Von: APA/Reuters/dpa
In Kanada haben die regierenden Liberalen die Parlamentswahl gewonnen. Ministerpräsident Mark Carney erklärte sich in der Nacht auf Dienstag zum Wahlsieger. Er freue sich darauf, mit allen Parteien im Parlament konstruktiv zusammenzuarbeiten. Der konservative Oppositionsführer Pierre Poilievre räumte die Niederlage ein und gratulierte Carney zum Wahlsieg. Die alten Beziehungen zu USA seien vorbei, sagte Carney in seiner Siegesrede.
Wegen der Zeitverschiebung innerhalb Kanadas dauerte die Stimmenauszählung zwar noch an, die Liberalen lagen aber mit 167 Wahlbezirken, in denen sie gewonnen haben oder in Führung waren, uneinholbar in Front. Auf die Konservativen von Pierre Poilievre entfielen dementsprechend 145 Bezirke. Für eine eigene Mehrheit sind 172 der insgesamt 343 der den Wahlbezirken entsprechenden Sitze im Parlament notwendig.
Die kommenden Monate würden herausfordernd werden und Opfer erfordern, sagte Carney in seiner Siegesrede in der Nacht in Ottawa. “Amerika will unseren Grund und Boden, unsere Ressourcen, unser Wasser, unser Land”, sagte er. “Das sind keine leeren Drohungen. Präsident Trump versucht, uns zu brechen, damit Amerika uns besitzen kann. Das wird niemals geschehen.” Kanada werde seine Beziehungen “zu verlässlichen Partnern” in Europa, Asien und anderen Teilen der Welt stärken. Poilievre sagte, seine unterlegene Konservative Partei werde in der Opposition “ihren Job machen und die Regierung zur Verantwortung ziehen”.
Trump mischte Wahlkampf auf
Der kanadische Wahlkampf wurde vom Zollstreit überlagert, den US-Präsident Donald Trump angezettelt hatte, und von Trumps Drohungen, Kanada zum 51. Bundesstaat der USA zu machen. Am Montag hatte Trump in den Sozialen Medien noch einmal seine Annexionspläne für Kanada bekräftigt. “Viel Glück dem großartigen Volk Kanadas. Wählt den Mann, der die Kraft und Weisheit besitzt, eure Steuern zu halbieren, eure Militärmacht kostenlos auf das höchste Niveau der Welt zu steigern und eure Auto-, Stahl-, Aluminium-, Holz-, Energie- und alle anderen Industriezweige zu vervierfachen, ohne Zölle oder Steuern, wenn Kanada der begehrte 51. Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Schluss mit der künstlich gezogenen Grenze von vor vielen Jahren”, schrieb er.
Dies hat in Kanada eine Welle des Patriotismus ausgelöst. Profitiert haben davon Carneys Liberale und sein im Jänner zurückgetretener Amtsvorgänger Justin Trudeau, die sich vehement gegen das Vorgehen der USA stemmen. Zum Zeitpunkt der Amtsübergabe von Trudeau auf Carney hatten Umfragen den Liberalen noch eine Niederlage bei der nächsten Wahl vorausgesagt.
Carney hatte im Wahlkampf betont, er sei aufgrund seiner Erfahrung im Umgang mit Wirtschaftsfragen am besten qualifiziert, mit Trump umzugehen. Poilievre hatte vor allem die Sorgen der Wähler über die Lebenshaltungskosten, die Kriminalität und die Wohnungskrise angesprochen.
Liberale gewannen vier Mal in Folge
Es ist die vierte Parlamentswahl in Folge, die die kanadischen Liberalen für sich entscheiden können, was in der Geschichte des G7-Landes sehr ungewöhnlich ist. Rund 29 Millionen Menschen waren im nördlichen Nachbarstaat der USA und flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde mit sechs Zeitzonen zur Wahl aufgerufen. Die Abgeordneten werden per Direktwahl bestimmt.
Der 60-Jährige Carney bringt nationale und internationale Krisenerfahrung mit. Während der Finanzkrise leitete der aus Alberta stammende Politiker ab 2008 die kanadische Zentralbank. Zwischen 2013 und 2020 war Carney während der turbulenten Brexit-Phase Zentralbankchef in Großbritannien, anschließend bis Jänner dieses Jahres UNO-Sondergesandter für Klimaschutz. Er plädiert für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern. Umfragen zufolge trauen die meisten Kanadier Carney am ehesten zu, Trump die Stirn zu bieten.
Der politische Stil des konservativen Spitzenkandidaten Poilievre trägt dagegen klare Trump-Anleihen. So sprach der 45-Jährige, der für niedrige Steuern und Kürzungen bei Staatsausgaben steht, ebenfalls von Fake News, einer woken Ideologie linksradikaler Kräfte und versprach, Kanada immer an erste Stelle setzen zu wollen – “Canada First”. Das kam lange gut an – doch dann kam Trump.
Wahl auch unter dem Eindruck von tödlicher Autofahrt in Vancouver
Weitere zentrale Wahlkampfthemen waren der starke Anstieg der Lebenshaltungskosten, steigende Mieten, der Zugang zu bezahlbarem Wohneigentum sowie Gesundheitsfürsorge und Migration.
Die Wahl fand zudem auch unter dem Eindruck eines tragischen Vorfalls in der Westküstenmetropole Vancouver am Wochenende statt: Bei einem Straßenfest der philippinischen Gemeinde fuhr ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge und tötete mindestens elf Menschen. Ein verdächtiger 30-Jähriger wurde festgenommen. Die Polizei zeigte sich überzeugt, dass es sich nicht um einen Terrorakt handle.
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