Antrag der Süd-Tiroler Freiheit

Recht auf muttersprachlichen Unterricht im Landtag behandelt

Mittwoch, 06. November 2024 | 12:20 Uhr

Von: mk

Bozen – Am Mittwochvormittag ist die erste November-Sitzungsfolge 2024 des Südtiroler Landtages mit der gestern begonnenen Behandlung des Beschlussantrags Nr. 157/24 fortgesetzt worden.

Es geht um das Recht auf muttersprachlichen Unterricht. (eingebracht von den Abgeordneten Knoll, Atz Tammerle, Rabensteiner und Zimmerhofer am 07.10.2024). Demnach möge der Landtag laut Antrag Folgendes beschließen:

1.    Der Südtiroler Landtag bekräftigt das unverzichtbare und durch die Autonomie zugesicherte Recht auf den muttersprachlichen Unterricht und spricht sich dafür aus, dass die Schüler auch hinkünftig eine bestmögliche Schulausbildung auf hohem muttersprachlichem Niveau genießen dürfen.
2. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, das Disziplinarverfahren gegen die Direktorin der Goethe-Schule in Bozen umgehend einzustellen.
3. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, die Diskrepanz in Bezug auf die Finanzierung der deutschen und italienischen Schule aufzuheben, indem die Schulen gemessen an der Anzahl der Schüler in der gleichen Höhe finanziert werden.
4. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, die paritätische Kommission, die laut DPR 89/1983 und DPR 301/1988 vorgesehen ist, einzusetzen.
5. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Obergrenze für Schüler, welche die Unterrichtssprache der Schule, die sie besuchen, nicht ausreichend beherrschen, auf maximal zwanzig Prozent der Gesamtschüleranzahl in der jeweiligen Klasse festzulegen.
6. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, im Sinne einer bestmöglichen Aufteilung der Schüler, bei Bedarf auch die Einrichtung von weiteren Schulklassen anzudenken.
7. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, Sprachförderkurse für Schüler, die auf Grund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse dem regulären Unterricht nicht folgen können, einzurichten und sich dabei beispielsweise an dem Modell „MIKA-D“ (Messinstrument zur Kompetenzanalyse – Deutsch) zu orientieren.
8. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, im Sinne einer bestmöglichen Sprachvermittlung, sich dafür zu verwenden, dass auf den Pausenhöfen der Schulen sowie in der Kommunikation zwischen den Lehrern und den Eltern die Sprache der Schule gesprochen wird.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), Erstunterzeichner des Antrages, betonte u.a., dass die Kollegin Foppa den Punkt 8 des Antrages in ihrem gestrigen Redebeitrag in die Nähe des Faschismus gerückt habe – dies sei falsch interpretiert. Man wolle nicht, dass Kinder bestraft würden, sondern dass die Sprache besser erlernt werde. Er habe der Kollegin Foppa dies bereits im persönlichen Gespräch mitgeteilt.

Sandro Repetto (PD – Demokratische Partei) stellte u.a. klar, dass das Problem in der deutschen Schule bestehe, aber die Frage eines allgemeinen Konzepts in Bezug auf Artikel 19 und seine Entwicklung habe man sich nie gestellt. Die deutschen Schulen hätten immer mehrsprachige Projekte vorangetrieben, diese seien aber nie großflächig weitergebracht worden. Deshalb würden viele italienischsprachige Eltern ihre Kinder in die deutschen Schulen einschreiben. Der frühere LH Durnwalder habe diese Wahl der Ausländer gefördert, um zu verhindern, dass die italienische Bevölkerungsgruppe sich vergrößere.

Zeno Oberkofler (Grüne) sagte u.a., er bedauere es, dass man es nicht geschafft habe, bezüglich der Goethe-Schule eine bildungspolitische Debatte zu führen. Man spüre an den Schulen eine große Erschöpfung und Überforderung. Die Schule stehe vor großen Herausforderungen, nicht nur in Südtirol, sondern in ganz Europa. Man habe nicht nur die sprachliche Herausforderung, sondern auch die Digitalisierung, den Mitarbeitermangel u.a.m. Er wolle animieren, nicht nur über die Sprache zu reden, sondern auch darüber, wie man die Schule zukunftsfit machen könne. Dazu müsse man u.a. auch die Lehrkräfte mehr wertschätzen.

Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) führte u.a., dass die Patrioten auch in den USA gewonnen hätten – von der Leyen und anderen stünden nun schwere Zeiten bevor. Auch im Beschlussantrag gehe es um Patriotismus, die deutsche Sprache stünde unter Druck.

Harald Stauder (SVP) erinnerte u.a. an die Arbeitsgruppe zu den Schulen in der SVP, die diese als einzige Partei im Land eingerichtet habe. Die Schule im Land sei nach wie vor ein Spiegel der Gesellschaft. Man müsse die Lehrer stärken und fördern, es müssten mehr Ressourcen in diese Richtung freigegeben werden. Man müsse daran arbeiten, dass Probleme, wie die angesprochenen, künftig nicht mehr auftauchten. Es stelle sich auch die Frage, weshalb italienische Kinder so zahlreich deutsche Schulen besuchten – was laufe in den italienischen Schulen falsch? Die SVP sei gegen Verbote. Man werde Punkt 1 des Antrages zustimmen, alle anderen ablehnen.

Thomas Widmann (Für Südtirol mit Widmann “FSW”) sagte u.a., es sei zu einer ideologischen Diskussion verkommen. Viele wüssten nicht, was diese Direktorin nach bestem Wissen und Gewissen initiiert und geplant hat. Es gebe viele Eltern von dortigen Schulkindern, die befürchteten, dass ihre Kinder die Sprache nicht so gut erlernten – dieses reelle Problem habe nicht gelöst werden können. Das von der Direktorin vorgesehene Modell hätte es möglicherweise lösen können. Warum habe man dieses Modell nicht ein Jahr erprobt und dann bewertet? “Lassen wir neue Versuche zu und machen wir keine Disziplinarverfahren.”

Waltraud Deeg (SVP) unterstrich u.a., dass es in solchen Sachthemen weniger Ideologie brauche. Man lebe in einem Staat mit 60 Mio. Einwohnen, ein Grundelement der Autonomie sei, den muttersprachlichen Unterricht für die 300.000 deutsch- und ladinischsprachigen Schüler zu garantieren – hinter diesem Grundsatz stehe die SVP. Sie habe eine Lehrbefähigung; es stelle eine Schwierigkeit dar, wenn man in einer Oberschulklasse ein oder zwei Schüler habe, die der Unterrichtssprache nicht mächtig seien. Es müssten konkrete Lösungen mit den Menschen, die in den Schulen arbeiteten, gefunden werden. Es brauche aber keine gemischtsprachigen Schulen, sondern viel eher einen guten Italienischunterricht.

Es wäre begrüßenswert, wenn die sachliche Debatte auch in “dieses Haus” einziehen würde, so Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) u.a., der sodann an einen in der Vergangenheit eingereichten Beschlussantrag erinnerte. Man habe vor allem in den urbanen Zentren eine große Heterogenität in den Klassen. Dass die SVP nun sage, sie seien die einzigen, die in Sachen Schule etwas weiterbrächten, weil sie eine diesbezügliche parteiinterne Arbeitsgruppe eingerichtet hätten, stimme so nicht – auch die anderen Fraktionen arbeiteten sehr wohl an diesem Thema. Die SVP habe das Problem in den vergangenen Jahren nicht lösen können. Er ersuche die Kollegen der Süd-Tiroler Freiheit die Passage mit den Pausenhöfen herauszunehmen – die Pause solle frei sein.

Anna Scarafoni (Fratelli d’Italia) sagte u.a., dass der Kollege Knoll in mehreren Punkten Recht habe, etwa wenn er sage, dass das Problem nicht nur ein Problem der deutschen Schule sei, sondern aller Schulen im Land. Auch sie lege Wert auf ihre Sprache, ihre Kultur und Traditionen, derzeit würde dies alles angegriffen. Man habe hier einen sogenannten “steinernen Gast”: Die einheimischen Paare hätten 1 bis 2 Kinder, die ausländischen 4; das führe zu einer zunehmenden Überfremdung. Als sie noch nicht in der Politik aktiv gewesen sei, wäre sie davon ausgegangen, dass sich das autonome Land davor geschützt hätte. Sie frage sich, was man aus dem Land gemacht habe.

Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit), Mitunterzeichner des Antrages, unterstrich u.a., dass man heute über eine Grundsäule der Autonomie diskutiere – die muttersprachliche Schule. Es verwundere deshalb, dass die italienische Schule besser finanziert sei als die deutsche. Es täte allen gut, sich in die Situation eines Kindes zu versetzen, das in eine Schule einschule, dessen Sprache es nicht spreche – das sei eine Herausforderung für das Kind und für dessen Lehrer; das könne nicht gut gehen. Es leide die Bildung darunter – nicht nur für “diese” Kinder, sondern ebenso für die Mitschüler, vor allem in Schulen mit hohem Ausländeranteil. Integration sei für die Zukunft im Land eine große Aufgabe und Pflicht – und sie fange in Schulen an.

LR Philipp Achammer führte in seiner Replik u.a. aus, dass die Förderung der deutschen Hochsprache allen am Herzen liege. Ihn störten einige Dinge in der Debatte “ordentlich”: Das sinkende Bildungsniveau sei für alle gestiftet? Man solle bitte Daten dazu nennen, dass das Bildungsniveau sich verschlechtert habe. Und andererseits lobe man die Arbeit der Lehrpersonen – die beiden Aspekte ließen sich nicht voneinander trennen. Er frage sich auch, welche Vorstellungen man habe, was Bildung alles tun soll? Es werde oft pauschal gesagt, die Schule werde dieses oder jenes Problem, das die Eltern und die Gesellschaft nicht lösen, schon lösen werde – das sei aber nicht möglich. Es gebe in Schulen bereits Parallelmaßnahmen, mehr Lehrpersonen würden zugewiesen, Kleingruppen gebildet etc. Der LR verwies auf die Aufgaben der paritätischen Kommission und darauf, dass es schwierig wäre, wenn Kinder während des Schuljahres aus einer Klasse genommen werden müssten. Die Pause sei Zeit für Erholung, das Spiel, den Austausch; das Vorschreiben einer verpflichtenden Pausensprache fände er in diesem Land abscheulich. Er sei dafür, innerhalb der Schulen gut zu fördern und zusätzliche Ressourcen bereitzustellen – auch Unterstützung von außen. Man werde Punkt 1 zustimmen, den anderen Punkten nicht.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), Erstunterzeichner des Antrages, sagte in seiner abschließenden Stellungnahme u.a., dass der Landesrat mit Scheinargumenten arbeite. Der Abgeordnete verlas ein Schreiben eines Vaters an LR Achammer, auf welches diese nicht geantwortet habe. Lehrer würden in den Schulen allein gelassen; das italienische Schulamt habe mehr finanzielle Ressourcen, dabei gingen immer mehr italienische Schüler an deutsche Schulen. In Deutschland würden Schüler angeregt, am Pausenhof das, was sie im Unterricht erlernt hätten, auch anzuwenden – die Schule habe den Nationalpreis für Integration erhalten. Der Abgeordnete kritisierte die Disziplinarmaßnahmen gegen die Direktorin der Goethe-Schule. Die Bilanz der deutschen Schule sei katastrophal seit Achammer LR sei.

Der Beschlussantrag Nr. 157/24 wurde getrennt nach Prämissen und einzelnen Punkten abgestimmt: Punkt 1 wurde mit 33 Ja-Stimmen angenommen; abgelehnt wurden die Prämissen, Punkt 2, Punkt 3, Punkt 4  (jeweils mit 20 Nein, acht Ja und fünf Enthaltungen), Punkt 5 (mit 23 Ja, acht Nein und zwei Enthaltungen), Punkt 6 (mit 19 Nein, acht Ja und sechs Enthaltungen), Punkt 7 (mit 19 Nein, 13 Ja und eine Enthaltungen) sowie Punkt 8 (mit 25 Nein, fünf Ja und zwei Enthaltungen.

Bezirk: Bozen

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