Von: APA/dpa/Reuters
Ministerpräsident Albin Kurti hat sich nach der Parlamentswahl im Kosovo zum Sieger erklärt. “Wir haben gewonnen, und wir werden die nächste Regierung bilden”, sagte er in der Nacht auf Montag vor Anhängern in Prishtina. Nach vorläufigen Angaben der staatlichen Wahlkommission KQZ kam Kurtis Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) nach der Auszählung von knapp 97 Prozent der Stimmzettel auf 41,1 Prozent der Stimmen. Damit wird sie auf Koalitionspartner angewiesen sein.
Rund zwei Millionen Bürger waren zur Stimmabgabe aufgerufen, um das Ein-Kammern-Parlament mit 120 Sitzen neu zu besetzen. Erstmals seit 2010 hat eine Volksvertretung in dem Land ihr vierjähriges Mandat ausgeschöpft. Der Kosovo war früher eine serbische Provinz. Nach dem Kosovo-Krieg 1998/99, in den die NATO aufseiten der Kosovo-Albaner gegen Belgrad eingegriffen hatte, folgten Jahre unter UNO-Verwaltung und 2008 die Unabhängigkeitserklärung. Verhandlungen über den Status des Kosovo mit Serbien hatten zuvor zu keinem Ergebnis geführt.
Bei der Wahl vor vier Jahren hatte Kurtis links-nationale Formation noch 50,3 Prozent der Stimmen auf sich vereint und war so erstmals an die Macht gekommen. Den Angaben der Wahlkommission zufolge kam die liberale Demokratische Partei (PDK) von Memli Krasniqi dieses Mal auf 22,3 Prozent, die bürgerliche Demokratische Liga des Kosovo (LDK) von Lumir Abdixhiku auf knapp 17,8 Prozent und die konservative Allianz für die Zukunft (AAK) von Ramush Haradinaj auf 7,5 Prozent der Stimmen.
Probleme bei der Stimmenauszählung
Andere Parteien und Bündnisse scheiterten demnach an der Fünf-Prozent-Hürde, die über den Einzug in die Volksvertretung entscheidet. Unabhängig davon sind 20 der 120 Sitze ethnischen Minderheiten vorbehalten: 10 den Serben und weitere 10 den anderen Gruppierungen, darunter Bosniaken, Türken und Roma. Die Belgrad-treue Serbische Liste hat sich gut vier Prozent der Stimmen gesichert. Die Wahlbeteiligung lag bei 40 Prozent.
Die staatliche Wahlkommission hatte am Wahltag ernsthafte Probleme bei der elektronischen Datenverarbeitung und hat das vorläufige Ergebnis deswegen erst Montagfrüh bekanntgegeben.
Im alten Parlament hatte Kurtis Partei zusammen mit Abgeordneten der ethnischen Minderheiten eine bequeme Mehrheit. Der 49-Jährige hatte bei Amtsantritt umfassende Reformen der Justiz und Verwaltung versprochen, konnte aber vieles davon nicht einlösen. Wenn er nun weiterregieren will, wird er sich voraussichtlich mit der PDK oder der LDK zusammentun müssen. Theoretisch wäre aber auch ein Regierungsbündnis ohne Beteiligung der Kurti-Partei denkbar.
Kritik und Gratulationen
Der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament Andreas Schieder gratulierte Kurti am Montag. Er “freue” sich, “dass Albin Kurti weiter an der Spitze der kosovarischen Regierung dafür verantwortlich sein wird, das Land in eine europäische Zukunft zu führen”, erklärte Schieder in einer Aussendung. Er verwies aber auch darauf, dass Reformen “essenziell” seien, “wenn das Land ein Teil der Europäischen Union werden will, aber auch, um für die große junge Bevölkerung im Land eine Zukunftsperspektive in einem funktionierenden sozialen Rechtsstaat zu schaffen”.
Kurti ist aber auch umstritten. Besonders seine kompromisslose Politik gegenüber der serbischen Minderheit sorgt für Spannungen. Die EU, der der Kosovo beitreten möchte, fordert von Kurti mehr Autonomie für die betroffenen serbischen Regionen und macht ihn zum großen Teil dafür verantwortlich, dass ein Abkommen zur Normalisierung zwischen dem Kosovo und Serbien gescheitert ist. Brüssel hat daher Fördergelder eingefroren. Aus den USA, deren Unterstützung maßgeblich zur Unabhängigkeit des Kosovo beigetragen hatte, kommt inzwischen offene Kritik. Der Gesandte Richard Grenell des neuen US-Präsidenten Donald Trump nannte Kurtis Regierung jüngst auf X “nicht vertrauenswürdig”. Trump selbst hatte geschrieben: “Kurti ist ein Desaster.”
Kurti hat innenpolitisch aber Erfolge vorzuweisen: Unter seiner Regierung sank die Arbeitslosigkeit von 30 auf rund zehn Prozent, der Mindestlohn stieg, und die Wirtschaft wuchs schneller als im Durchschnitt der Westbalkanländer. Der Norden des Kosovo ist aber weiter gespalten. 2023 war es zu den schwersten Ausschreitungen seit einem Jahrzehnt gekommen, nachdem in Gebieten mit serbischer Bevölkerungsmehrheit albanische Bürgermeister eingesetzt worden waren.
Wahlbeobachterin Bayr sieht Wahlgang positiv
SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr, die die Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) im Kosovo geleitet hat, beurteilte die Parlamentswahl positiv. Sie sei “sehr begeistert darüber, dass die Wahlen so friedlich und ohne irgendwelche Auseinandersetzungen” stattfanden, sagte sie. Kritik übte Bayr jedoch an einem inkorrekten Wählerregister, der fehlenden Barrierefreiheit in Wahllokalen sowie der geringen Repräsentanz von Frauen.
“Die Wahlen waren ein Lackmustest für den Beitritt des Kosovo zum Europarat”, erklärte Bayr am Montag in einem Telefoninterview aus Prishtina gegenüber der APA. Ihr Fazit: “Das war schon wirklich gut. Ich habe schon viele Wahlen in anderen Ländern gesehen, die bereits Mitglied im Europarat sind und nicht ansatzweise diese Standards haben.”
Serbien hat die Unabhängigkeit des Kosovo bis dato nicht akzeptiert. Auch fünf der 27 EU-Staaten – Spanien, Rumänien, die Slowakei, Griechenland und Zypern – haben den Kosovo bisher nicht als unabhängigen Staat anerkannt. Nach wie vor gibt es auch ungelöste Konflikte mit den Kosovo-Serben, die etwa 5 bis 6 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Alle anderen durch die Kriege beim Zerfall Jugoslawiens in den 90er Jahren unabhängig gewordenen Staaten wie Slowenien und Kroatien waren Teilrepubliken gewesen, nicht wie im Fall des Kosovo Provinzen.
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