Von: APA/dpa/AFP/Reuters
Die britische Provinz Nordirland könnte nach fast zwei Jahren wieder eine Regierung bekommen. Der Vorsitzende der größten pro-britischen Partei Nordirlands, Jeffrey Donaldson, erklärte am Dienstag, den Boykott der Democratic Unionist Party (DUP) beenden zu wollen. Somit könnte innerhalb weniger Tage die vorgesehene Einheitsregierung zusammen mit den anderen wichtigen Parteien, darunter die irisch-nationalistische Sinn Fein, in Nordirland wieder zustande kommen.
Hintergrund für die Krise war der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, was Nordirland eine Sonderstellung einbrachte. Die DUP lehnte neue Handelsregeln nach dem Brexit ab. Sie hatte argumentiert, dass Londons Brexit-Abkommen mit der Europäischen Union den Platz Nordirlands im Vereinigten Königreich untergräbt, weil es Kontrollen für einige Waren aus Großbritannien verlangt.
Donaldson gab nun bekannt, dass seine Partei die mit London vereinbarten Vorschläge für die Anwendung der Handelsregeln nach dem Brexit doch unterstützt. Das Angebot Londons, Nordirlands Position im Vereinigten Königreich rechtlich zu festigen, und ein Finanzpaket in Höhe von 3,3 Milliarden Pfund (knapp 3,9 Milliarden Euro) schienen die DUP zu überzeugen.
Donaldson sagte gegenüber BBC Radio Ulster: “Ich glaube, dass die Vorschläge Maßnahmen vorsehen, die gut für Nordirland sind und die unseren Platz im Vereinigten Königreich und seinem Binnenmarkt wiederherstellen werden”. Die regionale Einheitsregierung könne innerhalb weniger Tage wiederhergestellt werden, “wenn die (britische) Regierung so schnell handelt, wie ich glaube, dass sie es kann”.
Die Vereinbarung besteht nach Donaldsons Worten aus zwei Teilen. Zum einen wird Nordirland eine feste Verankerung innerhalb des Vereinigten Königreichs zugesagt. Zum anderen soll das britische Binnenmarktgesetz geändert werden, um “die Fähigkeit der Region, mit dem Rest des Vereinigten Königreichs Handel zu treiben, zu schützen”.
London hat seine Vorschläge unter Verschluss gehalten, um zu verhindern, dass sie von Gegnern des Post-Brexit-Handelsabkommens mit der EU unterlaufen werden. Donaldson zufolge könnte die britische Regierung bereits am Mittwoch ein Gesetz zur Untermauerung der Vereinbarung veröffentlichen.
Die britische Regierung sprach von einem “bedeutenden Schritt”. Auch die Vorsitzende der nordirischen Sinn-Fein-Partei, Mary Lou McDonald, äußerte sich zuversichtlich, dass Parlament und Regierung in Nordirland nun bald wieder arbeitsfähig seien.
Sinn Fein tritt für eine Wiedervereinigung mit dem EU-Mitglied Irland ein, die Unionisten wollen bei Großbritannien bleiben. Die britische Region Nordirland hat einen langen Bürgerkrieg hinter sich, in dem überwiegend katholische Befürworter einer Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland gegen meist protestantische Anhänger der Union mit Großbritannien kämpften.
Der Landesteil hat seit bald zwei Jahren keine funktionierende Regierung. Sinn Fein war bei der bisher letzten Parlamentswahl im Mai 2022 erstmals stärkste Kraft geworden. Der Partei steht deshalb das Amt des “First Minister” zu, die Democratic Unionist Party (DUP) würde den gleichberechtigten Posten des Vize-Regierungschefs übernehmen. Das Karfreitagsabkommen, das 1998 den Bürgerkrieg in Nordirland beendete, schreibt vor, dass die größten Parteien der beiden konfessionellen Lager eine Einheitsregierung bilden müssen.
Die DUP boykottierte bisher die Regierungsbildung. Sie fordert ein Ende aller Warenkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Landes, die der Brexit mit sich brachte und auf die sich Großbritannien und die EU geeinigt hatten. Daher wurde Nordirland zuletzt direkt von London aus regiert.
Im Jänner war zum wiederholten Mal die Wahl eines Parlamentspräsidenten am Widerstand der DUP gescheitert. Damit war das Regionalparlament in Belfast weiter lahmgelegt. Eine Folge war der Streik Zehntausender Beschäftigter des Öffentlichen Dienstes für höhere Löhne. Der britische Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris hätte eigentlich schon eine Neuwahl ansetzen müssen.
Die designierte Regierungschefin Michelle O’Neill von Sinn Fein will Reformen. Die demokratischen Institutionen seien im freien Fall, erklärte sie in der Krise. O’Neill warf der DUP vor, der einzige Grund für den Boykott sei, dass die Partei keine republikanische Regierungschefin akzeptieren wolle.