Von: mk
Gais – Schaffen wir das? Auf die Frage, ob die Migrationskrise in der heutigen Zeit in Südtirol bewältigt werden könne, wurde bei einer Podiumsdiskussion in Gais versucht Antwort zu finden. Im voll besetzten Pfarrsaal von Gais diskutierten namhafte Persönlichkeiten mit der Bevölkerung über das Thema. Geladen hatte die Schützenkompanie Gais in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Schützenbund, welcher durch Erich Mayr, Hauptmann in Pfunders, am Podium vertreten wurden.
Mayr unterscheidet zwischen schutzbedürftigen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten. Auch gab er zu bedenken, dass sich die Zuwanderer in die italienische Sprachgruppe integrieren und dadurch das Sprachgruppenverhältnis verschoben werde. Er wies darauf hin, dass Kriegsflüchtlingen geholfen werden müsse. Jedoch nur ein kleiner Bruchteil der Zugewanderten bekomme einen positiven Asylbescheid. Also laufe etwas schief.
Landesrätin Martha Stocker nutzte die Gelegenheit, über die aktuelle Situation in Südtirol aufzuklären, und fügte an, Südtirol solle die angekommenen Flüchtlinge gut integrieren, um das Problem nicht auf die nächsten Generationen zu verschieben.
Pro und Contra
Für Brigitte Foppa von den Grünen sind auch die Zuwanderer, die aus Armutsgründen flüchten, eine Bereicherung für Südtirol. Sie war der Meinung, dass „wir es schaffen können“. Für sie sei kein Mensch illegal.
„In der Zuwanderungsfrage hat Südtirol fast keine Kompetenzen. Italien ist ein Schurkenstaat, weil Personen an den Küsten in Libyen geholt werden, die ihre Identitäten verschleiern“, so Ulli Mair von den Freiheitlichen. Das habe nichts mit humanitärer Hilfe zu tun. Nicht jeder sollte aufgenommen werden. Asyl sei Schutz auf Zeit und eine Abschiebekultur sei anzustreben.
Ein positives Bild von einem integrierten Zuwanderer aus Mazedonien konnten sich die Zuhörer von Zvonko Jovcevski, einem selbständigen Gastwirt vom Ritten machen. Wichtig sei für ihn bei der Ankunft das Erlernen der deutschen Sprache. Die Rittner hätten ihn sehr freundlich aufgenommen, die Südtiroler seien sehr offen und er fühle sich jetzt als ein Teil von Südtirol, so Jovcevski.
„Durch die Mobilität hat auch die Zuwanderung extrem zugenommen. Südtirol hängt hier von Italien ab, das eine sehr nachlässige Planung mit den Zuwanderern hat“, so Leonhard Voltmer von der Caritas, der weiter ausführte: „Die Caritas plant lokal die Verteilung der Zuwanderer und schaut, dass Migration gut funktioniert.“
Traditionen und Kultur sollen respektiert werden
Erich Mayr fügte an, dass Armut kein Fluchtgrund sei. Südtirol sei ethnopolitisch ein sehr sensibles Gebiet. Der Ausländeranteil sei hier mit fast neun Prozent höher als in Europa und Italien. Auch kritisierte er, dass aufgrund falsch verstandener Toleranz auf Martinsumzüge verzichtet werde. Unsere Traditionen und unsere Kultur seien zu respektieren.
Martha Stocker sieht auch ein ethnopolitisches Problem, sie merkte aber an, dass auch die Südtiroler Landesregierung bestrebt sei, Kinder von Zuwanderern in die deutsche Schule aufzunehmen. Zuwanderer brauche es im Tourismus, in der Wirtschaft und in der Pflege älterer Menschen. Diese sollten von den Asylwerbern unterschieden werden.
Kontrovers diskutierten Ulli Mair und Brigitte Foppa über die Arbeitswilligkeit der Armutsmigranten aus Afrika. Laut einer Landtagsanfrage würden nur 110 Personen von den 1700 in Südtirol anwesenden Asylanten einer freiwilligen Arbeit nachgehen. Laut Foppa hingegen würden vom Asylantenheim in Mals 90 Prozent einer geregelten Arbeit nachgehen.
Zvonko Jovcevski merkte an, dass in Südtirol nicht zwischen Inländern und Ausländern unterschieden werde. Alle würden gleich behandelt. Er fordere jedoch Korrektheit ein. Zu Ausländern, die das Sozialsystem ausnützen würden, sage er ganz klar: „Geh nach Hause, um den Schlaumeier zu spielen!“
Zuhörer kommen ausführlich zu Wort
Dann kamen einige der 250 Zuhörer zu Wort. Hier war die Stimmung klar, dass es Südtirol nicht schaffen könne, wenn es so weitergehe. Es wurden viele Stellungnahmen abgegeben und Fragen aufgeworfen. So werde derzeit immer nur von Angst gesprochen. Was aber, wenn die Angst Wirklichkeit werde und die Sitten und Gebräuche nicht mehr aufrechterhalten werden könnten? Hier forderte Stocker, die Werte überzeugt zu leben und auch einzufordern. Ulli Mair fügte hier an, dass die Landesregierung es unterstützen könnte, dass der Martinsumzug in den Kindergärten und Schulen durchgeführt und auch so benannt werden sollte. An den Bräuchen und Traditionen solle nicht gerüttelt werden, so Mair.
Foppa meinte, dass Toleranz etwas Schönes sei. Sie sei als nichtgläubiger Mensch eine Liebhaberin der Martinsprozession. Ihr würde es leid tun, wenn dieser verschwinden würde. Der Landesrat habe aber nicht die Aufgabe, das vorzuschreiben. Auch die Kreuzdiskussion fand Einzug in die Diskussion. In der Kreuzdebatte habe Foppa selbst „ein schweres Kreuz tragen müssen“. In einem Staat mit Religionsfreiheit solle jeder seine Religion leben können. Über Symbole im öffentlichen Raum müsse irgendwann geredet werden. „Traditionen müssen anders angeschaut werden, wenn neue Menschen in unser Land kommen würden“, ist Foppa überzeugt.
Bürger besorgt über steigende Kriminalität
Eine Teilnehmerin brachte die steigende Kriminalität durch Migranten zur Sprache. Welche Lösungen gebe es für die vielen Einbrüche, Gewalt und Kriminalität, stellte sie die Frage. Martha Stocker gab den Medien die Schuld, dass Migranten schlecht dastünden. Martha Stocker erklärte, sie merke nicht, dass Zuwanderer straffälliger seien als Einheimische und erntete dafür Unverständnis vom Publikum.
Ein Zuhörer rechnete vor, dass für Asylweber, die noch nie in Südtirol gearbeitet haben, 28 Euro täglich und somit an die 850 Euro im Monat bereitgestellt würden. Senioren, die ihr ganzes Leben gearbeitet hätten, müssten mit 500 Euro auskommen. Überall würde eingespart, bei den Zuwanderern nicht.
„In Bruneck haben von 43 Asylwerbern 33 einen negativen Bescheid bekommen“, so ein besorgter junger Mann. Diese würden aber nicht abgeschoben, sondern es würden Rekurse eingereicht. „Von wem?“, stellte er die Frage. Hier würden sich Foppa und Stocker einsetzen, bei der Erhöhung der Mindestpensionen jedoch nicht.
Härtere Gangart gefordert
Der Moderator Eberhard Daum versuchte geschickt, die Zuhörer in die Diskussion mit einzubinden. Im Publikum wurde die Forderung gestellt, Politiker sollten sich in Rom und Brüssel dafür einsetzen, dass nicht noch mehr Zuwanderer ins Land kommen, und nicht dafür, wie durch die Verteilung der Asylwerber auf das Land in Südtirol noch mehr aufgenommen werden könnten.
Auf die Forderung nach einer härteren Gangart Zuwanderern gegenüber antwortete Stocker: „Menschen, die nach Europas gelassen werden, müssen auch untergebracht werden. Wenn wir die Menschen nicht auf der Wiese verhungern und erfrieren lassen wollen, dann muss ihnen eine Unterkunft gegeben werden.“ Bei den Mindestrentnern habe sich die Landesregierung auf eine Erhöhung auf 700 Euro eingesetzt.
Immer wieder wurde die Frage gestellt: „Schaffen wir das?“ Der Bezirksmajor des Pustertales Haymo Laner meinte, dass wir das schaffen, wenn uns egal sei, wie sich die Heimat entwickelt. Wenn das aber nicht egal sei, dann würden wir das nicht schaffen. Die unkontrollierte Zuwanderung müsse gestoppt werden. Jeder sollte sich dafür einsetzen, dem die Heimat wichtig sei. Es könne nicht sein, dass dieses Problem von der Landespolitik auf die Gemeinden abgeschoben werde. In Bozen würden wieder Asylplätze frei und weitere würden ins Land kommen. Die Politik in Südtirol versage mit dem SPRAR-Programm. Er teilte abschließend mit, dass Flüchtlinge bleiben könnten, solange in ihren Herkunftsländern Krieg herrsche. „Dann müssen sie aber wieder nach Hause“, so Laner.
Gerald Leiter, Hauptmann der Schützenkompanie Gais, und Jürgen Wirth Anderlan, der Adjutant des Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes, bedankten sich bei allen Podiumsteilnehmern und bei den vielen Zuhörern. Letzterer kündigte an, dass die Diskussion „Schaffen wir das?“ in naher Zukunft in Girlan und in Villanders weitergeführt werde.