"Mehr Rechte für Grundeigentümer"

Raumordnung: Debatte zum Vorrang für Ansässige

Donnerstag, 07. Juni 2018 | 13:49 Uhr

Von: luk

Bozen – Im Landtag wurde heute die Artikeldebatte zur Raumordnungsreform fortgeführt. Dabei ging es um den Vorrang für Ansässige, um Freizeitwohnungen und um Planungsinstrumente.
Der Landtag hat am Vormittag die Artikeldebatte zum  Landesgesetzentwurf Nr. 151/18 Raum und Landschaft bei Art. 37 wieder aufgenommen.

Art. 37 betrifft die Verwendung der Baumasse zur Wohnnutzung. Die Debatte dazu hatte bereits gestern begonnen:
Andreas Pöder forderte, den Anteil der Wohnungen für Ansässige von 60 auf 75 Prozent zu erhöhen. Der Anteil der Freizeitwohnsitze soll weiter reduziert werden. 50 Prozent der Baumasse seien für Wohnungen mit Preisbindung zu reservieren. Tamara Oberhofer wollte die Mindestgröße dieser Wohnungen von 65 auf 85 bzw. 75 Quadratmeter erhöhen, sonst würden sie für eine Familie zu klein. Zusätzliche Wohnbaumasse sollte vorwiegend Ansässigen vorbehalten werden. Thomas Widmann forderte, dass die Hälfte der Wohnbaumasse für Ansässige mindestens 70 qm groß sein muss. Damit beziehe er sich auf das künftige Wohnbaugesetz, also auf Zukunftsmusik, kritisierte Walter Blaas. LR Richard Theiner legte eine Präzisierung zu dieser Bestimmung vor, laut der die Hälfte dieser Baumasse für Wohnungen mit Nettofläche von mindestens 65 qm verwendet werden muss. Er legte auch eine neue Fassung von Abs. 2 vor, mit dem ein Maximalanteil  von 10 Prozent  für Zweitwohnungen vorgesehen wird. Der Teufel liege im Detail, meinte Riccardo Dello Sbarba dazu; er hege den Verdacht, dass hier Fremdenzimmer und Urlaub am Bauernhof nicht gezählt würden. Die festgelegte Mindestgröße der Wohnungen für Ansässige habe das Ziel, Miniwohnungen zu Spekulationszwecken zu vermeiden. Der Ursprungstext spreche von der Hälfte der Wohnungen, der Änderungsantrag von Widmann von der Hälfte der Baumasse, was insgesamt wiederum mehr Miniwohnungen ermögliche. Sven Knoll fand 65 qm sehr gering und unterstützte die Erhöhung. Man sollte zwischen Zweitwohnungen und Freizeitwohnungen unterscheiden, erstere seien oft aus beruflichen Gründen nötig, letztere seien das Problem. Die Ferienwohnungen müssten bei der Berechnung mitgezählt werden, sonst werde die Bestimmung wie in Nordtirol leicht unterlaufen.

Das würde gegen EU-Recht verstoßen, wandte LR Theiner ein, der heute mit seiner Replik fortfuhr. Er wies darauf hin, dass 60 Prozent der neuen gemischten Zonen für den geförderten und sozialen Wohnbau reserviert seien. Von den restlichen 40 Prozent kann ein Teil z.B. dem Handwerk u.a. vorbehalten werden, der Rest seien Wohnungen für Ansässige. In den genannten 60 Prozent seien die Wohnungen mit Preisbindung drin. Die Umformulierung von Wohnungszahl nach Baumasse bringe eine
Besserstellung, da sie ein Anreiz sei, größere Wohnungen zu bauen. Wenn man Ferienwohnungen und Urlaub auf dem Bauernhof für die Bestimmung zu den Zweitwohnungen berücksichtigen würde, könnte keine einzige Wohnung mehr an Nicht-Ansässige gehen, aber das wäre gegen das EU-Recht. Man könne übrigens nicht das Eigentum regeln, sondern nur die Besetzung der Wohnung.

Angenommen wurden ein Antrag von Thomas Widmann und Kollegen, die Nettofläche der Wohnungen (im sozialen Anteil der Baumasse) von 65 auf 70 qm zu erhöhen und jener von Theiner zur Einschränkung der Freizeitwohnungen für Auswärtige.

Der Artikel wurde mit 17 Ja bei 9 Enthaltungen genehmigt, wobei die an das Gemeindeentwicklungsprogramm gekoppelte Gültigkeitsdauer der Bestimmung zu den Freizeitwohnungen gestrichen wurde.

 

Art. 38 betrifft die Wohnungen für Ansässige.
Bernhard Zimmerhofer forderte eine Ansässigkeit von mindestens 5 Jahren bzw. den Arbeitsplatz in Südtirol für die Besetzung einer solchen Wohnung. Riccardo Dello Sbarba forderte das Kriterium “effektiven Wohnsitzes” für diese Wohnung. Für die Löschung der Bindung solle neben dem Höchstsatz auch ein Mindestsatz von 25 Prozent vorgesehen werden. Dass eine Bindung gelöscht werden könne, wenn die Besetzung mit Berechtigten nur “besonders schwer möglich” sei, sei eine rechtliche Grauzone; der Passus sei zu streichen. Andreas Pöder forderte, dass man als Voraussetzung den Arbeitsplatz ebenfalls seit fünf Jahren in Südtirol haben müsse. Letzteres widerspreche dem EU-Recht, antwortete LR Richard Theiner. Zur Regelung der genannten “Grauzone” werde man in der Durchführungsverordnung sehr genau sein.
Angenommen wurden Änderungsantrage von LR Theiner zur Voraussetzung für die Besetzung der Wohnung (Personen, die selbst oder deren Familienmitglieder keine angemessene Wohnung haben), zur Streichung der Bestimmung über die Festlegung des Ansässigenanteils (Abs. 8).
Der Artikel wurde mit 17 Ja, 1 Nein und 11 Enthaltungen genehmigt, wobei ein Bezug auf den vorhergehenden Art 37, Abs. 1, gestrichen wurde.

Art. 39 betrifft die Wohnungen mit Preisbindung.
Riccardo Dello Sbarba schlug Kriterien für die Festlegung des Preises vor: Kosten für Grund, Bau, Erschließung u.a. Die Höhe der Miete dürfe den Landesmietzins nicht übersteigen. Für diese Wohnungen werde nicht der Planungsmehrwert erhoben. Denselben Vorschlag machte auch LR Theiner mit eigenem Änderungsantrag. Die Preisbindung sei eine Neuerung, eine wichtige Maßnahme für ein leistbares Wohnen.
Der Ersetzungsantrag Dello Sbarbas wurde angenommen (und damit auch der Artikel)

 

Art. 40 betrifft die Planungsinstrumente.
Riccardo Dello Sbarba schlug einen Zusatz vor, in dem Informations- und Beteiligungsverfahren für die Bürger vorgesehen werden. Viele Gemeinden hätten dies schon umgesetzt, es sollte verallgemeinert und vom Land unterstützt werden. Maria Hochgruber Kuenzer forderte, dass die Eigentümer auch einen Lokalaugenschein beantragen können, dessen Ergebnis in einem Protokoll festzuhalten sei, das von allen Beteiligten zu unterschreiben sei. Neben Verbänden und Mitbürgern sollten auch die Betroffenen mitreden können, hier brauche es einen Paradigmenwechsel in der Beziehung zwischen Eigentümern und öffentlicher Verwaltung. Riccardo Dello Sbarba unterstützte die stärkere Einbindung der Eigentümer, ein Protokoll müsse aber vor allem objektiv sein und nicht abgesprochen. Andreas Pöder protestierte gegen einen Artikel in der heutigen ff-Ausgabe, in dem die Abgeordneten dargestellt würden, als würden sie nichts tun. Er kritisierte auch einzelne Abgeordnete, welche die Stoßrichtung des Artikels unterstützt hätten. Bei einem Gesetzentwurf mit über 100 Artikeln und über 500 Artikeln könne die Konzentration schon einmal nachlassen, aber insgesamt seien die Abgeordneten mit Ernst bei der Sache. Zum Artikel schlug Pöder eine bessere Strukturierung des Texts vor. Zum geforderten Protokoll präzisierte Hochgruber Kuenzer, dass es ein Ereignisprotokoll, in dem beide Seiten ihre Anmerkungen machen könnten. Zu Pöders Pressekritik merkte Hans Heiss an, dass Foppa in dem Artikel nur gefordert habe, was auch Pöder immer Fordere: die Debatten im Landtag zu führen und nicht außerhalb. LR Richard Theiner bezeichnete das Gemeindeentwicklungsprogramm als die wesentliche Neuerung in diesem Artikel, der anders als der Bauleitplan nicht punktuell geändert werden könne und langfristig gedacht sei. Die öffentliche Teilhabe sei in dem Artikel festgeschrieben, die Ausgestaltung sei Sache der Gemeinde. Das staatliche Umweltgesetz gelte auf jeden Fall und müsse nicht in dieses Gesetz geschrieben werden. Theiner stimmte dem Vorschlag von Hochgruber Kuenzer zum Protokoll zu, der auch angenommen wurde. Die anderen Anträge wurden abgelehnt.
Der Artikel wurde mit 19 Ja bei 9 Enthaltungen genehmigt.

 

Art. 41 betrifft die Aussetzung der Genehmigungen in Erwartung eines Plans.
Andreas Pöder forderte, die Aussetzung auf ein statt zwei Jahre zu reduzieren. LR Theiner hielt es hingegen für eine angemessene Frist, da auch eine Bürgerbeteiligung zu berücksichtigen sei.
Der Artikel wurde unverändert mit 15 Ja, 1 Nein und 11 Enthaltungen genehmigt.

 

Art. 42 betrifft den Landesstrategiepan.
Riccardo Dello Sbarba forderte die Aufnahme der strategischen Umweltprüfung. Dies sei bereits vom UVP-Gesetz berücksichtigt, antwortete LR Theiner. Andreas Pöder forderte einen Bezug auf den leistbaren Wohnraum, der vom Plenum auch angenommen wurde.
Der Artikel wurde mit 13 Ja bei 9 Enthaltungen genehmigt.

 

Art. 43 regelt das Verfahren zur Genehmigung des Landesstrategieplans.
Andreas Pöder forderte die Streichung der Bestimmung, wonach der Planungsentwurf dem Infrastrukturministerium übermittelt wird, die Einbindung des zuständigen Landtagsausschusses und die Pflicht zur Überarbeitung des Plans nach spätestens 20 Jahren. Riccardo Dello Sbarba forderte, dass die Stellungnahme zum Plan von den Gemeinderäten abgegeben wird (statt von den Gemeinden). Das sei so beabsichtigt, antwortete LR Theiner. Die Übermittlung an das Ministerium sei bereits beim Lerop vorgesehen gewesen, und das Ministerium lege großen Wert drauf, denn es müsse den Plan auch genehmigen.
Angenommen wurde der Antrag Pöders zur Überarbeitung nach 20 Jahren, die anderen Anträge wurden abgelehnt.
Riccardo Dello Sbarba gab zu bedenken, dass normalerweise die jeweilige Führungsspitze gemeint sei, wenn man eine Stellungnahme der Gemeinde vorsehe. Die Zuständigkeiten seien in der Gemeindeordnung vorgesehen, antwortete LR Theiner. Man werde das jedenfalls präzisieren.
Der Artikel wurde mit 16 Ja und 10 Enthaltungen genehmigt.

 

Art. 44 zur Landschaftsplanung wurde ohne Debatte genehmigt.

Art. 45 betrifft das Landschaftsleitbild.
Riccardo Dello Sbarba forderte einen Bezug auf den Landesstrategieplan statt auf die Fachpläne, die vor allem der Landesregierung vorbehalten seien. Hier werde der verfassungsmäßige Vorrang der Landschaft nicht berücksichtigt. Die Landschaft habe Priorität, wie auch Theiner betone, daher müsse auch das Verfahren zum Landschaftsleitbild auf höherer Ebene angesiedelt sein. Hier gehe es um autonomiepolitische Belange, antwortete LR Theiner. Wenn man für das Leitbild dieselbe Prozedur vorsehen würde wie für den Strategieplan, dann müsste auch ersteres vorab von Rom genehmigt werden. Am Stellenwert der Landschaft ändere dies nichts. Der Antrag Dello Sbarbas wurde abgelehnt.

Wenn der Landschaftsschutz in der Landesregierung einen so hohen Stellenwert habe, hätte sie dieselbe Prozedur wie beim Strategieplan vorsehen können, aber ohne die Übermittlung nach Rom, kritisierte Dello Sbarba. Übrigens sei auch beim Strategieplan von Rom nur eine Stellungnahme vorgesehen und keine Genehmigung. In anderen Regionen werde das Ministerium an der Planung beteiligt, und das wolle man in Südtirol eben nicht, erwiderte LR Theiner.
Der Artikel wurde unverändert mit 16 Ja und 12 Enthaltungen genehmigt.

 

Art. 46 betrifft den Landschaftsplan.
Riccardo Dello Sbarba forderte die Streichung der “Berücksichtigung der Erfordernisse land- und forstwirtschaftlichen Nutzung”. Die Natur- und Agrarflächen seien bereits vorgegeben. Diese sollten aber Gegenstand der Schutz- und Nutzungsbestimmungen sein. Nach einer Erläuterung durch LR Theiner zog Dello Sbarba den ersten Antrag zurück. Der zweite wurde abgelehnt.
Riccardo Dello Sbarba legte Wert auf die Feststellung, dass seine Anträge nur den ursprünglichen Text Theiners wieder hergestellt hätten. Die Landesregierung habe sich aber entschieden, den Status quo beizubehalten.
Der Artikel wurde unverändert mit 15 Ja und 11 Enthaltungen genehmigt.

 

Art. 47 betrifft das Verfahren zur Genehmigung des Landschaftsplans.
Paul Köllensperger forderte eine Änderung zum Ensembleschutz, der nicht allein der Gemeinde überlassen werden soll. Die Landesvertreter in der entsprechenden Kommission sollten auf zwei aufgestockt werden. Maria Hochgruber Kuenzer schlug das Recht der Eigentümer auf einen Lokalaugenschein mit Protokoll vor. Riccardo Dello Sbarba schlug vor, dass beim Ensembleschutz das Land anstelle der untätigen Gemeinden einschreiten könne. In der Kommission laut Abs. 7 sollten zwei Landesvertreter vorgesehen werden. Nach einer Nutzungsänderung sollte für 20 Jahre keine weitere Änderung möglich sein. Im Gesetz sollte auch das Vorschlagsrecht der Umweltvereine zum Plan verankert sein. LR Richard Theiner argumentierte gegen die Durchgriffsmöglichkeit des Landes in Sachen Ensembleschutz. Das bringe keinen Vorteil, ebenso wenig wie eine Frist für die Gemeinden, denn dann würden sie einen Alibiplan vorlegen, der eigentlich nichts schützt. Mit der Einbindung der Verbände zeigte er sich einverstanden.

Angenommen wurde der Antrag Dello Sbarbas zu den Umweltverbänden, während jener Hochgruber Kuenzers zum Protokoll zwar eine Mehrheit fand, aber als Ergänzungsantrag zum Antrag Köllenspergers zusammen mit letzterem versenkt wurde.
Der Artikel wurde mit 15 Ja und 13 Enthaltungen genehmigt.

Art. 48 und 49 wurden ohne Debatte genehmigt.

Die Arbeiten werden am Nachmittag fortgesetzt.

 

Kuenzer: “Mehr Rechte für Grundeigentümer”   

Besitzer von Liegenschaften werden zu Ansprechpartnern bei Lokalaugenscheinen, ihre Position wird protokolliert – und Besitzer erhalten das Recht, sich direkt einzubringen. „Der Landtag hat mit der Zustimmung zu meinem Änderungsantrag demokratiepolitisch einen wichtigen Schritt nach vorne gesetzt,“ sagt Maria Hochgruber Kuenzer.

Der Landtagsabgeordneten geht es um mehr Augenhöhe, um mehr Respekt vor der Person und vor dem privaten Eigentum. „Zu Partizipation zählt auch das Recht eines Eigentümers, als Partner von den Behörden ernst genommen zu werden, wenn auf seiner Liegenschaft etwas geplant oder umgesetzt wird.“ Ein Fazit der Abgeordneten: „Mit mehr Respekt vor dem Eigentum ersparen sich in Zukunft Besitzer den Rekurs gegen die öffentliche Hand vor Gericht.“

“Als Mitglied der zweiten Gesetzgebungskommission hat die SVP-Angeordnete diesen roten Faden im Entwurf zum neuen Gesetz für Raum und Landschaft quer durch die Artikel hineingewoben: Ich habe diesen Paradigmenwechsel vorangetrieben, damit den BürgerInnen ein größerer Respekt eingeräumt wird.“

Besonders nötig sei das, sobald öffentlichen Körperschaften – das Land oder eine Gemeinde – urbanistische Pläne schmieden, etwa Fachpläne für Gefahrenzonen, Landschaftsschutz, Landschaftsleitbild, Landestrategieplan, Gemeindeentwicklungsprogramm, Durchführungspläne, oder Arbeiten ausführen für Instandshaltungsmaßnahmen, Reparaturen der Wildbachverbauung oder Straßenarbeiten.
“Bislang erfahren Grundeigentümer davon oft erst aus den Medien, dass auch ihre eigenen Liegenschaften davon betroffen seien.”

Hochgruber Kuenzer: „Eigentümer werden nun von allen Initiativen auf ihren Liegenschaften vorab informiert.“ Sie können außerdem dank Art. 40 des neuen Gesetzes für Raum und Landschaft umgekehrt auch die Behörden zu Lokalaugenscheinen einladen, „um sich mit ihnen zu beraten oder um sich im Detail über die Pläne zu informieren,“ sagt die Landtagsabgeordnete.

“Und damit auf solchen Lokalaugenscheinen nicht nur Hall und Rauch produziert wird, werden diese Gespräche protokolliert und von beiden Seiten unterzeichnet”, so Hochgruber Kuenzer: „Die Einwände der Eigentümer sollen festgehalten werden, auch wenn die Positionen nicht einvernehmlich sind.“

 

Bezirk: Bozen