Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag fand heute die Vorstellung der Raumordnungsreform statt. Landesrat Theiner erläuterte die Punkte des Entwurf, auch der Bericht des Gesetzgebungsausschusses wurde vorgestellt ebenso wie der Minderheitenbericht von Dello Sbarba.
Landesgesetzentwurf Nr. 151/18 Raum und Landschaft (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag von LR Theiner). Viele hätten sich im Vorfeld bereits eine Meinung über diesen Gesetzentwurf gebildet, meinte LR Richard Theiner bei dessen Erläuterung, viele würden ihre Meinung aber auf Details gründen und das Gesamtbild außer Acht lassen. Der Entwurf sei kein Sammelsurium von Artikeln, der alle Interessen befriedige, sondern ein Dokument für eine nachhaltige Entwicklung, für sparsamen Umgang mit dem Boden, für leistbares Wohnen, für Rechtssicherheit und Vereinfachung der Verfahren. Landschaftsschutz und wirtschaftliche Entwicklung seien nicht als unbedingte Kontrahenten zu sehen, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung gelinge nur, wenn die Landschaft erhalten bleibe. Kernstück der neuen Raumplanung sei die Festlegung des Siedlungsgebietes, und dafür werde es klare Richtlinien für die Gemeinden geben. Ziel sei eine Vermeidung der Zersiedelung, darum solle nur mehr innerhalb des Siedlungsgebiets gebaut werden. Ausnahmen solle es nur für jene Betriebe geben, die man nicht im Siedlungsgebiet haben wolle, etwa Kläranlagen und andere Einrichtungen, in besonderen Fällen auch touristische Einrichtungen.
Die Raumplanung werde verbindlicher, kündigte Theiner an. Die Gemeinden bekämen mehr Zuständigkeiten, um die Entwicklung auf ihrem Gebiet zu planen, sie würden die Gegebenheiten vor Ort am besten kennen. Die Gemeinden würden dabei aber nicht im Stich gelassen. Sie hätten Fachleute in den Kommissionen zur Seite und auch die Landeslandschaftsschutzkommiss ion. Mit dem Entwicklungsprogramm habe man ein langfristiges Planungsinstrument, während die Bauleitpläne flexibler sein könnten. Mit einer einheitlichen Anlaufstelle in der Gemeinde, mit den neuen Baurechtstiteln, mit dem Baugespräch, mit dem Lokalaugenschein sowie mit einer einheitlichen Bauordnung für alle Gemeinden schaffe man für die Bürger eine wesentliche Vereinfachung.
Die wichtigste Maßnahme für ein leistbares Wohnen sei das neue Instrument der Preisdeckelung, damit schlage man ein neues Kapitel auf. Das bedeute keine neuen Kosten für die öffentliche Hand, man lasse die Bürger an den wirtschaftlichen Vorteilen der Grundausweisung teilhaben.
Theiner rief dazu auf, vor allem die Grundsätze des Entwurfs im Auge zu behalten und deren Eignung, die Ziele zu erreichen.
Nach einer kurzen Debatte darüber, ob der Begleitbericht zum Gesetzentwurf verlesen werden solle, verlasen Riccardo Dello Sbarba, Mitglied des II. Gesetzgebungsausschusses, und die stellvertretende Vorsitzende Maria Hochgruber Kuenzer den Bericht. Der Ausschuss hatte den Entwurf nach mehreren Sitzungen und Anhörungen mit 4 Ja, 2 Nein und 1 Enthaltung gutgeheißen.
In seinem Minderheitenbericht äußerte Riccardo Dello Sbarba (Grüne) erhebliche Zweifel am Gesetzentwurf. Die Ankündigungen der Landesregierung seien erfreulich gewesen, in der ersten Phase seien gute Ansätze gesammelt worden, aber in der zweiten Phase habe ein Kuhhandel mit den Interessengruppen stattgefunden, und im Gesetzgebungsausschuss hätten die Bauernvertreter den Landschaftsschutz nochmals verwässert und der Landwirtschaft weitere Zugeständnisse eingeräumt: Handel in Gewerbezonen, Neubau des Hofs, wenn der alte zum Hotel wurde, u.a.m.
Die Landschaft sei die große Verliererin. Der Ensembleschutz werde pauschal den Gemeinden überlassen, viele Eingriffe würden von einer landschaftsrechtlichen Genehmigung befreit, Panoramalandschaften und äußere Schutzzonen von Naturschutzgebieten würden gestrichen, ebenso die Möglichkeit, Landschaftsgüter von besonderem Interesse auszuweisen, und das Vetorecht der Landessachverständigen für Landschaft.
Das erklärte Ziel, den Bodenverbrauch einzuschränken, werde verfehlt: Es werde keine Grenze angegeben, jeder Bodenverbrauch werde erlaubt, wenn es keine wirtschaftlich oder ökologisch vernünftige Alternative gibt, jede landwirtschaftliche Tätigkeit zähle nicht als Bodenverbrauch, innerhalb des Siedlungsgebiets werde jeder freie Grund praktisch zum Bauerwartungsgrund, und außerhalb des Siedlungsgebiets würden zahlreiche Ausnahmen ermöglicht.
Obwohl öffentlich über eine Verträglichkeitsgrenze für den Tourismus debattiert werde, würden zahlreiche Erweiterungsmöglichkeiten geschaffen und die 1997 eingeführte Höchstgrenze von 229.088 Betten gestrichen.
Das leistbare Wohne bleibe ein leeres Versprechen, da die Fläche für den geförderten Wohnbau kleiner und die Einhebung des sog. Planungsmehrwerts auf ein Minimum reduziert würden. Die Preisbindung unterliege dem Ermessen der Gemeinden.
Eine breite Einbindung der Bevölkerung bei der Raumplanung sei nicht vorgesehen, kritisierte Dello Sbarba, der Stimme der Eigentümer werde noch mehr Kraft verliehen. Die „Lex Benko“ werde mit den Raumordnungsvereinbarungen auf alle Gemeinden ausgedehnt. Auf letztere komme mit diesem Gesetz viel Arbeit zu, aber nicht die dafür notwendigen Mittel. Dadurch, dass das Gesetz verzögert in Kraft treten solle, würden Rechtsunsicherheit und Raum für Spekulation geschaffen.
Insgesamt hätten Landwirtschaft und Tourismus das Rennen gemacht, die Landschaft komme unter die Räder und das soziale Gleichgewicht gerate aus den Fugen, urteilte Dello Sbarba und plädierte dafür, das Gesetz erst in der nächsten Legislaturperiode zu verabschieden.
Die Sitzung wird um 14.30 Uhr wieder aufgenommen.
Der Minderheitenbericht von Sigmar Stocker
Nach Riccardo Dello Sbarba stellte Sigmar Stocker (Freiheitliche) seinen Minderheitenbericht zum Landesgesetzentwurf Nr. 151/18 Raum und Landschaft vor. Die Grundsätze des Entwurfs – Schutz der Landschaft, sparsamer Bodenverbrauch, leistbares Wohnen, Entwicklung des ländlichen Raums usw. – könne jeder unterstützen. Aufgrund der bisherigen Erfahrung seien aber Zweifel angebracht: Auch beim Gesetz von 1997 seien hehre Grundsätze vorangestellt worden – das Resultat kenne man. Aus der Raumordnung sei eine Raumunordnung geworden, ein einträgliches Geschäft für Anwälte. Der Normalbürger könne sich ein Verfahren nicht leisten, und Gutbetuchte fänden dadurch Schlupflöcher im Gesetz. Benedikters Raumordnung sei effizient und gerecht gewesen, das geltende Gesetz sei hingegen ein Instrument der Freunderlwirtschaft.
Die Übertragung von Kompetenzen an die Gemeinden sei prinzipiell richtig, die Abschaffung von Kommissionen und Gutachten dürfe aber nicht zum Freibrief für den Bürgermeister werden. Auf die Gemeinden, welche die Abgrenzung des Siedlungsgebiets vornehmen müssten, werde großer Druck zukommen, daher sollte die Landesraumordnungskommission aufgewertet werden, um wenigstens gleiche Kriterien in allen Gemeinden zu gewährleisten. Es stelle sich auch die Frage, ob die Gemeinden die nötigen Mittel für diese neuen Mittel hätten.
Landwirtschaftliches Grün sollte prinzipiell der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten werden, ebenso dürfe privates Eigentum nur mit klarem Nachweis des öffentlichen Interesses enteignet werden. Die Raumordnungsverträge hätten sich nicht bewährt, mit deren Umbenennung in Vereinbarungen sei es nicht getan. Der Tourismus sei eine Säule der heimischen Wirtschaft und erlebe derzeit einen Boom, andererseits habe er auch negative Auswirkungen für die Bevölkerung. Der Betriebsinhaber wisse, welches die richtige Größe für seinen Betrieb sei, daher sollten Erweiterungen möglich sein. Um Spekulation zu vermeiden, sollten quantitative Erweiterungen nicht mehr subventioniert oder steuerlich begünstigt werden.
Mehrere Artikel im Entwurf würden den hehren Zielsetzungen widersprechen, befand Stocker. Man müsse aufpassen, dass bei Inkrafttreten des Gesetzes nicht automatisch Baurecht außerhalb der derzeitigen Auffüll- und Erweiterungszonen geschaffen werde. Um Spekulation im landwirtschaftlichen Grün zu vermeiden sollte dort Baurecht nur angrenzend an Auffüll- oder Erweiterungszonen erworben werden können. Gastgewerbliche Kubatur sollte nicht vor 20 Jahren seit Benutzungsgenehmigung freigekauft werden können. Der Freikauf von der Bindung für konventionierte Wohnungen nach 5 Jahren vergeblicher Mietersuche sei ein schlechter Witz, da leicht zu bewerkstelligen. Bei den geschlossenen Höfen bezeichnete es Stocker als wichtig, dass nicht neue einzelne Gebäude entstehen, und es müsse ausgeschlossen werden, dass auch jene ein Wirtschaftsgebäude für Nebenerwerb erweitern dürfen, die mit dem „Stadelgesetz“ Wirtschaftskubatur abgetrennt haben. Bedenklich fand er die Möglichkeit des Kubaturkaufs im landwirtschaftlichen Grün mittels Vertragsurbanistik.
Stocker kritisierte schließlich die Vorgangsweise bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs, so hätten im Gesetzgebungsausschuss sowohl die Landesregierung als auch einzelne Mehrheitsvertreter zahlreiche Änderungsanträge eingebracht. Und er warnte vor einer Unbekannten: Man wisse nicht, wie die neue Regierung in Rom zu Südtirol stehe. Durch die Abschaffung des bisherigen Raumordnungs-, aber vor allem des Landschaftsschutzgesetzes könne ein Rechtsvakuum entstehen, das Südtirols Zuständigkeiten dem Verfassungsgericht ausliefere.
Auf Antrag von Andreas Pöder wurde anschließend das Kollegium der Fraktionsvorsitzenden einberufen, um über den Fortgang der Arbeiten zu beraten, unter anderem angesichts der bisher eingereichten 580 Änderungsanträge.