Von: mk
Bozen/Trient – Die Einrichtung eines regionalen Abschiebezentrums für Asylbewerber und die Bedingungen für den Übergang des Gerichtspersonals an die Region waren Themen zweier Anträge, die der Regionalrat heute behandelt hat. Der erste wurde abgelehnt, der zweite vertagt. Präs. Kompatscher berichtete vom Stand der Verhandlungen mit den Gewerkschaften zum Gerichtspersonal. Mai-Sitzung beendet.
Beschlussantrag Nr. 50, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Cia, Fugatti, Bottamedi und Bezzi, mit dem die Regionalregierung verpflichtet werden soll, beim Regierungskommissariat der Autonomen Provinz Trient und beim Regierungskommissariat der Autonomen Provinz Bozen vorstellig zu werden, auf dass auf dem Gebiet der Region ein zeitlich befristetes Abschiebezentrum errichtet werde, um die Eskalation der Gewalt und die mit dem Verfall und oft mit dem Drogenhandel und der Drogensucht einhergehenden Straftaten, die mit der Notstandsituation des Flüchtlingsstromes entstanden sind, zu beenden.
Es gehe hier nicht darum, eine Art Lager zu errichten, sondern um Personen zu isolieren, die möglicherweise eine Belastung für die Gesellschaft sein könnten, erklärte Claudio Cia (Lega Nord – Forza Italia). Es seien Personen, denen das Asylrecht nicht gewährt wurde bzw. die nicht mehr Anrecht auf Unterstützung hätten und sich auf andere Weise ihren Lebensunterhalt beschaffen müssten, unter anderem durch Drogenhandel. Oft würden sie nach Verurteilung wieder auf freien Fuß gesetzt, weil in den Gefängnissen nicht genügend Platz ist.
Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina) kündigte seine Enthaltung an. Die Abschiebezentren könnten sinnvoll sein, sie seien aber kein Ersatz für funktionierende Gefängnisse und ein effektives Strafrecht. Hier bestehe noch deutlicher Nachholbedarf. Wenn auch Italien, wie andere Länder, imstande wäre, über einen Asylantrag innerhalb von drei Monaten zu entscheiden, dann würden sich viele Probleme gar nicht stellen. Das neue Gefängnis von Trient, das mit Mitteln des Landes gebaut wurde, sei bereits überfüllt. Dieser italienischen Regierung könne man in Sachen Einwanderung nicht trauen. Die Asylanträge würden jährlich dramatisch zunehmen.
Maurizio Fugatti (Lega Nord – Forza Italia) erinnerte daran, dass die Abschiebezentren eine Initiative des seinerzeitigen Innenministers Maroni gewesen seien. Dafür sei er von der Linken heftig angegriffen worden. Heute werde die Idee von der linken Regierung aufgegriffen. Fugatti sprach sich für diese Zentren aus, aber ohne entsprechende Gesetze seien sie ohne Wirkung. Das Hauptproblem aber sei, dass die Regierung nicht kontrolliere, wer ins Land komme.
Walter Blaas (Freiheitliche) sprach sich gegen den Antrag aus. Er vertraue der Regierung nicht, aus dem Provisorium würde schnell eine feste Einrichtung. Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) sah ein Abschiebezentrum nur als sinnvoll, wenn die Region auch die Zuständigkeit für die Einwanderung habe. Das Problem sollte an der Wurzel angepackt werden. Die Zusammenarbeit der NGOs mit den Schleppern sei zu unterbinden.
Hans Heiss (Grüne) sprach sich ebenfalls gegen den Antrag aus, der Delinquenz und Einwanderung gleichsetze. Gegen organisierte Kriminalität könne man nicht mit Abschiebezentren ankämpfen. Die Asylverfahren verliefen in Italien sehr schleppend, 60 Prozent mit negativem Bescheid. Es brauche einen umfassenden Lösungsansatz für jene, deren Antrag abgelehnt wurde. Die EU sei mit Nachdruck an ihre Gesamtverantwortung zu erinnern.
Walter Kaswalder (gemischte Fraktion) erinnerte daran, dass die Straftat der illegalen Einwanderung abgeschafft wurde und der durchschnittliche Aufenthalt in den Abschiebezentren mittlerweile 18 Monate beträgt. Angesichts der Überfüllung der Gefängnisse könne man sich vorstellen, dass auch ein Abschiebezentrum in unserer Region schnell überfüllt wäre. Ein seriöser Staat würde seine Grenzen vor dieser Einwanderungswelle schließen. Die Flüchtlinge kämen alle nach Sizilien, weil es sich um ein Geschäft in der Hand der Mafia halte. Laut Marino Simoni (Progetto Trentino) löst ein Abschiebezentrum das Problem nicht. Er kündigte daher Enthaltung an. Der Antrag wurde mit sechs Ja, 30 Nein und sieben Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 52, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Bezzi, Fugatti, Bottamedi und Cia betreffend die Modalitäten für den Übergang des Gerichtspersonals in den Stellenplan der Region. Die Regionalregierung möge verpflichtet werden, • Initiativen für die Überarbeitung der Gleichstellungstabellen zur Einstufung des Personals, das vom Justizministerium in den Stellenplan der Region übergehen soll, voranzutreiben, da für einige Berufsbilder keine Übereinstimmung gegeben ist; • die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit bei der Erneuerung des Vertrages der Bediensteten der Region Trentino-Südtirol und der Handels-, Industrie, Handwerk- und Landwirtschaftskammern die derzeitigen Automatismen zum wirtschaftlichen Aufstieg des Personals beibehalten werden und das Personal der Gerichtsämter nicht benachteiligt wird; • den derzeitigen Stellenplan aufzustocken und dem Personal des Justizministeriums auch neues Personal zur Seite zu stellen, auf dass die in diesem Bereich vom Personal, das demnächst sein Arbeitsverhältnis beenden und in den Ruhestand gehen wird, erworbenen Fähigkeiten weitergegeben werden können; • im Rahmen der Tarifverhandlungen für die Erneuerung des Tarifvertrages der Bediensteten der Region und der Handelskammern Vorschläge für den nächsten Haushalt der Region auszuarbeiten, damit spezifische Mittel für die Deckung der Kosten, die sich aus der korrekten Einstufung des vom Justizministerium in den Stellenplan der Region übergehenden Personals, die Anpassung ihres Gehalts und der entsprechenden Funktionszulage ergeben, zur Verfügung gestellt werden.
Ass. Giuseppe Detomas wies auf die entsprechende Durchführungsbestimmung hin, welche die Zuständigkeit dafür an die Region überträgt. Es sei eine wichtige Erweiterung der Autonomie, wobei die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet bleibe. Die Region arbeite nun an einem Abkommen, das den Übergang genauer regelt. Die Materie sei nun Sache der Verhandlungspartner, Region und Gewerkschaften. Daher bitte er die Einbringer um Vertagung des Antrags, auch wenn er deren Grundsätze teilen könne. Ziel sei es, den Dienst zu verbessern.
Es sei wichtig, in dieser Sache Klarheit haben, meinte Alessandro Urzì (gemischte Fraktion), es gehe um die Arbeitsbedingungen von Personen, um die Anerkennung ihrer Berufsbilder. Mit der Durchführungsbestimmung werde zwar nicht die Justiz regionalisiert, aber die Unabhängigkeit der Justiz werde angeknackst, das sei ein Präzedenzfall für andere Bereiche und kein wirklicher Sieg der Autonomie.
Walter Blaas (F) meinte, bei solchen Übernahmen von staatlichen Diensten blieben immer Personen auf der Strecke, das habe man bei der Anas gesehen. Er lege Wert darauf, dass die Verpflichtung zur Zweisprachigkeit verankert werde. Der Übergang sollte gut geregelt werden, damit es nicht jahrelang zu Streit mit den Gewerkschaften komme. Blaas kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an, ersuchte aber, genannte Probleme zu bedenken.
Myriam Atz Tammerle (STF) berichtete von einem Lokalaugenschein bei Gericht. Dort werde die Zweisprachigkeit, auch aus Personalmangel wegen Auslagerung von Diensten an Privatfirmen, nicht immer gewährleistet. Ihre Fraktion werde sich der Stimme enthalten, denn das Land investiere bereits zu viel in staatliche Dienste, etwa durch die Übernahme der Militärareale oder bei der Bahn. Man zahle für etwas, von dem man nicht wirklich etwas habe.
Präsident Arno Kompatscher erklärte sich mit dem Inhalt des Antrags einverstanden. Er habe sich kürzlich mit den Gewerkschaften in dieser Angelegenheit getroffen. Es gebe Bedenken der Gewerkschaften, weil sich nicht alle Berufsbilder exakt abgleichen ließen, aber da gebe es schon Fortschritte. Es komme auch zu einer wirtschaftlichen Besserstellung von 4 bis 10 Prozent, bei allen. Außerdem wolle man über einen Wettbewerb einen Aufstieg ermöglichen. Für diesen ersten Übertritt werde es eine Ad-hoc-Lösung geben, dann gelte der regionale Kollektivvertrag. Alle Punkte seien noch nicht gelöst, aber es sei ein konstruktives Gespräch gewesen. In einigen Punkten sei man sogar weiter, als der Antrag fordere. Er sei zuversichtlich, dass man bereits in den nächsten Tagen mehr Klarheit haben werde. Derzeit herrsche eine generelle Unterbesetzung bei den Gerichten, was sich auch auf die Prozessdauer auswirke. In Südtirol sei die Unterbesetzung am gravierendsten, mit 50 Prozent der Planstellen. Daher werde man mit dem Staat hart um die Anerkennung der Kosten verhandeln, die mindestens dem staatlichen Durchschnitt entsprechen sollten. Wenn man es schaffen könnte, die Prozessdauer von 2,5 auf ein Jahr zu reduzieren, sei man auch bereit, mehr Personal dafür einzustellen.
Giacomo Bezzi (LN-FI) zeigte sich mit einer Vertagung einverstanden. Er hoffe, dass man bei den Verhandlungen auch an die Fortbildung des Personals denke. Damit (und nach Vertagung von Punkt 1 und 3) war die heutige Tagesordnung erschöpft. Der Regionalrat tritt im Juni wieder zusammen.