Von: mk
Bozen/Trient – Am Nachmittag ist im Regionalrat die Generaldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 11: Neufestsetzung der Leibrenten und übertragbaren Leibrenten aufgrund des beitragsbezogenen Berechnungssystems (eingebracht von den Präsidiumsmitglieder Paccher, Noggler, Guglielmi und Savoi) wieder aufgenommen worden.
Giorgio Tonini (PD) wies darauf hin, dass zwei Drittel der Staatsschulden auf Versäumnisse und Fehler im Rentensystem zurückzuführen sind. Man habe Ausnahmeregelung für fast alle geschaffen, auch für die Politiker. Die Schuld der Politik liege darin, diesem allgemeinen Wunsch nach Privilegien entsprochen zu haben. Die Reform der Leibrenten habe ihren Ursprung in der Reform der Ministerin Fornero, die das beitragsbezogene System für alle eingeführt habe. Die Politiker hätten selbst ihr Rentensystem bestimmen können, aber sie seien nicht die einzigen gewesen. Anders als bei den anderen werde bei den Politikern – übrigens auf Initiative des PD – nun mit der neuen Berechnungsmethode auch zurückgerechnet, das beitragsbezogene System also auch auf die Jahre vor der Fornero-Reform angewandt. Man stelle sich vor, wenn man das bei allen Bürgern getan hätte. Diese Region habe sich gegenüber dem Staat und den anderen Regionen verpflichtet, das neue System zu übernehmen, und dieser Pakt sei einzuhalten. Tonini wies darauf hin, dass die von der SVP vorgeschlagenen Änderungen weniger Einschnitte brächten als der ursprüngliche Gesetzentwurf, aber diese Änderungen entsprächen voll dem, was in der Staat-Regionen-Konferenz ausgemacht worden sei. Tonini sprach sich außerdem für eine gemeinsame Regelung der Leibrenten auf regionaler Ebene aus.
Walter Kaswalder (Autonomisti Popolari – Fassa) schloss sich den Ausführungen Toninis an. Er wies darauf hin, dass es auch in der Politik Härtefälle gebe, Politiker der 70-er Jahre bzw. ihre Hinterbliebenen, die harte Einbußen zu befürchten hätten.
Gerhard Lanz (SVP) wies darauf hin, dass die Region nicht unbedingt den Vorgaben der Staat-Regionen-Konferenz folgen müsste. Aber mit diesem Gesetzentwurf habe man eine Regelung, mit der man leben könne. Die SVP habe letztlich zugestimmt, das Ergebnis der Staat-Regionen-Konferenz zu übernehmen, und mit ihren Änderungsvorschlägen wolle sie genau das erreichen. Das Ziel seien Einsparungen, nicht die Bestrafung einzelner Personen.
Filippo Degasperi (Movimento 5 Stelle) erinnerte daran, dass die Gesamtsumme der Ausgaben nach der Reform von 2012 96 Mio. Euro betragen habe. Die großzügigen Abgeltungen seien erst nach einer Anfrage seiner Fraktion ans Licht gekommen. Zwei Jahre lang habe niemand etwas gesagt, und das habe das Vertrauen in die Politik untergraben, nicht das, was andere als Populismus bezeichneten. Als seine Fraktion 2014 das beitragsbezogene System vorgeschlagen habe, sei das als verfassungswidrig hingestellt worden. Heute führe man genau dieses System ein. 2014 habe man Einsparungen von 50 Prozent versprochen, aber das sei nicht geschehen. Zumindest die Kumulierungsgrenze von 9.000 Euro sei positiv gewesen, aber diese solle anscheinend wieder verschwinden. Unsere Region hätte die erste sein können, nun sei sie die letzte, die die Reform umsetze. Degasperi kritisierte Paccher, da er lange Zeit die Auskunft zu den Gesamtausgaben verweigert habe. Er werde gegen den Gesetzentwurf stimmen, nicht weil er gegen Einsparungen sei, sondern weil er das Grundübel der Abgeltungen von 2012 nicht behebe.
Alessandro Savoi (Lega) bezeichnete die Reform von 2012 als Fehler, der aber im guten Glauben gemacht worden sei, bei nur 3 Enthaltungen. Man habe damals auch das Tagesgeld abgeschafft, 3.126 Euro im Monat. Das Gesetz sei nicht ideal gewesen, aber man habe erst jetzt, nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom Frühjahr, Handlungsfähigkeit. Diese Region sei nicht die letzte, wie Degasperi behaupte, sie habe als erste die Leibrenten für die Neuen abgeschafft. Heute gehe es um jene, die bis in die neunziger Jahre in der Politik waren. Es sei ein gutes Gesetz, das heute zur Debatte stehe, und es werde im Rahmen unserer Autonomie beschlossen.
Alex Marini (Movimento 5 Stelle) bezeichnete das alte Renten- und Diätensystem als soziale Ungerechtigkeit. Falls die Mehrheit Diäten und Renten an die beiden Provinzen auslagern wolle, sollte sie auf den Interessenkonflikt achten. In der Schweiz habe das Volk über die Abgeordnetendiäten entschieden, und auch hier sollte man vermeiden, dass die Betroffenen selber entscheiden. Wichtig sei auch die Transparenz. Marini kritisierte das Präsidium, das regelmäßig die Auskunft über die Beträge verweigert habe, obwohl die Datenschutzbehörde keine Einwände dagegen habe.
Was einzelne Altmandatare bekämen, sei für eine Gesamtregelung der Leibrenten nicht wesentlich, antwortete Präsident Roberto Paccher. Auf Anfragen habe man immer geantwortet, aber auf Geheiß der Datenschutzbehörde habe man auf die Veröffentlichung im Internet verzichtet. Man habe mit der Reform bis zum 1. Dezember Zeit, es gehe nicht darum, welche Region zuerst komme. Die heute vorgelegte Tabelle habe man erst erstellen können, als die Gesetzgebungskommission ihre Arbeiten beendet habe. Die Änderungen, die dabei eingefügt wurden, hielten sich übrigens exakt an die Vorgaben der Staat-Regionen-Konferenz. Man erreiche Einsparungen von 2,5 Mio. Euro, und kein Leibrentenbezieher könne nach dieser Reform mehr bekommen als bisher. Mit den Einsparungen sei man italienweit an zweiter Stelle, im Verhältnis wie bei den absoluten Zahlen.
Filippo Degasperi (Movimento 5 Stelle) forderte mit einer Tagesordnung die Veröffentlichung der Position eines jeden von der Abzinsung betroffenen Abgeordneten in einer entsprechenden Sektion auf der Webseite des Regionalrates Trentino-Südtirol.
Gerhard Lanz (SVP) wies darauf hin, dass laut Gesetz die Kosten für die Leibrenten veröffentlicht werden müssten. Weitere Details brauche es nicht.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) sprach sich hingegen für die Tagesordnung aus. Transparenz sei immer nützlich, Geheimniskrämerei rufe die Medien auf den Plan.
Paul Köllensperger (Team K) sah Geheimniskrämerei als das Schlimmste, sie führe zu Gerüchten und Spekulationen. Jeder Abgeordnete müsse bereits Einkommen und Vermögen erklären.
Präs. Pacher kündigte an, dass die geforderten Daten in den nächsten Tagen veröffentlicht würde, als Antwort auf eine Anfrage von Köllensperger.
Die Tagesordnung wurde mit 18 JA, 38 Nein und 5 Enthaltungen abgelehnt.
Der Übergang zur Artikeldebatte wurde mit 45 Ja und 15 Enthaltungen genehmigt.
Art. 1 definiert Gegenstand und Anwendungsbereich.
Hierzu legte Josef Noggler einen Änderungsantrag vor, um die Bestimmung an die Vorgaben der Staat-Regionen-Konferenz anzugleichen und eventuellen Problemen bei der Umsetzung zuvorzukommen, wie er erklärte. Er betonte, dass man nicht von Vorauszahlungen sprechen könne, wie Degasperi es tue, es seien Aktualisierungen. Der Änderungsantrag wurde mit 45 JA, einem Nein und 13 Enthaltungen angenommen.
Art. 1-bis betrifft die Angleichung der Altersvoraussetzungen.
Paul Köllensperger forderte eine Regelung zur Kumulierbarkeit und die Streichung dieses Artikels. Für den Antrag sprachen sich auch Riccardo Dello Sbarba und Paolo Ghezzi aus. Giorgio Tonini wandte sich dagegen, im Übergang zum beitragsbezogenen System Beschränkungen für das lohnbezogene einzufügen. Der Änderungsantrag Köllenspergers wurde abgelehnt, ebenso eine Reihe von Streichungsanträgen.
Art. 1-ter wurde ohne Änderungen genehmigt. Abgelehnt wurde auch ein Antrag Degasperis gegen die automatische Inflationsanpassung der Diäten.
Art. 2 betrifft die Neufestsetzung und wurde ohne Änderungen genehmigt.
Art. 3 legt Mindest- und Höchstausmaß der neu festgelegten Leibrente fest. Sämtliche Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Art. 4 betrifft das Ausmaß der Beiträge.
Zwei Anträge der Mehrheit sahen vor, dass zur Berechnung des Anteils, der von der Region eingezahlt wird, nicht die freiwilligen Beiträge herangezogen werden, und dass zur Erhöhung des Beitragsausmaßes die von der Region seinerzeit zurückbezahlten Beiträge wieder in den Haushalt der Region eingezahlt werden können. Alex Marini und Riccardo Dello Sbarba kritisierten die Maßnahme, die Mehrausgaben bedeute. Dem widersprach Präsident Paccher: Die Maßnahme entspreche dem, was in der Kommission ausgemacht wurde, ohne dass es zu Mehrausgaben komme. Die beiden Anträge wurden angenommen.
Art. 5 betrifft die Ausgabengrenzen und wurde ohne Änderungen genehmigt.
Art. 6 enthält eine Koordinierungsbestimmung und wurde ohne Änderungen genehmigt.
Art. 7 enthält die Finanzbestimmung.
Riccardo Dello Sbarba unterstützte einen Antrag von Alex Marini zur Veröffentlichung der Rentenbeträge auf der Webseite des Regionalrats. Auch Präsident Roberto Paccher unterstützte das Anliegen, bat jedoch um eine Präzisierung, die anschließend gemeinsam mit dem Einbringer vorgenommen wurde: Die jährlich ausbezahlten Renten sollen ab nun auf der Transparenzseite des Webauftritts veröffentlicht werden. Filippo Degasperi freute sich über die Zustimmung Pacchers, wunderte sich jedoch über seine bisher ablehnende Haltung. Gerhard Lanz stimmte dem so geänderten Antrag zu, der mit breiter Mehrheit angenommen wurde.
Art. 8 bestimmt das Inkrafttreten des Gesetzes und die Wirksamkeit der Reform (ab 1. Dez. 2019) und wurde ohne Debatte genehmigt.
Mit einem letzten Änderungsantrag wurde noch ein Fehler im Text der Tabelle zwei im Anhang berichtigt.
Der Gesetzentwurf wurde schließlich mit 43 Ja, sieben Nein und sieben Enthaltungen genehmigt.
Präsident Paccher dankte schließlich allen für die konstruktive Mitarbeit am Gesetz und schloss die Sitzung um 19.00 Uhr.
Der Regionalrat tritt am 9. Dezember wieder zusammen.