Von: apa
Bozen/Rom – Die Reform des Südtiroler Autonomiestatuts samt Wiederherstellung verloren gegangener Kompetenzen hat eine weitere politische Hürde genommen. Am Mittwoch stimmte die italienische Regierung in ihrer Ministerratssitzung dem Verfassungsgesetzesentwurf zu bzw. genehmigte ihn. Letztlich braucht es noch Beschlüsse beider Kammern des Parlaments. Damit wurde erst für das Jahr 2027 gerechnet.
Zuletzt ging es Schlag auf Schlag. Erst vergangene Woche war der überarbeitete Entwurf zum Verfassungsgesetz, der auch das Trentino im Rahmen der gemeinsamen Region betrifft, im Rahmen einer Sitzung in Rom präsentiert. Wie das Land Südtirol bestätigte, wird der Text nun an Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) sowie seinen Trentiner Amtskollegen Maurizio Fugatti (Lega) weitergeleitet, die es wiederum den Fraktionen in den beiden Landtagen und dem Regionalrat übermitteln.
Die drei letzteren geben dann ein nicht bindendes Gutachten ab. In Südtirol tagt zu dem Thema der Landtag, die regierende Südtiroler Volkspartei wird zudem bereits kommenden Montag zu einer außerordentlichen Landesversammlung zusammenkommen. Dann erfolgt der endgültige Beschluss im Ministerrat, auch eine Mitteilung an die Südtirol-Schutzmacht Österreich wird erfolgen. Und zu guter Letzt kommt die Reform dann in die beiden Kammern des Parlaments.
Calderoli: “Historischer Schritt”, Kompatscher: “Entscheidender Schritt”
Italiens Regionenminister Roberto Calderoli (Lega) begrüßte die Verabschiedung der Reform und sprach von einem “historischen Schritt”, auf den man “lange gewartet hat und der nun endlich gekommen ist.”: “Der heutige Tag ist bereits ein Sieg”. Man habe die “Wiederherstellung der Autonomienormen, die Aktualisierung der Zuständigkeiten und die Gewährleistung der Vertretung der Sprachgruppen vorgesehen”. Die Regierung werde nun die Stellungnahmen abwarten, um sie dann “zu prüfen und endgültig zu verabschieden.”
Kompatscher ortete indes, ebenso wie SVP-Obmann Dieter Steger, einen “entscheidenden Schritt”. Die Reform regle “die Grenzen der Gesetzgebung neu”. “Insbesondere wird die Grenze der staatlichen Wirtschafts- und Sozialreformgesetze abgeschafft”, betonte der Landeshauptmann im Landespressedienst. Diese sei bei Südtirols Gesetzgebung künftig also nicht mehr zu berücksichtigen. “Wir erhalten mehr Befugnisse. Die Durchführungsbestimmungen werden aufgewertet, unsere Autonomie wird stärker abgesichert”, warb Kompatscher Medien gegenüber für den Entwurf. Zudem enthalte die Reform eine “bessere innerstaatliche Absicherung gegen einseitig vorgenommene Abänderungen”.
Von Umwelt bis Bauwesen
Der Spielraum für autonome Gesetzgebung soll jedenfalls ausgeweitet werden. Inhaltlich waren laut Medienberichten zudem auch mehrere Zugeständnisse an die italienische Sprachgruppe durchgesickert. So sollen zugewanderte italienische Staatsbürger künftig bereits nach zwei Jahren Ansässigkeit an den Landtagswahlen teilnehmen können, bisher waren es vier Jahre. In den Verhandlungen ging es um die Bereiche Urbanistik, Bauwesen, Straßen, Personal, Handel, Energie und Umweltschutz.
Auch aus dem Trentino meldete sich am Mittwoch unterdessen ein zufriedener Landeshauptmann zur Wort. “Die Autonomiereform enthält Bestimmungen zur Wiederherstellung der individuellen Gesetzgebungsbefugnisse, die durch die Rechtprechung des Verfassungsgerichts nach der Verfassungsreform 2001 eingeschränkt worden waren”, ließ Fugatti wissen.
Brugger sieht Reform positiv
“Wenn die durch den Verfassungsgerichtshof geschmälerten Kompetenzen wiederhergestellt, neue hinzugefügt – beispielsweise im Umweltschutz – und eine verbindliche Schutzklausel eingeführt wird, die Änderungen am Autonomiestatut nur im Einvernehmen zwischen Provinz, Region und Staat vorsieht, dann ist die Reform eine klare Verbesserung des Status quo, und ich würde dafür stimmen”, erklärte der ehemalige SVP-Obmann Siegfried Brugger gegenüber der Nachrichtenagentur ANSA.
Der Bozner stand von 1992 bis 2004 an der Spitze der Südtiroler Volkspartei. In seine Amtszeit fiel die Verfassungsreform von 2001, die später zu Urteilen des Obersten Gerichtshofs und zur Reduzierung einiger Kompetenzen der Autonomen Provinz Bozen führte, um deren Wiederherstellung es nun geht.
Brugger betont jedoch: “Wir stehen am Anfang eines langen Weges. Zuerst müssen wir den Text prüfen und dann die nächsten Schritte festlegen.” “Ob und wie lange es dauern wird, bis das Parlament ihn in zweiter Lesung und ohne Änderungen verabschiedet, ist eine interessante Frage”, fügt der 72-Jährige hinzu. “Die Zugeständnisse an die italienische Sprachgruppe sind akzeptabel”, ist Brugger überzeugt und bezieht sich dabei auf die Reduzierung der Aufenthaltsdauer in Südtirol von vier auf zwei Jahre für die aktive Wahlberechtigung.
Dies war zuvor von der ehemaligen Landtagsabgeordneten Eva Klotz stark kritisiert worden. In ihrer Amtszeit setzte sie sich vehement für die Selbstbestimmung Südtirols und für eine Loslösung von Italien ein.
Meloni versprach Reform in Regierungserklärung
Eigentlich war der Text für den Verfassungsgesetzesentwurf bereits vergangenen Sommer erwartet worden, die Vorlage des Reformtexts verzögerte sich aber. Es geht um die Wiederherstellung der Standards, die 1992 zur Streitbeilegung vor den Vereinten Nationen (UNO) geführt hatten und die durch die italienische Verfassungsreform bzw. Urteile des Verfassungsgerichts über die Jahre immer wieder ausgehöhlt worden waren. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) hatte sich in ihrer Regierungserklärung zu Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 2022 dezidiert für die Reform ausgesprochen.
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