Günther Platter wird am 7. Juni 70 Jahre alt

Platter für EU-Verteidigungssystem, offen bei Koalitionen

Sonntag, 02. Juni 2024 | 05:05 Uhr

Von: apa

Tirols Altlandeshauptmann Ex-Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) spricht sich “massiv” für ein “eigenes europäisches Verteidigungssystem” aus. Eine Mitgliedschaft Österreichs sei “zu diskutieren”, sagte Platter im APA-Interview. In puncto Koalitionen nach der Nationalratswahl legte er sich nicht fest, eine explizite Absage an die FPÖ gab es nicht: “Entscheidend ist nicht die Parteifarbe, sondern die Umgangsform einer Partei und die Umsetzbarkeit eines Programmes.”

Angesichts des Ukraine-Krieges und anderer Entwicklungen weltweit befinde sich Europa zunehmend in einer “Sandwichstellung”, erklärte Platter, der am 7. Juni seinen 70. Geburtstag feiert. Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei das “Fundament” für wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Wohlfahrt. “Damit der soziale Friede nicht ins Wanken gerät, plädiere ich massiv für ein eigenes europäisches Verteidigungssystem. Die Abhängigkeit Europas in der Verteidigungspolitik ist auf Dauer ein Schaden”, so der frühere Verteidigungsminister von 2003 bis 2007 und Innenminister von 2007 bis 2008. Es sei eine “Illusion und Träumerei zu glauben”, dass man in Zukunft kein solches Verteidigungssystem brauche, spielte Platter unter anderem auch auf die “Auslagerung eines Großteils der Munitionsproduktion” außerhalb Europas an.

In Österreich sollte man jedenfalls offen sein hinsichtlich der Form der Beteiligung an einem solchen neuen Bündnis. Man sollte abwarten, “wie es ausformuliert und aufgesetzt ist und ob es mit der Neutralität kompatibel ist”: “Dann sieht man, in welchem Bereich Österreich unterstützend tätig sein kann, im Rahmen unserer Neutralität.” Letztere sei ein “sensibles Thema”: “Damit muss man sorgsam umgehen.” Es wäre “unklug”, jetzt eine Neutralitätsdebatte zu führen, betonte der Ex-Landeschef. Platter verwies gleichzeitig darauf, dass österreichische Soldaten schon bisher im Zuge von “Friedenseinsätzen”, etwa bei “Partnership for Peace” im Rahmen der NATO, im Einsatz waren.

Gefragt nach einem “Europäischen Heer”, wollte Platter nicht dezidiert das Wort dafür ergreifen. Es brauche aber einen “Zusammenschluss”, etwa im Falle der Bekämpfung “moderner Waffen”. Die Fähigkeiten der Armeen der einzelnen Staaten müssten ausgelotet und festgestellt werden, “wer welchen Beitrag leisten kann.”

Gefragt, ob er sich im “Superwahljahr” mit anstehender EU-Wahl sowie Nationalratswahl Sorgen um die ÖVP angesichts schlechter Umfragewerte mache, meinte Platter: “Ich mache mir keine Sorgen.” Er sei immer zu Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer gestanden und werde das weiter tun. Ob Nehammer auch im Falle eines schlechten EU-Wahlergebnisses Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl sein solle und werde? “Ja”, antwortete Platter. Und überhaupt: Derzeit sei man nur mit Umfragen konfrontiert – und oft hätten die Macher solcher Umfragen hinterher die “größte Watschn” erhalten.

Er wolle kein “Zurufer von außen” sein, stellte Platter hinsichtlich der Koalitionsfrage nach der Wahl klar. Angesprochen auf eine Koalition mit der SPÖ, für die einige Parteigranden plädieren, meinte der Ex-Landeshauptmann mit Blick auf SPÖ-Chef Andreas Babler: “Bei einer solchen Konstellation würde es darum gehen, wie das Programm gestaltet wird und ob eine wirtschaftsfreundliche Politik möglich ist.” Denn ohne eine wirtschaftsfreundliche Politik könne der soziale Friede nicht erhalten und der Sozialstaat nicht finanziert werden.

Zugeknöpft gab sich Platter in der “FPÖ-Frage”. Er wolle hier – wie auch generell – auf der “Metaebene” argumentieren und stelle eine “Brutalität und Aggressivität” in der Wortwahl fest: “Das muss wieder zurückgenommen werden.” Eine entsprechende “Umgangsform” erwarte er sich von einem Politiker, so der ehemalige Landeschef offenbar in Bezug auf FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl. Wobei es eine solche “Wortwahl nicht nur auf der rechten, sondern auch auf der linken Seite gibt”, fügte Platter hinzu.

Er habe “große Sorgen wegen der Gefahr der Spaltung der Gesellschaft, nicht nur in Österreich, auch international”: “Die Aggressivität ist massiv geworden und das färbt auf die Gesellschaft ab.” Man habe es mit einer zunehmenden “Verrohung” der Debatte zu tun. “Ich wünsche mir mehr Besonnenheit und Staatstragendes”, so Platter. Letzteres “kann und macht Karl Nehammer.” Dieser stehe dafür, dass die” Prinzipien der Diskussionskultur eingehalten werden.” “Worte können verletzen und die Vorstufe zur Gewalt sein, wie wir vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesehen haben. Der Respekt voreinander muss wiederhergestellt werden”, mahnte der baldige Jubilar. Auch die Medien würden hier Verantwortung tragen, der sie nicht immer nachkämen.

“Sehr zufrieden” zeigte sich Platter mit seinem Nachfolger, Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), den er im Jahr 2022 in einer Blitzaktion auf das Schild gehoben hatte: “Er macht es sehr gut, ist unglaublich fleißig. Eine solide Politik ohne Riesen-Aufregungen. Die Leute mögen ihn und er mag die Leute.” Auch über die seit 2022 regierende ÖVP-SPÖ-Regierung war Platter, der Tirol 14 Jahre lang regierte, voll des Lobes: “Eine solide Regierung, von der manche nur träumen können.” Gefragt ob Mattle unumstritten sei und jedenfalls bei der Landtagswahl 2027 wieder antreten solle und werde, erklärte Parteifreund Platter: “Er ist unumstritten, ich höre nichts Gegenteiliges. Das andere ist allein seine persönliche Entscheidung. Ich werde jede seiner Entscheidungen unterstützen. Am liebsten wäre mir die Entscheidung, dass er weiter in die nächste Legislaturperiode geht.”

Mit mitunter aufkommenden Vorhaltungen, dass er, Platter, seinem Nachfolger angesichts von Causen wie GemNova, Zillertalbahn oder Lebensraum Tirol Holding ein teils “schweres Erbe” hinterlassen habe, kann der Ex-Landeschef nichts anfangen: “Das sind doch keine abgeschlossenen Prozesse. Es liegt in der Natur der Sache, das manches in die Ära des Nachfolgers übergeht. Das wichtigste ist, dass ich ein Land mit einer soliden finanziellen Basis und Budgetpolitik übergeben habe.”

Ebenso wenig geht der Noch-69-Jährige mit Kritik konform, unter seiner Ära sei die Personaldecke der Tiroler ÖVP eine eher dünne geworden: “Diese Aussage ist älter als der Bart vom Andreas Hofer.”