Von: luk
Bozen – Im Landtag wurde am Nachmittag die Generaldebatte zur Raumordnungsreform fortgeführt:
Brigitte Foppa (Grüne) sah wie die Umweltverbände in diesem Gesetz viele Gefahren. Man brauche nur daran denken, wie der Entwurf im Gesetzgebungsausschuss diskutiert wurde, wo die Bauernvertreter immer auf den Respekt vor dem Eigentum gepocht hätten. Aber Landschaft gehöre allen, nicht einem Berufsstand. LR Theiner habe im Vorfeld mit vielen geredet, aber das Ergebnis sei kein Musterbeispiel für einen partizipativen Prozess, da ab einem bestimmten Punkt gewisse Interessen die Überhand gewonnen hätten. Zum Klimaschutz vermisste Foppa im Entwurf klare Angaben und Anweisungen, man sei noch weit entfernt von den vorgegebenen Zielen, wie eine Eurac-Studie gezeigt habe. Die Raumordnung hätte hier viel beitragen können, vor allem bei übergemeindlichen Bestimmungen. Ein zweiter Punkt, den sie vermisse, sei die Partizipation von Frauen bei der Erarbeitung des Entwurfs. Männer und Frauen hätten einen anderen Alltag und dadurch auch andere Ansprüche an den Raum. Foppa kritisierte, dass der Gesetzentwurf am Ende der Legislaturperiode komme, wobei viele Fragen offen blieben – das schaffe Raum für Rekurse und beschere den Gemeinden Mehrarbeit.
Wenn man ein Raumordnungsgesetz mitten im Wirtschaftsaufschwung vorlege, müsse man auch mit entsprechendem Druck rechnen, meinte Roland Tinkhauser (Freiheitliche). Wenn die Wirtschaft wachse, bedeute das auch Zuzug von Arbeitskräften. Heute habe man ganz andere Voraussetzungen als zu Zeiten Benedikters, als noch viele aus Südtirol ausgewandert seien. Im Grund müsste man froh sein über diese Wirtschaftsentwicklung, aber es gebe auch Schattenseiten. Er sei froh, dass es so laufe, wie es derzeit laufe. Ihm gehe es auch zu langsam, aber mit der Ausweisung von Gewerbegebieten. Anderswo gebe es leere Industriehallen und Hotels. Ob sich das System der Siedlungsgrenzen bewähre, müsse man noch sehen. Es bestehe die Gefahr, dass die Preise innerhalb steigen und außerhalb auf landwirtschaftlichem Niveau bleiben. Die bisherige Einschränkung des Detailhandels im Gewerbegebiet sei vernünftig, eine generelle Ausnahme für die Bauern werde gefährlich, das könnte von findigen Unternehmern ausgenutzt werden. Die Dienstwohnungen in den Gewerbegebieten sollten beibehalten werden, eine andere Nutzung sei zu unterbinden. Tinkhauser sah die Einführung von Fristen auch für Kommissionen als richtig.
Otto von Dellemann (SVP) unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden. Es sei richtig, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zu warten, damit sich die Mitarbeiter der Gemeinden einarbeiten könnten. LR Theiner habe im partizipativen Verfahren einen sehr organischen Gesetzentwurf vorgelegt. Auch bei der Ausweisung des Siedlungsgebiets brauche es eine Zusammenarbeit Land-Gemeinden und allgemeine Kriterien, die freilich die Größe der Gemeinde berücksichtigen müssten. Die Baukommissionen seien oft großem Druck ausgesetzt gewesen, daher sei eine Besetzung mit Fachleuten richtig. Das Bauwesen sei auch ein Anwendungsfall für die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, die Zusammenlegung von Diensten. Fristen seien nützlich, sie müssten aber klar sein, dann werde die Gemeinde sich auch bemühen, sie einzuhalten. Leistbares Wohnen sei ein sehr gefühltes Anliegen, auch für Senioren – der Gesetzentwurf enthalte hier gute Ansätze. Von Dellemann lobte den Landesrat, da er in dieser Sache durchgehalten habe.
Helmuth Renzler (SVP) sah den Entwurf mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Es gebe viele positive Neuerungen, er hege aber auch große Befürchtungen, etwa dass die Gemeinden mit der Ausweisung der Siedlungsgrenzen überfordert seien. Dazu werde es auch eine fachliche Ausbildung brauchen. Er zeigte sich erfreut, dass nun Bozen doch wieder besonders berücksichtigt werden solle – Bozen habe eben besondere Bedürfnisse. Zufrieden zeigte sich Renzler auch mit der Wiedereinführung des Vorschlagsrechts für die Umweltverbände. Beim leistbaren Wohnen seien Fortschritte gemacht worden, die Befürchtungen würden aber bleiben, dass die praktische Umsetzung schwierig werde. Es hänge von den Siedlungsgrenzen ab, diese müssten so weit gezogen werden, dass günstiges Bauen möglich sei. Andernfalls würden die Preise steigen. Er hoffe dass das Gesetz, so wie es verabschiedet werde, für einen Ausgleich sorge und dass keine Interessengruppe bevorzugt werde.
Das geltende Gesetz sei fast 50 Jahre alt, bemerkte Oswald Schiefer (SVP). Damals hätten Benedikter und andere ein sehr weitsichtiges Gesetz geschaffen. Aber allen Unkenrufen zum Trotz sei es richtig, jetzt ein neues zu verabschieden. Man habe alle mitreden lassen, die mitreden wollten. Die ganze Mühe, auch im Gesetzgebungsausschuss, habe sich gelohnt, der Landesrat sei auf viele Anregungen eingegangen. Das Produkt könne sich sehen lassen. Für ihn sei es ein Meilenstein. Es werde alles auf Null gestellt, man fange neu an. Als ehemaliger Bürgermeister freue er sich, dass damit die Gemeinden mehr Zuständigkeiten bekämen. Wenn sie sich gut darauf vorbereiten würden, werde es bei der Anwendung keine Probleme geben.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) lud zu einem Spaziergang in Oberbozen ein, wo es derzeit kein Hotel gebe, das nicht gerade ausgebaut werde. Die Hoteliers hätten Angst, ohne Ausbau vom Markt verdrängt zu werden. Wenn man sich die Änderungsanträge der Mehrheit anschaue, verstehe man, dass es kein fertiger Entwurf sei. Bei den meisten sei Thomas Widmann Erstunterzeichner, woran man die Richtung erkennen könne. Aber auch Theiners Änderungsanträge seien schmerzlich. Die Grünen hätten im Ausschuss erreicht, dass Raumordnungsverträge nur bei vorhandenem Raumentwicklungsplan möglich sind – Theiner wolle das wieder rückgängig machen. Im Ausschuss habe man Einschränkungen für die Erweiterung außerhalb des Siedlungsgebietes durchgesetzt, nun soll das wieder zugunsten des Tourismus verwässert werden. Es sei nicht so, dass nur mehr innerhalb des Siedlungsgebietes gebaut werden dürfe, außerhalb davon seien tausend Ausnahmen vorgesehen, auch in touristisch hoch entwickelten Gebieten wie Gröden. Auf einen Ensembleschutz habe man verzichtet. Es sei sogar möglich, die genehmigte Kubatur um 20 Prozent ohne Sanktionen zu überschreiten – ein präventiver “Condono”. Der Raum für den geförderten Wohnbau werde verringert, niemand könne angeben, auf wie viel. Dello Sbarba äußerte auch Kritik am verzögerten Inkrafttreten. Einige Bestimmungen würden sofort in Kraft treten, andere 2020. Viele Gemeinden würden diese provisorische Grauzone nutzen anstatt das Siedlungsgebiet abzugrenzen. Daher sollte das Gesetz besser bereits 2019 in Kraft treten, nach den Wahlen.
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) bezeichnete den Entwurf als eines der wichtigsten Gesetze, nicht nur für diese Legislatur, sondern auch dafür, wie wir unser Leben gestalten. Ihr seien Grund und Boden wichtig, nicht, weil sie Eigentümerin sei, sondern weil sie damit verhaftet sei. Wenn man sein Einkommen aus Grund und Boden erwirtschafte, brauche man auch bestimmte Voraussetzungen. Man brauche nur schauen, wie Menschen aus anderen Gegenden abwanderten, etwa aus dem Apennin, wo man bestimmte Maßnahmen versäumt habe. Alle, nicht nur die Eigentümer, seien verantwortlich, dass auch in Zukunft Grund und Boden bewirtschaftet werden könne. Man könne den Bauern und Bäuerinnen schon zutrauen, dass sie auf die Landschaft schauen, es gebe heute auch Einschränkungen wie nie zuvor. Man dürfe ihnen die Arbeiten nicht so versauern, dass sie die Landwirtschaft auflassen. Hochgruber Kuenzer sah den Wertausgleich als Eingriff in das Privateigentum. Zur freien Verfügung blieben 16 Prozent, der Rest sei konventioniert oder Sozialwohnbau mit Grundpreis zum halben Marktwert. Als man diese Regel eingeführt habe, sei der Grundpreis gestiegen, nicht gefallen. 60 Prozent zum halben Marktwert seien genug, der Sozialismus habe versagt. Die Frage werde sich stellen, wo die Siedlungsgrenze ende und wie lange sie halten werde. Die Wohnungen mit Preisbindung seien ein guter Ansatz, aber es sollten nicht billige Wohnungen mit schlechtem Material werden. Vor der Ausweisung neuer Bauzonen sollte stärker auf die Nutzung der Leerstände gesetzt werden. Hochgruber Kuenzer äußerte die Hoffnung, der Entwurf werde nicht durch die vielen Änderungsanträge entstellt, und lobte den Landesrat für seine Weitsicht und sein Entgegenkommen.
Die Sitzung wird morgen um 10.00 Uhr wieder aufgenommen.