Von: luk
Bozen – Der Landtag hat am Vormittag die Artikeldebatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 151/18 Raum und Landschaft bei Art. 2 wieder aufgenommen.
Art. 2 enthält die Zielsetzungen.
LR Richard Theiner schlug mit einem Ersetzungsantrag vor, die besondere Berücksichtigung der Landeshauptstadt wieder in den Text einzufügen. Er betonte, dass zu den Zielsetzungen ausführlich mit den Verbänden diskutiert wurde, und bis auf eine Ausnahme hätten alle zugestimmt. Andreas Pöder kritisierte die besondere Berücksichtigung einer einzigen Gemeinde, damit werde Bozen zwar eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, aber man vergesse, dass die Interessen der Gemeinden auch konkurrieren könnten, etwa jene Eppans gegenüber Bozen. Tamara Oberhofer zog ihren Antrag zur Verfügbarkeit von Einrichtungen für Kultur, Bildung und Erholung zurück, da die Forderung in Achammers Antrag enthalten sei. Riccardo Dello Sbarba sah im Ersetzungsantrag Achammers eine deutliche Verbesserung und befürwortete auch die eigene Erwähnung Bozens, wenngleich die Stadt wegen ihrer besonderen Rolle auch in vielen anderen Artikeln erwähnt werden müsste. Er schlug mit einem Änderungsantrag die Aufnahme der Ziele des Klimaplans 2050 vor. Er kritisierte den Vorschlag Achammers, bei der Aufwertung des ländlichen Raums vor allem die Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen – der ländliche Raum sei nicht nur Sache der Bauern. Bei der Mobilität sollte die Nachhaltigkeit betont werden. Außerdem sollte auch die Partizipation der Bürger bei der urbanistischen Planung unter den Zielen verankert werden. Mit einem weiteren Änderungsantrag forderte Dello Sbarba, dass alle der 23 vorgesehenen Durchführungsverordnungen zum Gesetz an den Zielen der Aufwertung der Landschaft und der Einschränkung des Bodenverbrauchs ausgerichtet werden.
Bernhard Zimmerhofer wandte sich gegen die besondere Erwähnung Bozens, Bozen nehme auch keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Landgemeinden, etwa bei der Restaurierung der faschistischen Relikte.
Eine Sonderrolle Bozens wäre erst nach einer Wiedervereinigung Tirols sinnvoll. Sigmar Stocker plädierte dafür, die Durchführungsverordnungen an den von Dello Sbarba genannten Zielen auszurichten und sprach sich gegen eine Sonderrolle Bozens aus. Das wäre eine Ungerechtigkeit, eine Trennung zwischen Stadt und Land. Die Landeshauptstadt werde sonst schon genug verwöhnt.
Hans Heiss plädierte als Brixner ausdrücklich für die Erwähnung Bozens. Bozen habe eine besondere Rolle, es schultere viele Lasten für das ganze Land, auch in Sachen Migration. Es habe eine Metropolfunktion, die auch anderswo vorgesehen sei, etwa für München. Das Klima sei ein Kernthema in den nächsten Jahrzehnten, daher sollte man es auch in den Artikel aufnehmen.
Paul Köllensperger sprach sich ebenfalls für die Sonderrolle Bozens aus und beantragte die Aufnahme des Ziels “Vermeidung der Zersiedelung”. Bei der Aufwertung des ländlichen Raums sollte nicht die Landwirtschaft besonders berücksichtigt werden, sondern der Landschaftsschutz. Außerdem forderte er die Bindung der Durchführungsverordnungen an die Ziele des Landschaftsschutzes und der Vermeidung von Bodenverbrauch.
Alessandro Urzì kritisierte, dass viele Ziele in den folgenden Artikeln keinen Niederschlag finden. Man werde sehen, ob sie sich in den Durchführungsverordnungen wieder zeigten. Zur Sonderrolle Bozens stellte er fest, dass hier die Mehrheit gespalten sei. Manche würden nicht anerkennen, welche Aufgaben die Stadt für das ganze Land übernehme, nicht zuletzt bei der Einwanderung. Die Aufwertung des ländlichen Raums dürfe man nicht rein konservativ verstehen. Der Landschaftsschutz sei wichtig, aber auch bestimmte Infrastrukturen würden zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.
Brigitte Foppa bemängelte, dass die Debattenregelung bei diesem komplexen Text keine richtige Diskussion erlaube, die Zeit sei zu kurz, um auf alle Anträge einzugehen. Sie unterstützte die Forderung nach Aufnahme der Klimaschutzziele und kritisierte die Stellungnahme Stockers zu Bozen. Eine Hauptstadt habe eine andere Rolle als andere Gemeinden, Bozen habe zudem Probleme übernommen, die keine andere Gemeinde auf sich nehmen wolle. Bozen sei Verkehrsknotenpunkt, mit allen dazu gehörigen Problemen, es habe eine andere gesellschaftliche Zusammensetzung, einen anderen Tagesablauf. Das lausbubenhafte Verhalten im Gesetzgebungsausschuss sei dem nicht angemessen gewesen.
Bernhard Zimmerhofer beantragte eine getrennte Abstimmung zum Punkt, der Bozen betrifft.
Josef Noggler erinnerte an die Ausgangslage im Ausschuss. Der Ursprungstext habe vom Ziel der Lebens- und Arbeitsqualität gesprochen und da Bozen besonders berücksichtigt. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass alle anderen Gemeinden eine schlechtere Lebensqualität verdienten. In der neuen Formulierung Theiners stehe Bozen an der richtigen Stelle, unter dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung des städtischen und ländlichen Raums.
Sigmar Stocker verwies in seiner Replik an Foppa an die “kulturelle Vielfalt im Bahnhofspark”. Schenna sei imstande, das Aufkommen von 1 Mio. Touristen zu verwalten, Bozen nicht. Es wäre schlimm, wenn man Stadt und Land mit dieser Sonderbehandlung trennen würde.
Sven Knoll sprach sich gegen eine Ausnahmeregelung aus. In Bozen sei am meisten Raubbau an Kulturgrund betrieben worden, schon daher sei eine Ausnahme gefährlich. Eigene Spielregeln seien nicht gerechtfertigt, es werde Aufgabe der Landesregierung sein, besondere Maßnahmen abzuwägen. Der Landschaftsschutz müsse überall den gleichen Stellenwert haben.
Elena Artioli lobte hingegen den Vorschlag Theiners. Bozen komme oft ins Hintertreffen und verdiene sich diese Aufwertung.
LR Christian Tommasini verteidigte den Passus. Es sei keine Alibibestimmung, man erkenne dadurch an, dass Bozen eine Reihe von Aufgaben für das ganze Land wahrnehme. Auch wenn man die Größe berücksichtige, könne man nicht alle gleich behandeln. Die Sonderbehandlung komme auch allen Nutzern der Stadt zugute. Riccardo Dello Sbarba schlug vor, jenen seiner Anträge, der Bozen enthalte, in jenem Theiners mitzunehmen – er habe dieselbe Zielsetzung.
LR Theiner erkannte Dello Sbarbas Verdienste in dieser Frage an. Er verteidigte die Erwähnung Bozens, das Aufgaben habe, die andere nicht hätten.
Der Ersetzungsantrag von LR Theiner wurde mit 27 Ja und sechs Enthaltungen angenommen, wobei die Bestimmung zu Bozen separat mit 23 Ja und 10 Nein angenommen wurde. Alle anderen Anträge wurden abgelehnt.
Der Artikel wurde mit 19 Ja, zehn Nein und vier Enthaltungen genehmigt.
Erste 6 Artikel des Gesetzentwurfs genehmigt, darunter jene zur Landeskommission für Raum und Landschaft und zu den Gemeindekommissionen.
Art. 3 betrifft die Landeskommission für Raum und Landschaft.
Andreas Pöder meinte, ein Landwirtschaftsexperte sei dort fehl am Platz. Stattdessen sollten Experten für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aufgenommen werden, denn die demografische Entwicklung sei in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema. Tamara Oberhofer beantragte die Aufnahme eines Bauhandwerkers, denn Erfahrung und Praxis wären hier nützlich. Riccardo Dello Sbarba lobte, dass die Kommission nur durch Fachleute besetzt werde. Er plädierte dafür, statt dem Sozial- oder Wirtschaftswissenschaftler nur einen Sozialwissenschaftler vorzusehen, denn die Wirtschaft sei durch andere Fachbereiche bereits vertreten. Ebenso sollten die Umweltverbände vertreten sein. Er sprach sich gegen die Unterteilung der Kommission in Sektionen aus, hier hätte die Landesregierung eine Steuerungsmöglichkeit. Die Kommission solle sich selber organisieren können und müsse jedenfalls am Ende als ganze entscheiden. Paul Köllensperger plädierte für die Streichung des Sozial- oder Wirtschaftswissenschaftlers. Die Vertreter der betroffenen Gemeinden sollten kein Stimmrecht haben, der Schriftführer der Kommission solle ein Mitarbeiter der Abteilung Raum und Landschaft sein. Sigmar Stocker schlug vor, einen Vertreter des Zivilschutzes aufzunehmen, Feuerwehrleute wüssten z.B. wo wenig Wasser sei und wo man daher Probleme beim Löschen habe. Ebenso sollte ein Vertreter des Denkmalamts aufgenommen werden. Roland Tinkhauser plädierte für die Streichung des Sozialwissenschaftlers, wenn es bei der Oder-Bestimmung bleibe. Ansonsten sollten beide Platz haben. Die Landeskommission treffe sich wöchentlich, erklärte LR Richard Theiner, daher sei eine Ausdehnung praktisch schwierig. Die Kommission werde sich weniger mit Projekten als mit Plänen befassen und könne jederzeit Fachleute aus anderen Bereichen hinzuziehen. Mit der Formulierung “Sozial- oder Wirtschaftswissenschaftler” komme man den unterschiedlichen Studienordnungen in Italien und Österreich entgegen, ohne jemanden auszuschließen. Die Gemeinden habe man bewusst mit Stimmrecht vorgesehen, in Südtirol sei der Bürgermeister auch Verwalter.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Riccardo Dello Sbarba kritisierte die Unbestimmtheit in der Formulierung “Sozial – oder Wirtschaftswissenschaftler”, man wisse nun nicht, wer zum Zuge komme. Sigmar Stocker bedauerte, dass kein Vertreter des Denkmalamts aufgenommen werde. Diese Vertretung hätte sich unser Land verdient.
Der Artikel wurde mit 19 Ja, 5 Nein und 8 Enthaltungen genehmigt.
Art. 4 betrifft die Gemeindekommission für Raum und Landschaft.
Paul Köllensperger forderte, den Ausschluss des Bürgermeisters und der Gemeinderäte, es sollte eine reine Fachleutekommission sein. Hinzugefügt werden sollte ein Fachmann der Naturwissenschaften. Die Gutachten der Kommission sollten bindend sein. Tamara Oberhofer forderte die Aufnahme eines Praktikers aus dem Bauhandwerk. Riccardo Dello Sbarba forderte auch hier einen Sozial- statt einen Wirtschaftswissenschaftler sowie einen Vertreter der Umweltverbände. Die Kommission sollte, wie im Ursprungstext vorgesehen, beschlussfähig sein, wenn die Mehrheit sowie die Sachverständigen für Baukultur, Raumplanung und Landschaft anwesend seien. Falls der Sachverständige für Landschaft einem Projekt nicht zustimme und die Gemeinde trotzdem daran festhalten wolle, dann sollte die Zuständigkeit wieder ans Land übergehen. Das Vetorecht des Landschaftsschutzes entspreche den Vorgaben der Verfassung und sei im ursprünglichen Text bereits vorgesehen gewesen. Nach der ersten Amtszeit sollte mindestens die Hälfte der Mitglieder ersetzt werden. Sigmar Stocker plädierte für die Aufnahme eines Feuerwehrvertreters. Sven Knoll fragte, ob die Landeskommission Rekursinstanz zu Entscheidungen der Gemeindekommission sei. Hans Heiss bezeichnete die Neubesetzung der Baukommissionen als Revolution, die man begrüßen könne. Er fragte aber, wo Theiner all die Experten finden wolle. Art. 4 sei in der Tat eine gewaltige Neuerung bestätigte LR Theiner. Die Landeskommission sei nicht das Nachfolgeorgan der ehemaligen Baukommissionen, sie befasse sich vor allem mit Plänen, nicht mit Projekten. Er verwies auf Art. 67, wonach die landschaftsrechtlichen Genehmigungen der Gemeinden erst nach Gutachten der genannten Sachverständigen in der Kommission erteilt werden können. Er gehe davon aus, dass die Gemeinden Praktiker mit Erfahrung in die Kommissionen aufnehmen werde. Sie würden bei den Projekten auch auf die Erfahrung der Feuerwehren zurückgreifen.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Riccardo Dello Sbarba bezeichnete den Artikel als wesentlich für die Gemeindeautonomie. Allerdings würden, wenn die Entscheidungen vor Ort getroffen würden, oft die Interessen der Allgemeinheit unter die Räder kommen, zugunsten von Sonder-, Verwandtschafts- und anderen Interessen. Daher hätte man die Stimme jener stärken sollen, die den Landschaftsschutz vertreten. Der von Theiner ins Feld geführte Art. 67 sehe nur ein Gutachten der Experten vor, nicht ein Vetorecht. Der ursprüngliche Text Theiners sei strenger gewesen, aber im Ausschuss verwässert worden. LR Richard Theiner berichtete über eine sehr intensive Abstimmung mit Rom, auch bezüglich des Verfassungsgrundsatzes des Landschaftsschutzes. Es sei unwahrscheinlich, dass ein Bürgermeister gegen das Gutachten von Fachleuten und Kommission entscheiden werde.
Der Artikel wurde mit 16 Ja, 3 Nein und 10 Enthaltungen genehmigt.
Art. 5 betrifft den Gestaltungsbeirat der Gemeinde und wurde ohne Debatte genehmigt, ebenso Art.6 zum Landesbeirat für Baukultur und Landschaft.
Die Sitzung wird um 14.30 Uhr wieder aufgenommen.