Von: mk
Bozen/Trient – Zu Beginn der Arbeiten lehnte das Plenum im Regionalrat einen Antrag der Fünf-Sterne-Bewegung ab, einen Gegenvorschlag zum Verfassungsgesetzentwurf des K-Abg. Alfreider zur Ladinerfrage auf die Tagesordnung zu setzen.
Beschlussantrag Nr. 41, eingebracht Regionalratsabgeordneten Civettini, Borga, Fasanelli und Viola, auf dass der Regionalausschuss jeglichen Druck auf die Regierung ausüben möge, damit das Urteil des Verfassungsgerichtshofes Nr. 70/2015 voll und ganz zur Anwendung kommt und demnach den Rentnern die Aussetzung des Inflationsausgleichs zurückgezahlt und die Renten entsprechend angepasst werden. Mit dem Antrag wolle man die Regionalregierung auffordern, in diesem Sinne Druck auf Rom zu machen, erklärte Claudio Civettini (Amministrare e Civica Trentina). Die Regierung habe das Verfassungsgerichtsurteil umgangen und den Rentnern nur einen kleinen Teil der geschuldeten Beträge zuerkannt. Ugo Rossi, Vizepräsident der Region, erklärte sich mit dem Ansinnen einverstanden. Die Regionalregierung sei bereits in diesem Sinne tätig und nehme diese Unterstützung durch den Regionalrat gerne an. Der Antrag wurde mit 44 Ja bei einer Enthaltung genehmigt.
Beschlussantrag Nr. 46, eingebracht Regionalratsabgeordneten Leitner, Blaas, Mair, Tinkhauser, Stocker S. und Oberhofer, mit dem die Regionalregierung verpflichtet werden soll innerhalb der laufenden Legislaturperiode die Zuständigkeiten auf dem Sachgebiet der Wahl der Gemeindeorgane, auf dem Sachgebiet der Ordnung des Personals der Gemeinden und der Gemeindeordnung sowie auf dem Sachgebiet der im Artikel 7 des Sonderstatuts vorgesehenen Volksbefragung auf die autonomen Provinzen Trient und Bozen zu übertragen. “Des Öfteren hat die Freiheitliche Regionalratsfraktion die Abtretung der Zuständigkeit der Wahlordnung der Gemeinderäte an die Provinzen Bozen und Trient gefordert”, erklärte Pius Leitner (Freiheitliche). Dies würde den unterschiedlichen Realitäten der beiden Provinzen zugutekommen. Ein Wahlgesetz mit unterschiedlichen Bestimmungen für die zwei Provinzen sei absurd.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) unterstützte den Antrag. Man solle mit den Trentinern zusammenarbeiten, wo es Sinn mache, aber hier sei eine Trennung sinnvoll. Es gebe gute Gründe für eine Aufteilung der Zuständigkeiten, meinte Hans Heiss (Grüne), aber es gebe auch viele Gemeinsamkeiten in der Gemeindeordnung, die man nicht verwerfen sollte. Ein solcher Schritt müsste wohlüberlegt sein und nicht über einen Beschlussantrag erfolgen. Der beste Ort, um darüber zu diskutieren, sei der Autonomiekonvent.
Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina) hielt den Antrag für nicht zulässig. Die Änderung der Kompetenzen könne nur über eine Reform des Statuts erfolgen. Marino Simoni (Progetto Trentino) schloss sich dieser Meinung an. Er sei aber auch inhaltlich dagegen. Die Differenzierung der Gemeindeordnung nach Provinzen sei bereits möglich, alles Weitere müsse in einem breit angelegten Reformprozess angegangen werden.
Vizepräsident Ugo Rossi bezeichnete den Antrag als nicht umsetzbar. Südtirol und das Trentino würden bereits an einer Reform des Statuts arbeiten. Diese oder ein entsprechender Verfassungsgesetzentwurf seien die Voraussetzung, das Vorhaben umzusetzen.
Der Regionalrat könne sicher nicht das Statut ändern, räumte Pius Leitner ein, aber von irgendwo müsse die Initiative ja ausgehen. Die Freiheitlichen seien für die Abschaffung der Region, aber solange der Regionalrat bestehe, müsse man auch diese Schiene nutzen, um die Dinge zu ändern. Der Antrag wurde mit zehn Ja und 35 Nein abgelehnt.
Beschlussfassungsvorschlag Nr. 46: Zurückweisung der Anträge auf Volksbegehren für den Zusammenschluss der Gemeinden Mazzin-Mazin und Soraga-Soraga mit den Gemeinden Pozza di Fassa-Poza und Vigo di Fassa-Vich aufgrund des negativen Ergebnisses der in den ersten zwei Gemeinden am 20. November 2016 durchgeführten Volksbefragung (Artikel 32 des Regionalgesetzes vom 7. November 1950, Nr. 16 mit seinen späteren Änderungen) (eingebracht auf Vorschlag der Regionalregierung). Der Vorschlag der Regionalregierung wurde mit 33 Ja und neun Enthaltungen angenommen.
Beschlussantrag Nr. 36, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Urzì, Giovanazzi und Borga, mit dem der Regionalausschuss verpflichtet werden soll, Maßnahmen zum Schutz, für die Entwicklung und die Förderung der Familie und der individuellen Identität zu ergreifen. “Damit die Würde und die zentrale Rolle der Familie, ihre Fortpflanzungs- und Erziehungsfunktion geschützt und gewürdigt werden und ihre Förderung, die Gleichheit von Mann und Frau, die Identität des Individuums, hauptsächlich wenn es sich um Minderjährige handelt, gewährleistet werden, da auf diese Weise eine höhere Lebensqualität und ein besseres und ausgewogeneres Sozialklima geschaffen werden”, erklärte Alessandro Urzì (gemischte Fraktion). Die natürliche Familie, wie sie auch in der Verfassung genannt werde, sei der Kern unserer Gesellschaft und müsse bei allem gesellschaftlichen Wandel im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.
Rodolfo Borga (ACT) unterstützte den Antrag. Es gebe heute andere Formen des Zusammenlebens, aber das sei nicht Familie. Vor zehn, zwanzig Jahren sei das noch klar gewesen, und vor allem die Bevölkerung auf dem Land sehe das noch immer so. Die neuen Entwicklungen gingen vor allem zu Lasten der Kinder, und die Eltern sollten das Recht haben, ihre Kinder von Schulinitiativen, die ein anderes Familienbild vermittelten, befreien zu lassen.
Hans Heiss (Grüne) wies darauf hin, dass dieselbe Debatte bereits mehrfach im Landtag geführt wurde. Die traditionelle Familie bilde weiterhin einen breiten Kern unseres Gesellschaftsverständnisses, daher könne er die Alarmstimmung nicht verstehen. Aber in einer pluralistischen Gesellschaft müsse man auch anerkennen, dass es auch andere Formen von Familie gebe. Wenn man weiter zurückblicke, seien sog. atypische Familien durchaus Realität, das heutige Familienbild entstamme mehr den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Der heutige Pluralismus unterminiere nicht die klassische Familie, es sei eher der wirtschaftliche Druck.
Andreas Pöder (BürgerUnion-Team Autonomie) stellte sich hinter den Antrag und kritisierte, dass die heutige Familienpolitik vor allem für ein Prozent der Bevölkerung gemacht werde. Mit der Gender-Idiotie rette man keine traditionelle Familie. Andere Formen würden natürlich anerkannt, aber die derzeitige Familienpolitik höhle die klassische Familie mit ihrem Antidiskriminierungswahn ideologisch aus.
Pius Leitner (Freiheitliche) zitierte einen Philosophen, laut dem Familie überall dort sei, wo mehr als eine Person sei. Die heutige Familienpolitik sei eine Zerstörung der Familie. Die Linke protestiere bereits, wenn man von “natürlicher Familie” rede. Unsere Gesellschaft habe zu wenig Kinder, es müsse das Umfeld geschaffen werden, um die Bereitschaft dazu zu erhöhen. Das Steuerrecht und andere Bestimmungen machten eine Ehe oft unvorteilhaft, man denke an Kosten, Freiheitsverlust und andere negativen Merkmale.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kritisierte, dass man Scheindiskussionen über den Begriff der Familie führe, anstatt konkrete Maßnahmen zugunsten der Familien vorzusehen. Familie könne man nicht auf die Fortpflanzung reduzieren, und Witwen und Waisen hätten sich nicht frei für eine atypische Familie entschieden. Man dürfe auch nicht davon ausgehen, dass eine Gesellschaft immer wachsen müsse. Die Familien, die es gebe, seien zu schützen und zu fördern, aber nicht mit Scheindiskussionen darüber, wie eine Familie zu sein habe.
Claudio Civettini (Lega Nord) fragte Knoll, ob er mit der Perspektive einverstanden wäre, wenn die Tiroler langsam aussterben würden. Europa stehe unter Migrationsdruck, und ohne eigenen Nachwuchs würde sich die Zusammensetzung der Bevölkerung rasch ändern. Bereits die Natur mache bestimmte Vorgaben für den Begriff von Familie.
Maurizio Fugatti (Lega Nord) bezeichnete den Antrag als natürlich, er sollte eigentlich nicht Anlass zu Polemik geben. Claudio Cia (Lega Nord) sah die Familie in einer Gemeinschaft von Mann und Frau. Aber solche einfachen Feststellungen würden heute als diskriminierend abgestempelt.
Walter Kaswalder (PATT) zitierte das Statut seiner Partei, das den wert der traditionellen Familie betone. Er sei zwar aus der Partei ausgeschlossen worden, bleibe diesem Prinzip aber treu.
Das Thema habe auch für die Regionalregierung große Bedeutung, erklärte Ass. Violetta Plotegher. Jeder möchte eine Umgebung mit vertrauten Personen, die gegenseitige Unterstützung und Gefühle biete. Man sehe die Entwicklung nicht ohne Sorgen, aber es gebe heute verschiedenste Formen von Familie, auch wenn Mutterschaft und Vaterschaft von der Natur vorgegeben seien. Die Familie, in welcher Form auch immer, nehme Funktionen wahr, die man mit der Familienpolitik unterstützen wolle: Nachwuchs, Erziehung, Altenpflege u.a. Die Regionalregierung nehme diese Pflicht wahr, direkt oder indirekt über die beiden Länder. Daher könne man den Antrag nicht annehmen.
Alessandro Urzì begrüßte Ploteghers Äußerungen, sie stimmten aber leider nicht mit der Ausrichtung der politischen Mehrheit überein. Der Relativismus gefährde die klassische Familie und damit den Kern unserer Gesellschaft. Der Regionalrat müsse hier ein Zeichen setzen. Der Antrag wurde mit 19 Ja, 30 Nein bei 4 Enthaltungen abgelehnt.
Damit, und nachdem einige Anträge auf Bitte ihrer Einbringer vertagt wurden, war die vom Fraktionssprecherkollegium vereinbarte Tagesordnung erschöpft. Der Regionalrat tritt am 15. Februar wieder zusammen.