Von: APA/dpa
Im Iran läuft die Stichwahl um das Präsidentenamt. Rund 61 Millionen Menschen sind aufgerufen, zwischen dem im Land als gemäßigt geltenden Politiker Massoud Pezeshkian und dem Hardliner Saeed Jalili zu wählen. Staatsoberhaupt und Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei eröffnete am Morgen in Teheran die Wahl. Aus ihr soll der Nachfolger des bisherigen Amtsinhabers Ebrahim Raisi hervorgehen, der bei einem Hubschrauberunglück ums Leben kam.
Die Wahllokale im Iran sollen indes länger geöffnet bleiben als zunächst geplant. Die Wahllokale waren regulär bis 16.30 Uhr österreichischer Zeit geöffnet. Die Möglichkeit abzustimmen, wurde jedoch um vier Stunden verlängert. Mit ersten Ergebnissen wird Samstag gerechnet.
Von insgesamt 80 Bewerbern hatte der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, nur sechs als Kandidaten zugelassen. Zwei von ihnen zogen sich zurück. Anders als in vielen anderen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer Khamenei.
Der Reformkandidat Pezeshkian ist 69 Jahre alt und stammt aus dem Nordwesten des Iran. Im Wahlkampf warb der bisher eher unscheinbare Politiker für neues Vertrauen zwischen Regierung und Volk, das nach gescheiterten Reformversuchen, politischer Repression und einer Wirtschaftskrise von der Politik maßlos enttäuscht ist. Wie viele Politiker des Reformlagers forderte er eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen.
Im Wahlkampf kritisierte Pezeshkian etwa die Internetzensur sowie das repressive Vorgehen der Sittenwächter gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit gegen die Kopftuchpflicht verstoßen. Gleichzeitig bekundete der frühere Gesundheitsminister seine Loyalität gegenüber Religionsführer Khamenei. In den TV-Debatten bezeichnete er sich selbst als wertkonservativen Politiker, der Reformen für notwendig hält. Kritiker halten ihm vor, dass er diese angesichts einer Mehrheit von Hardlinern im Parlament gar nicht erst umsetzen könnte.
Jalili auf der anderen Seite gehörte früh zum engsten Machtzirkel und arbeitete im Büro des Religionsführers. Unter dem umstrittenen früheren Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad war Jalili Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen. Der Hardliner genießt breite Unterstützung von radikalen und loyalen Systemanhängern. Er gilt als eiserner Verfechter der Ideologie der Islamischen Revolution im Iran.
Bei der ersten Runde am vergangenen Freitag erreichte die Wahlbeteiligung nach offiziellen Daten mit rund 40 Prozent ein Rekordtief. Darin spiegelt sich die große Enttäuschung vor allem der jungen Generation, die den Glauben an große innenpolitische Veränderungen verloren hat. Der Tod der jungen Kurdin Jina Masa Amini in Polizeigewahrsam im Herbst 2022 – die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch falsch getragen haben soll – entfachte landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem. Khamenei beklagte die niedrige Wahlbeteiligung, wies aber die Lesart zurück, dass dies Ausdruck für die Ablehnung des politischen Systems sei.
Pezeshkian kam vor einer Woche auf rund 10,4 Millionen (rund 42,5 Prozent), Jalili auf 9,4 Millionen Stimmen (38,7 Prozent). Für den konservativen Drittplatzierten, Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf, stimmten etwa 3,4 Millionen Landesbewohner. Er sprach dann Jalili seine Unterstützung aus. Damit geht das konservative Lager mit einem leichten Vorteil in die Runde. Reformkandidat Pezeshkian müsste für einen Sieg vor allem Nichtwähler umstimmen.
Das politische System des Iran vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Das Kontrollgremium des Wächterrats prüft Kandidaten stets auf ihre Eignung. Eine grundsätzliche Kritik am System wird nicht geduldet, wie die Niederschlagung von Protesten in den vergangenen Jahren zeigte.