Kritische Situation im Krankenhaus Bozen

Schritt für Schritt zur „neuen Notaufnahme“

Montag, 12. Juni 2017 | 16:47 Uhr

Von: mk

Bozen – „Understaffed“ – auf Neudeutsch könnte dies der Begriff für die kritische Situation an der Notaufnahme im Krankenhaus Bozen sein. Bei täglich rund 270 Zugängen kommt es angesichts der stark unterbesetzten Abteilung zu schwierigen Behandlungssituationen. Zwar ist die Notfallversorgung im eigentlichen Wortsinn auf alle Fälle garantiert; dennoch gibt es Klagen der Bürger, was Wartezeiten, Aufmerksamkeit und persönliche Zuwendung anlangt. Ein Maßnahmenpaket soll nun Abhilfe schaffen.

In den vergangenen Wochen wurde intensiv gearbeitet, um Maßnahmen zu treffen, die die Situation der Notaufnahme im Krankenhaus Bozen kurzfristig verbessern. Bereits mit 1. Juli 2017 soll nun ein Maßnahmenpaket greifen, das die Direktion des Südtiroler Sanitätsbetriebes in enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen im Bezirk und der Notaufnahme-Abteilung ausgearbeitet hat und das Verbesserungen in den Bereichen „räumliche Ausstattung“, „Personal“ und „Angemessenheit und Patientenzugänge“ vorsieht.

Räumlichkeiten

Böse Zungen behaupten, beim Bau des Krankenhauses Bozen in den 70-er Jahren wäre die Notaufnahme-Abteilung schlichtweg vergessen worden. Wahr ist auf jeden Fall, dass die Räumlichkeiten im Untergeschoss des Landeskrankenhauses bereits von Beginn an nicht geeignet waren, um die vielen Patienten und Patientinnen, die aufgrund von Notfällen und Dringlichkeiten kommen, aufzunehmen. Zwar steht in knapp zwei Jahren der Umzug in die neue Klinik an, die es ermöglicht, zeitgemäße Betreuungsmodelle zu implementieren; es besteht aber auch Einigkeit darüber, dass nicht bis dahin gewartet werden soll. In diesen Tagen werden deshalb einige Räumlichkeiten gewonnen, indem sowohl das Ambulatorium für Personen mit begrenzter Aufenthaltsdauer („ambulatorio STP“) als auch die Dienststelle der Polizei verlegt werden. Dadurch wird Platz gewonnen für Wartende und Patienten auf Liegen, denen Infusionen und ähnliches verabreicht werden. Bereits in den vergangenen Wochen wurden einige Abtrennungen angebracht, um die Privatsphäre der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Wie von den Bürgerinnen und Bürgern gewünscht, werden künftig im Notaufnahmebereich auch Wasserflaschen gratis zur Verfügung stehen.

Personal

In der Folge eines Urteils des Arbeitsgerichtes, Werkverträge nur in den ganz spezifisch dafür vorgesehenen Fällen abzuschließen, ist es an der Notaufnahme Bozen in den vergangenen Monaten zu einer sehr kritischen Personalsituation gekommen. Von rund 20 ärztlichen Stellen sind aktuell nur 14,5 besetzt. Innerhalb der nächsten Wochen ist aber die Einstellung von vier Ärzten geplant, wodurch zumindest die aktuelle Krisensituation beseitigt und die notwendigen Turnusdienste wieder eingeplant werden können.

In Kombination mit der vorgesehenen Aktivierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes an den Wochenenden im „Grünen Bereich“ der Notaufnahme (siehe weiter unten), ergibt sich hier für die Sommermonate eine Entspannung, die genutzt werden muss, um an einer weiteren Konsolidierung zu arbeiten. Diese Tätigkeit unterstützt das Ärzteteam der Notaufnahme, der Dienst bleibt aber auch wie immer im Territorialen Bereich aktiv.

Patientenflüsse: Erhöhung der Angemessenheit

Dass die Probleme in den Notaufnahmen der öffentlichen Gesundheitsanbieter nicht nur in Italien sondern in ganz Europa systemischer und nicht nur organisatorischer Natur sind, ist mittlerweile weitgehend akzeptiertes Expertenwissen. Zentrales Ziel ist es, nur jene klinischen, lebensbedrohlichen Pathologien in den Notaufnahmen zu behandeln, die wirklich einer Notfallbehandlung bedürfen. In diese Richtung weisen zwei Maßnahmen, die in den kommenden Wochen in der Notaufnahme Bozen eingeführt werden.

Zum einen wird mit Anfang Juli der ärztliche Bereitschaftsdienst auch im Krankenhaus Bozen aktiviert. Konkret heißt dies, dass ein/e Allgemeinmediziner/-medizinerin jene Patienten und Patientinnen, die sich mit leichten Pathologien in der Notaufnahme melden, behandeln wird.

Zum anderen werden künftig Patienten und Patientinnen, die beispielsweise. nur eines Verbandswechsels bedürfen, nicht mehr in der Notaufnahme Bozen behandelt. Diese Leistungen werden künftig im Sprengel Gries/Quirein in der Loew-Cadonna-Straße erbracht beziehungsweise auch in anderen Sprengeln des Gesundheitsbezirkes Bozen.

Bei beiden „Verlagerungen“ handelt es sich um Maßnahmen, die strategisch in jene Richtung weisen, die vom Landesgesundheitsplan vorgesehen sind, nämlich die klinische Angemessenheit zu erhöhen und die Nicht-Akut-Leistungen möglichst weg vom Krankenhaus in die wohnortnahe Versorgung zu bringen.

Konventionierung von Betten in Privatkliniken

Um die Notaufnahme und die Beobachtungsstation aber auch die Abteilungen für Geriatrie und Innere Medizin in den Krankenhäusern Bozen und Meran zu entlasten, wird zudem das Abkommen mit den Kliniken Bonvicini und Melitta in Bozen verlängert sowie auf die St. Anna-Klinik in Meran und das Salus-Center in Tisens ausgedehnt.

In jeder Einrichtung werden fünf Betten für die Gewährleistung der sogenannten „Betreuungskontinuität“ (continuità assistenziale a valenza sanitaria – CAVS) zur Verfügung gestellt.

Sicherheit für Stocker prioritär

Die Sicherheit für die Bevölkerung, in einem Notfall in den Gesundheitsdiensten angemessen und in der gebotenen Zeit medizinisch versorgt zu werden, gehört für Gesundheitslandesrätin Martha Stocker zu den prioritärsten Aufgaben des Südtiroler Sanitätsbetriebs: „Der Gesundheitsbezirk hat nun erste Maßnahmen für die dringendsten strukturellen und personellen Probleme in der Notaufnahme Bozen gesetzt, sodass eine gangbare Übergangslösung bis zum Umzug in das neue Klinikum vorliegt. Dies wird den Patientinnen und Patienten und vor allem auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Notaufnahme spürbare Verbesserungen bringen. Gleichzeitig arbeiten wir aber auch an einer Veränderung des Systems des Zugangs zur Notaufnahme mit einer Verlagerung einiger Leistungen in die wohnortnahe Versorgung. Denn der Andrang von nicht dringenden Fällen kann für Patientinnen und Patienten, die wirklich dringend Hilfe brauchen, ernste Konsequenzen haben.“

Schael: “Auch das Positive sehen”

Für Generaldirektor Thomas Schael sind dies Maßnahmen, die unmittelbar wirken, auch wenn erst der Aufbau von Versorgungseinrichtungen vor Ort, die Festlegung von Behandlungspfaden sowie die Informatisierung das System als Ganzes verbessern werden: „Mir ist – bei allen Kritikpunkten, die es gibt und die wir ernst nehmen müssen – aber auch wichtig, eines festzuhalten: Die Notfallversorgung in Südtirol funktioniert sehr gut. Dann wenn es wirklich um Leben oder Tod, um schnelle, fachliche hochwertige Hilfe geht, sind wir zur Stelle. Darauf kann sich die Bevölkerung verlassen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betriebes danken, denn nur durch deren Einsatz gelingt es, dieses Ergebnis zu erzielen.“

Bezirk: Bozen