Der polnische Oppositionsführer Donald Tusk feiert den zweiten Platz

Polnische Opposition feiert Abwahl von PiS-Regierung

Montag, 16. Oktober 2023 | 18:25 Uhr

Von: APA/AFP/dpa

Die proeuropäische Opposition hat laut Teilergebnissen bei der Wahl in Polen die Mehrheit im Parlament errungen. Nach Auszählung von gut 80 Prozent der Stimmen kam die regierende nationalkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) als stärkste Kraft auf knapp 37 Prozent, wie die Wahlkommission am Montag mitteilte. Die proeuropäische Bürgerkoalition von Ex-Regierungschef Donald Tusk und mögliche Bündnispartner erreichten demnach aber zusammen eine Mehrheit von rund 52 Prozent.

Somit könnten drei proeuropäische Oppositionsparteien unter dem früheren EU-Ratspräsidenten Tusk die neue Regierung bilden. Seine liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) durfte mit rund 31 Prozent rechnen und könnte eine Koalition mit Christdemokraten und Sozialdemokraten bilden. Rund 73 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen und damit deutlich mehr als bei der ersten teilweise freien Wahl in Polen im Jahr 1989.

Ein möglicher Machtwechsel in Warschau würde auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen. Die nationalkonservative PiS liegt wegen einer Justizreform im Dauerclinch mit Brüssel, das Verhältnis zu Berlin befindet sich wegen ihrer Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt. Die drei Oppositionsparteien, die sich unter der Ägide von Tusk zusammentun könnten, stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland.

In der neuen Prognose wurden der PiS 198 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt. Die Mehrheit liegt bei 231 der 460 Mandate. Als Koalitionspartner kommt nur die ultrarechte Konfederacja infrage, mit deren 14 Mandaten es laut Prognosen aber ebenfalls nicht für eine Regierungsmehrheit reicht. Das endgültige Wahlergebnis steht wohl erst am Dienstag fest.

Die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) käme laut Prognosen auf 161 Mandate. Sie könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13,5 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis könnte auf 248 Abgeordnete zählen und hätte eine Mehrheit im Parlament. Am Montagnachmittag lagen die drei Oppositionsparteien nach Auszählung von zwei Drittel der Stimmen mit 231 zu 228 Mandaten in Führung. Es wurde erwartet, dass sich der Vorsprung im Verlauf der Auszählung vergrößern dürfte.

Oppositionsführer Donald Tusk sah sich am Wahlabend daher schon als Sieger: “Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen, das ist das Ende der PiS-Regierung”, sagte er am Wahlabend. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte, man warte auf den weiteren Verlauf der Ereignisse.

Eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung spielt Staatspräsident Andrzej Duda, der ein früherer PiS-Spitzenpolitiker war. Duda äußerte sich am Montag bedeckt zu seinem Vorgehen und appellierte an die Parteien, das offizielle Endergebnis abzuwarten. Ich hoffe, die Wahlkommission gibt die Ergebnisse morgen gegen Mittag bekannt”, sagte er am Montag während eines Besuchs in Rom und fügte hinzu: “Ich kann vorab schon sagen: Denjenigen, die diese Wahl gewonnen haben, gratuliere ich von ganzem Herzen.” Einen Namen nannte Duda nicht. Als klaren Gewinner bezeichnete er die polnische Demokratie. Die “gigantische” Wahlbeteiligung von nahezu 73 Prozent sei ein “überwältigendes Ergebnis”.

SPÖ-EU-Abgeordneter Andreas Schieder sieht ein “starkes proeuropäisches Signal gegen Demokratieabbau und autoritäre Tendenzen”, heißt es in einer Aussendung. “Die neue Regierung hat einiges an Arbeit vor sich, die polnische Demokratie wieder vollständig in Stand zu setzen und vor zukünftigen Angriffen zu schützen.”

Die Grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic appellierte unterdessen an die ÖVP, den siegreichen pro-europäischen Konservativen nachzueifern. “Polen hat das ganz klare Signal an die europäischen Konservativen einschließlich unseres Koalitionspartners geschickt, dass man Wahlen gewinnen kann mit einer klaren Abgrenzung an Rechtsaußen”, sagte Ernst-Dziedzic am Montag der APA. Sie war als Wahlbeobachterin in Ostpolen im Einsatz.

NEOS-Außenpolitiksprecher Helmut Brandstätter sieht laut Aussendung in dem sich abzeichnenden Wahlerfolg der polnischen Bürgerkoalition ein “klares Zeichen für unsere gemeinsamen europäischen Werte”. Auch sei es “ein wichtiges Signal an alle Kräfte, auch hier in Österreich, die das europäische Projekt von innen schwächen wollen und so den Feinden unserer liberalen Demokratie in die Hände spielen”.