Von: APA/Reuters/dpa
Durch schwere russische Raketenangriffe auf die Ukraine sind nach Angaben von Innenminister Ihor Klymenko landesweit rund 30 Menschen getötet und etwa 90 verletzt worden. Betroffen waren vor allem Krywyj Rih im Süden der Ukraine und Kiew. In der Hauptstadt wurde auch ein großes Kinderkrankenhaus getroffen, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj mitteilte. Die russischen Streitkräfte haben Selenskyj zufolge über 40 Raketen auf etliche Städte im Land abgefeuert.
Die Raketenangriffe ereigneten sich am helllichten Tag und nicht wie meist üblich in der Nacht. Der Angriff auf Kiew sei einer der schwersten in den zwei Jahren des Krieges gewesen, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko der Nachrichtenagentur Reuters. Allein in Kiew wurden den Behörden zufolge 17 Menschen getötet. 41 Menschen wurden verwundet, teilte die Militärverwaltung der Stadt auf Telegram mit.
Fassungslosigkeit löste in Kiew der Treffer auf ein großes Kinderkrankenhaus aus. Selenskyj veröffentlichte im sozialen Netzwerk X ein kurzes Video, das zerstörte Krankenzimmer und Blutspuren auf dem Fußboden zeigte. Selenskyj sprach davon, dass Menschen verschüttet seien. “Alle helfen, die Trümmer zu beseitigen – Ärzte und andere Leute”, schrieb er. Klitschko sprach von 16 Verletzten in dem Krankenhaus, darunter 7 Kindern. Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko zufolge wurden in dem Kinderkrankenhaus Abteilungen für Dialyse, Krebsbehandlung, Operationssäle und die Intensivstation beschädigt. Hunderte Anrainer halfen Rettungskräften, Trümmer zu räumen und nach Opfern zu suchen.
In dem Kinderkrankenhaus waren Fensterscheiben zerbrochen, Fassadenverkleidung heruntergerissen. Eltern, die ihre Babys im Arm hielten, gingen benommen und schluchzend aus dem Schutzraum auf die Straße. “Wir hörten eine Explosion, dann wurden wir mit Trümmern überschüttet”, sagte die 33-jährige Switlaka Krawtschenko. Ihr zwei Monate altes Baby war unverletzt geblieben, doch die Frau hat Schnittwunden erlitten.
Dass ausgerechnet ein Kinderkrankenhaus angriffen wurde, bezeichnete das österreichische Außenministerium als “mehr als widerwärtig!” Das Krankenhaus Okhmatdyt habe von der österreichischen Hilfe profitiert. “Wir werden unsere Unterstützung fortsetzen und #StandWithUkraine”, betonte das Ministerium auf X. Ähnlich äußerte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): Die heutige Serie schwerer Raketenangriffe auf die Ukraine zeige einmal mehr, dass es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht um Frieden gehe. “Auch eine Kinderklinik wurde getroffen. Das ist ein widerwärtiger Schlag des Aggressors Putin. Österreich steht ungebrochen an der Seite der Ukraine.”
Das französische Außenministerium erklärte, der “direkte und absichtliche” Angriff auf ein Kinderkrankenhaus könne “der Liste der Kriegsverbrechen” zugefügt werden, für die sich Russland werde verantworten müssen. Auch der neue britische Außenminister David Lammy forderte, die Verantwortlichen für den “illegalen” Krieg Putins müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe, die angeblich Rüstungsfabriken und Militärflugplätzen der Ukraine galten. Die vielen Videobilder aus Kiew belegten, dass die Schäden durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden seien, hieß es ohne Beleg. Die Erschütterung der Ukrainer über den Angriff tat das Moskauer Militär als “Hysterie des Kiewer Regimes” ab, wie sie sich immer wieder vor Zusammenkünften der NATO zeige. Ukrainischen Berichten zufolge wurde noch ein zweites Krankenhaus in der Hauptstadt auf der anderen Seite des Dnipro beschädigt.
Der ukrainischen Luftwaffe zufolge feuerte das russische Militär Marschflugkörper und mehrere Hyperschallraketen des Typs Kinschal (Dolch) auf Ziele in der Dreimillionenstadt ab. Neben Dnipro und Krywyh Rih wurden auch frontnahen Städte Slowjansk und Kramatorsk im ostukrainischen Gebiet Donezk zu Zielen. Industrieanlagen, Infrastruktur, Wohn- und Geschäftsgebäude wurden beschädigt. In Krywyj Rih kamen nach Angaben der dortigen Behörden zehn Menschen ums Leben. 41 Menschen seien verletzt worden. In der Großstadt seien mehrere Einschläge gemeldet worden, berichtete Bürgermeister Olexandr Wilkul. Es gebe unter anderem Schäden am Verwaltungsgebäude eines Industrieunternehmens. Der private Stromversorger DTEK berichtete von Schäden an drei Trafostationen in der Hauptstadt.
Auch im Osten des Landes gab es russische Raketenangriffe. Mindestens drei Menschen seien in der Stadt Pokrowsk getötet worden. Eine Rakete habe ein nicht näher bezeichnetes Gebäude getroffen, erklärte der Gouverneur der Region Donezk auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. Örtliche Medien berichten auch von Explosionen in Dnipro und Kropywnyzkyj in der Zentralukraine.
Bei der Explosion einer Mine in der ostukrainischen Region Charkiw wurden nach Angaben des örtlichen Gouverneurs fünf Zivilisten getötet. Ihr Auto sei auf einer unbefestigten Straße in einem Wald über die Mine gefahren, erklärte Oleh Synjegubow am Montag in Onlinediensten. Bei den Opfern handle es sich um einen Mann, zwei Frauen, einen fünfjährigen Buben sowie ein drei Monate altes Baby.
Die Ukraine verteidigt sich mit westlicher Hilfe seit mehr als zwei Jahren gegen die russische Invasion. Kiew drängt seine Verbündeten dabei immer wieder auf die Bereitstellung von noch mehr modernen Flugabwehrsystemen.