an Leitner vieles nicht vermissen, seine Haltung zum Freistaat, zu den 68-ern, zu Putin, zur EU u.a. Fehlen werde hingegen ein aufrechter Demokrat, mehr Volksmann als Populist, einer, der die Nöte der Leute draußen kenne. Er wünsche seinem Nachfolger Glück, diese Lücke zu schließen, aber es freue ihn auch ein wenig, dass das nicht der Fall sein werde.
Andreas Pöder (BürgerUnion) erinnerte an Leitners Zeit bei den Schützen und an andere Gelegenheiten, bei denen er ihn kennen gelernt habe. An Leitner habe er vor allem das Rückgrat geschätzt. Pöder dankte Leitner für die vielen gemeinsam geschlagenen Schlachten. Er kündigte an, gegen den Rücktritt zu stimmen, da er das Gesetz, wonach einer bereits vor dem endgültigen Urteil das Mandat aufgeben müsse, für unhaltbar halte. Er bat Leitner, weiterhin mit seiner Erfahrung für Demokratie und Freiheit einzutreten.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte seine Zustimmung zum Rücktritt an, auch wenn ihm das keine Freude bereite. Er dankte Leitner für seinen Einsatz für die Heimat, der hoffentlich erhalten bleibe.
Er werde auch zustimmen, weil Leitner darum bitte, erklärte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). Es sei gefährlich, wenn die Härte des Severino-Gesetzes Leute treffe, die nicht endgültig verurteilt wurden. Für solche Fälle müsste eigentlich ein beschleunigtes Verfahren eingerichtet werden, damit sofort Klarheit herrsche. Leitner werde vor Gericht seine Unschuld beweisen können. Leitner habe sich in einem Brief an die Abgeordneten dafür entschuldigt, falls er jemanden in einer Debatte einmal beleidigt haben sollte – aber das sei bei ihm nie der Fall gewesen.
Er gehe mit Wehmut, aber mit dem Bewusstsein und der Verpflichtung, Schaden vom Landtag und von seiner Familie abzuwenden, erklärte Pius Leitner (Freiheitliche). Er wolle nicht das Urteil kritisieren, aber es werde viele Politiker abschrecken. Es zeige, dass die Gerichte immer mehr die Politik ersetzen wollten. Südtirol sei nicht Venezuela, aber auch hier müsse man für die Gewaltenteilung eintreten. Leitner bedankte sich bei allen Abgeordneten und bei den Mitarbeitern, die ihn unterstützt hätten. Politik brauche Mut, und Demokratie Geduld. “Audiatur et altera pars”, sagte Leitner und rief den Landtag auf, immer auch die andere Stimme zu hören.
Der Rücktritt von Pius Leitner wurde mit 27 Ja und vier Nein angenommen. Drei Stimmzettel blieben weiß.
Schließlich richtete auch Präsident Roberto Bizzo einige Worte des Abschieds an den langjährigen Abgeordneten: “Mit Pius Leitner verlässt ein politisches Schwergewicht dieses Haus. Er war seit 1993 Mitglied des Landtags und hat schon viele andere kommen und gehen sehen. Aber nicht nur wegen der ehrenwerten Dauer seiner Amtszeit haben wir ihn als Fixpunkt wahrgenommen, sondern vor allem wegen seiner Verlässlichkeit – als Mensch, als Mandatar und als Vertreter seiner Positionen, die er einfach und verständlich auf den Punkt bringen konnte, sogar dann, wenn er aus dem Lateinischen zitierte. Man wusste, wo er stand, und das haben nicht nur seine Anhänger geschätzt. Ich bin sicher, er wird diesen Charakterzug auch beibehalten. Ad multos annos, Kollege Pius!”
Bizzo überreichte Leitner eine Miniatur des Plattner-Freskos, das die Abgeordneten bei jeder Sitzung vor Augen haben: “Möge es für Sie eine Erinnerung sein an eine Institution, die Sie wesentlich mitgeprägt haben.”
Bevor er den Saal verließ, verabschiedete sich Pius Leitner noch persönlich bei den einzelnen Abgeordneten und wurde seinerseits mit einem Applaus verabschiedet.
Anschließend wurde der erste der Nichtgewählten auf der Liste der Freiheitlichen, Hannes Zingerle, von Präsident Bizzo zum Abgeordneten erklärt und in den Saal gebeten.
Zingerle legte dann seinen Eid auf die Verfassung ab.