Von: mk
Bozen – Die Freiheitlichen kritisierten am Dienstag auf einer Pressekonferenz die geplante Sanitätsreform des Landes. Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf sei zentralistisch und zum Nachteil der peripheren Bezirke ausgerichtet. Künftig soll es nur mehr ein Landeskrankenhaus und drei Bezirkskrankenhäuser mit deren weiteren Standorten geben. Dies sei eine klare Kampfangsage gegen die kapillare Struktur der bestehenden Gesundheitsversorgung im Land. Die Errungenschaften, welche über Jahrzehnte aufgebaut wurden, würden mit einem Schlag massiv rückgebaut und dies geschehe auf Kosten der Bürger, erklären die Freiheitlichen.
„Bevor auf die Details eingegangen werden kann, müssen zunächst einige formaltechnische Aspekte des Gesetzesentwurfes betrachtet werden. Der Landesgesetzentwurf Nr. 119/17 mit der Betitelung ‚Organisationsstruktur des Landesgesundheitsdienstes‘ wurde von der Landesregierung in Form der zuständigen Landesrätin Dr. Martha Stocker am 7. Februar 2017 vorgelegt. Der Entwurf umfasst 44 Artikel von teilweise beträchtlicher Länge und eines unübersichtlichen Umfangs. Ein derartiges Konstrukt wird zur Interpretationsfalle und erweist sich im Zweifel als wenig aufschlussreich“, so die Freiheitlichen.
Während der bereits vorliegende Gesetzesentwurf den Verbänden, den Gemeinden, den Bezirken den Gewerkschaften und dem SVP-Parteiausschuss präsentiert wurde, sei das Dokument dem zuständigen IV. Gesetzgebungsausschuss erst wenige Tage vor dem Sitzungsbeginn übermittelt worden. Dies spiegle sowohl die Geringschätzung der Landesregierung gegenüber dem Gesetzgebungsausschuss als auch den unverantwortlichen Umgang mit der Regierungsgewalt, erklären die Freiheitlichen. Als „absolut anmaßend und demokratiepolitisch bedenklich“ sei ein derartiger Vorgang zu bewerten. Zu bedenken gelte laut den Freiheitlichen auch, dass selbst im SVP-Parteiausschuss zunächst der Gesetzesentwurf abgelehnt worden sei und erst durch die Nachbesserung der Landesrätin die Zustimmung erhalten habe. „Anzumerken ist auch, dass dank der Oppositionsvertreter im Gesetzgebungsausschuss ein nicht termingerechter Sitzungstag eingeschoben werden konnte. Erwähnenswert ist auch, dass in den vorher genannten Gesprächen stets Fachkräfte anwesend waren und entsprechende Erläuterungen liefern konnten. Allen, außer dem zuständigen IV. Gesetzgebungsausschuss, stand die Möglichkeit offen, Fragen an die Interessensverbände und das Fachpersonal zu stellen. Die Abgeordneten der politischen Minderheit, Riccardo Dello Sbarba, Walter Blaas und Andreas Pöder hätten angesichts der Tragweite der zu behandelnden Materie eine entsprechende Anhörung der Interessensverbände, sowie des Generaldirektors verlangt. Landesrätin Martha Stocker habe diese abgelehnt mit dem Hinweis, dass bereits genug gesprochen worden sei. „Diese Stellungnahme entbehrt jeglichen weiteren Kommentars“, so die Freiheitlichen.
Alle Bürger seien von einem gut funktionierenden Gesundheitsdienst betroffen, von der Geburt, Vorsorge, Betreuung, Eingriffe, Pflege bis hin zum Tod. Außerdem seien in der Sanität in Südtirol weit über 9.000 Personen beschäftigt. Die Sanität verschlingt jährlich ein Drittel des Landeshaushaltes und sei schon aus diesem Grund von großer Bedeutung.
Folgende Mängel und Schwächen weist der Gesetzesentwurf laut den Freiheitichen auf: „Die starke Rolle des Generaldirektors hat großen Einfluss auf die Personalentscheidungen und die Betriebsordnung. Die Rolle der Interessensverbände (Gewerkschaften etc.) wurde stark eingegrenzt. Man spricht zukünftig beim Erlass der Betriebsordnung des Generaldirektors nur mehr von einer Anhörung. Mitsprache ist künftig nicht mehr möglich! Selbiges gilt auch beim Erlass des Reglements zur Bewertung des Personals, was eventueller Ungleichbehandlung und Willkür Möglichkeiten eröffnet. Da von einer solchen Bewertung auch das Prämiensystem abhängt, sind Konflikte vorprogrammiert. Auch die Festlegung des betrieblichen Personalbestandes und die Unterzeichnung der Zusatzkollektivverträge auf Betriebsebene liegen in der alleinigen Hand des Generaldirektors. Andererseits kann der Generaldirektor doch beachtliche Zuständigkeiten an einzelne Mitglieder der Betriebsdirektion sowie an Führungskräfte des Sanitätsbetriebes delegieren, sowie Vertretungen delegieren und Bewertungen vornehmen oder delegieren, ganz nach eigenem Ermessensspielraum. Als Organe des Sanitätsbetriebes werden lediglich der Generaldirektor und das Rechnungsprüferkollegium genannt, das erscheint mir zu wenig, während selbst die Betriebsdirektion darin nicht aufscheint. Unterschiedlich behandelt werden gewisse Führungsstrukturen bei negativer Bewertung. Einerseits Kann-Bestimmungen und andererseits unmittelbarer Widerruf des Auftrages. Dieser Absatz gleicht eher einer Tatsachentscheidung eines Schiedsrichters beim Fußball als einer klaren Regelung zur Materie. Bedenklich ist auch die wirtschaftliche Behandlung der verschiedenen Führungskräfte im Sanitätsbetrieb. Im Konkreten ist es möglich, dass ein Sanitätsdirektor 90 Prozent der Grundentlohnung des Generaldirektors erhält und um weitere 15 Prozent erhöht werden kann. Somit wären untergeordneten Positionen plötzlich mit maximal 103,5 Prozent höher gestellt im Vergleich zum Generaldirektor. Künftig soll es nur mehr ein Landeskrankenhaus geben mit drei Bezirkskrankenhäusern und deren ‚weiteren Standorten‘.“
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt sei laut den Freiheitlichen am Dienst für Hygiene anzubringen. Aktuell gibt es in allen vier Gesundheitsbezirken (Bozen, Meran, Brixen und Bruneck) einen Dienst für Hygiene und öffentliche Gesundheit, welche mit der Überwachung der Lebensmittelsicherheit nicht tierischer Ursprungs beauftragt sind. Parallel dazu besteht der betriebsweite Tierärztliche Dienst, mit Außenstellen in allen vier Gesundheitsbezirken, welcher sich mit der Überwachung der Lebensmittel ausschließlich tierischen Ursprung befasst. Dies führe laut den Freiheitlichen unweigerlich zu Überschneidungen der Kompetenzbereiche, da die Mehrzahl der Lebensmittelbetriebe im Land sowohl pflanzliche, als auch tierische Lebensmittel verarbeiten, vertreiben oder verabreichen.
Unweigerlich sind in all diesen Betrieben Doppelkontrollen an der Tagesordnung. Auch die Auflagen und Auskünfte seitens der Behörden an die Betriebe sind zwischen den Diensten schwerlich abzustimmen, so dass für die kleinstrukturierten Betriebe auch eine große Rechtsunsicherheit besteht.
Vermutlich angesichts der Belastungen, welche durch Mehrfachkontrollen für die Betriebe in der Vergangenheit entstanden sind und aufgrund von Beschwerden, hat die Landesregierung mit Beschluss Nr. 1547 vom 22.12.2015 Folgendes verfügt:
„Die Dienste für Hygiene und öffentliche Gesundheit des Sanitätsbetriebes und den Betrieblichen Tierärztlichen Dienst zu beauftragen, die gemeinsame Durchführung der Inspektionen bei Lebensmittelunternehmen zu programmieren, falls es sich um Tätigkeiten handelt, welche Produkte sowohl tierischer als auch nicht tierischer Herkunft umfassen.“
Die gemeinsamen Inspektionen seien aufgrund der unterschiedlichen Personalausstattung der Dienste und der unterschiedlichen Anzahl der zu kontrollierenden Betriebe in der Praxis meist nicht durchführbar und würden aufgrund des zusätzlichen Organisationsaufwandes die Effizienz behindern.
„Hinzu kommt, dass auch die Bürger und Konsumenten Schwierigkeiten haben sich zu orientieren, wenn sie irgendwelche Probleme hygienischer oder gesundheitlicher Natur mit Lebensmitteln haben“, hieß es auf der Pressekonferenz.
Laut den Freiheitlichen steht nun eine Reform des Sanitätsbetriebes an, welche die Chance bieten würde, dieses überaus komplizierte Gebilde zu vereinfachen. „Die käme allen zu Gute: den Lebensmittelbetrieben, den Verbrauchern und den Diensten selbst durch die Effizienzsteigerung. Zudem würde durch die Zusammenlegung zweier Dienste eine erhebliche Kosteneinsparung ermöglich.“ Der Gesetzesvorschlag sehe zwar eine Reduzierung der Hygienedienste vor: Aus den vier Hygienediensten sollen zwei betriebsweite Dienste entstehen, einmal „Hygiene und öffentliche Gesundheit“ und einmal „Hygiene und Sicherheit bei Lebensmitteln nicht tierischer Herkunft und bei der Ernährung“. Der Dienst für „Hygiene und Sicherheit bei Lebensmitteln tierischer Herkunft“ soll weiterhin parallel dazu bestehen bleiben.
Eine Verschlankung der Verwaltungsorgane werde damit nicht erreicht. Es werde weiterhin Doppelkontrollen geben, Unsicherheiten für Betriebe und Bürger würden bestehen bleiben, so der Tenor auf der Pressekonferenz.
Das Fazit der Freiheitlichen lautet: „Die Thematik der Sanitätsreform ist weitreichend und ernst. Niemand, der sich nur ansatzweise mit den Inhalten auseinandergesetzt hat, kann davon ausgehen dass die Materie innerhalb weniger Stunden behandelt werden kann. Es geht um nichts weniger als um die künftige Gesundheitsversorgung unseres Landes. Jeder und jede sind davon ausnahmslos betroffen. Wer hierbei verlangt oberflächlich zu sein und nicht die nötige Zeit investiert, handelt verantwortungslos. Sollte dieses Gesetz in der vorgelegten Form genehmigt werden, so würde dies zu einem massiven Abbau von Gesundheitsdiensten vor Ort führen. Südtirol hätte mit extremen Einschnitten im Gesundheitswesen in der Peripherie zu kämpfen und mit Einbußen in der Lebensqualität. Aus diesen Gründen und im Sinne der Bürger unseres Landes ist es notwendig Südtirol vor einer gesundheitspolitischen Katastrophe zu bewahren.“