Wenig Lehrer, wenig Räume, kontaminierte Raumluft?

Schulstart im Herbst: Weiterhin ein Enigma

Freitag, 19. Juni 2020 | 18:03 Uhr

Von: bba

Bozen – Die Zeit verfliegt und im September sollen Schüler wieder unterrichtet werden. Weiterhin scheinen aktuelle Lösungsvorschläge der Südtiroler Politik unbefriedigend zu sein. Eine gute Lösung wäre einfach: Mehr Schulräume zur Verfügung stellen – besonders in Südtirols Städten mit 26 Schülern pro Klasse -, mehr Lehrpersonen einstellen, Lehrpersonal und Schüler vor Schulstart auf Covid-19 testen, für stete Raumlüftung und Desinfektion sorgen, das Tragen von Masken für alle zur Verpflichtung machen, genauso die Influenza-Impfung, um bei Husten et cetera schneller auf das Covid-19 tippen zu können. Genauso wären ärztliche Atteste bei Krankheit und Fehltagen von fünf Tagen und mehr, eine gute Maßnahme. Erinnert sei auch an das hohe Durchschnittsalter des unterrichtenden Personals: 30 Prozent der Lehrerschaft könnten zur Risikogruppe gehören. Ein Abschaffen der Maskenpflicht in Schulklassen, wie es nun das Team K und andere vorschlagen, wird der hohen Covid-19-Ansteckungsgefahr im Lehrerberuf nicht gerecht. Studien zur Ansteckung durch Kinder sind unsicher und widersprüchlich. Dass Kinder keine Ansteckungsquelle sein sollen ist Humbug, meint auch der Star-Virologe Deutschlands, Drosten.

Dezidiert warnt Drosten, dass Schulöffnungen im Herbst riskant sind, daher sollte nichts dem Zufall überlassen werden.

Das Team K meint: “Eine gute und professionelle Vorbereitung ist gerade jetzt in der Schule nach dem monatelangen Lookdown mit Fernunterricht von höchster Dringlichkeit. Schon im April hat das Team K im Rahmen der Landtags-Arbeitsgruppen die Einsetzung einer Task Force gefordert.  Diese hätte schon lange Strategien für einen sicheren und soweit wie möglich ‘normalen’ Schulstart im Herbst vorlegen können. Die angekündigten Pläne des Landesrates Achammer für die Unterstufe klingen noch ziemlich unkonkret und lassen viele Fragen offen. Die Grün-Gelb-Rot Logik für die Oberstufe scheint durchdachter zu sein, aber solche Pläne müssten vorab mit den Schulführungskräften, Gewerkschaften und anderen Interessensgruppen abgesprochen werden. Erst dann ist die Landesregierung gefragt.”

“Der vom Landesrat Achammer angekündigte Grün-Gelb-Rot-Plan lässt für mich keinen strategischen und detaillierten Plan für das anstehende Schuljahr erkennen. Offenbar bezieht sich der Plan zum größten Teil auf die Oberstufe und ändert nichts an den großen Unsicherheiten in Bezug auf die Unterstufen. Zudem sind noch keine Entscheidungen gefallen, was wiederum keine Planungssicherheit für alle Beteiligten bedeutet. Außerdem wundere ich mich, warum nur Achammer eine Strategie vorstellt und kein einheitlicher Plan in Zusammenarbeit mit deutschen, italienischen und ladinischen Schulamt ausgearbeitet wurde. Elf Wochen vor der Rückkehr in die Schulen stiften Informationen wie Gleitzeit, Fernunterricht in den Oberschulen, Nachmittagsunterricht ja und nein, Maskenpflicht ja und nein und Aussetzung des Schulsports für viel Verwirrung und Unsicherheit. Hinzu kommt, dass die anstehende Urlaubszeit eine professionelle Planung, Kommunikation und Umsetzung erschweren wird”, sagt Alex Ploner vom Team K.

Bezüglich der Räumlichkeiten im Lande, scheinen leerstehende Gebäude für einen Einzug von Schulklassen nicht gerüstet zu sein, Container sind wiederum zu teuer. Doch was nützen auch mehr Räume, wenn an Lehrern gespart wird? Was passiert, falls vermehrt ältere Lehrpersonen bei einer Ansteckung mit Covid-19 im Dienst ausfallen? Wer schließt die Lücken im Betrieb?

“Das Team K fordert folgende Maßnahmen für die Rückkehr in die Schule im September. Es sollte gerade die Aufgabe einer Task Force sein, Lösungsvorschläge aus logistischer und organisatorischer Sicht auszuarbeiten. Die Vorgabe lautet in erster Linie  ‘Räume, Räume, Räume’, aber auch Schülertransport, Unterrichtsstruktur oder Sicherheitsmaßnahmen müssen durchdacht sein. Weit gestaffelte Eintrittszeiten gilt es zu vermeiden, denn während dieser Zeit ist normaler Unterricht nicht möglich. Somit verlieren die Schüler an einem Tag wertvolle Unterrichtseinheiten. Gerade wenn auch der Nachmittagsunterricht gestrichen werden sollte, ist der tägliche Verlust von Unterrichtseinheiten ein nicht zu akzeptierender Eingriff ins Recht auf Bildung unserer Kinder. Die Maskenpflicht beim Eintritt und Verlassen der Schulen lässt kleinere Distanzen zu, damit auch ein geordnetes Betreten und Verlassen der Schulen. Somit ist eine Gleitzeit für mich aus der heutigen Sicht und der heutigen Covid-19-Situation nicht nachvollziehbar und notwendig. Überfüllte Busse und Züge sind seit Jahren schon ein Problem. Man hat es immer wieder verabsäumt, hier Abhilfe zu schaffen. Gerade heuer gilt es im Schülertransport neu anzusetzen und zusätzliche Kapazitäten zu organisieren. So könnten hier Reisebusunternehmen zum Einsatz kommen, die seit Monaten keine Aufträge mehr haben und vor dem Ruin stehen. Nur hätte auch hier eine Planung wesentlich früher beginnen müssen”, sagt Alex Ploner.

“Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehört auch eine Teststrategie für die Schulen. Dieselben Tests, die derzeit im Tourismussektor angeboten und zum Teil von der öffentlichen Hand finanziert werden, müssen ab September auch für die Schulen möglich werden. Dies vorausgesetzt muss ein Unterricht ohne Masken für die Schüler und Lehrpersonen, sowie das nicht unterrichtende Personal möglich sein”, meint Team K. Doch ist es sinnvoll, eine Maskenpflicht abzuschaffen und damit das Leben von Risikogruppen zu gefährden? Erinnert sei an das hohe Durchschnittsalter der Lehrerschaft in Italien allgemein. Gerade hat die unibz Daten veröffentlicht, die die schlechte Raumluft an Südtirols Schulen belegen. Eine Verbreitung des Covid-19 wäre ein sehr leichtes Spiel in kurzer Zeit – mit allen Konsequenzen für Lehrpersonal, Schüler und Familien Zuhause.

“Um die Sicherheit für die Lehrer und Schüler zu erhöhen, soll das Schulpersonal in regelmäßigen Abständen einem PCR-Test unterzogen werden. Zur Maskenpflicht in Schulen weisen neuere wissenschaftliche Daten darauf hin, dass die Infektiosität der Kinder und Schüler um fünfzig Prozent geringer ist als bei Erwachsenen. Deshalb kann von der Maskenpflicht bei Kindern und Schülern, wie bereits jetzt in den nordeuropäischen Ländern praktiziert, abgesehen werden. Wir müssen die psychische Belastung der Kinder durch die nicht notwendige Maskenpflicht im Auge behalten”, sagt der Arzt und Team K Abgeordnete Franz Ploner. Doch der Vergleich mit nordischen Ländern hinkt wie so oft, denn die Bedingungen sind ganz andere als bei uns. Gerade wurden in Teilen Deutschlands wieder Schulen und Kindergärten geschlossen: wegen der Ausbreitung des Coronavirus. 7000 Personen befinden sich schon kurz nach Schul- und Kindergartenöffnung in Quarantäne. Was mag wohl nach den Sommerurlauben oder den Weihnachtsferien und Winterferien passieren?

“Neben den Auflagen und Sicherheitsmaßnahmen darf das Wohl der Kinder nicht vergessen werden. Sie sind seit Monaten aus ihrem Alltag herausgerissen und sehnen sich nach Unterricht und allen damit zusammenhängenden sozialen Kontakten. Es gilt aber auch Ängste und Unsicherheiten, die in den vergangenen Monaten entstanden sind, ernst zu nehmen und zu begleiten. Schulpsychologen müssen hier ansetzen und verstärkt in Schulen intervenieren. Kinder sollen das Erlebte aufarbeiten und darüber sprechen können”, meint Team K.

“Der Fernunterricht ist in jedem Fall auch in der Oberschule zu vermeiden und kann höchstens Teil des Plan B oder C sein. Bevor der Fernunterricht nicht fixer Bestand eines modernen, gut durchdachten und strukturierten Unterrichts ist, läuft er Gefahr, Problemlöser für logistische und personelle Mängel im Schulsystem zu werden. Das Team K spricht sich dafür aus, das neue Schuljahr so normal als möglich zu beginnen und abzuwickeln. Dazu gehören der Mensadienst und der Nachmittagsunterricht ebenso, wie der Schulsport und der Musikunterricht. Die umzusetzenden Maßnahmen müssen frühzeitig klar kommuniziert und gut koordiniert werden und sind vom deutschen, ladinischen und italienischen Schulamt gleichermaßen umzusetzen. Das Team K wünscht sich klare Verhältnisse und eine gut kommunizierte Strategie für die Ober- und Unterstufe. Wertvolle Zeit ist bereits verloren gegangen und nötige Absprachen mit Interessengruppen sind noch immer nicht erfolgt. Eine gute Umsetzung der Planung wird durch die bevorstehende Urlaubszeit und das Nichteinbinden aller Betroffenen in den Prozess am Ende unnötige Verunsicherung hinterlassen”, meint das Team K.

Es bleibt nur zu hoffen, dass nicht am Lehrpersonal, an Räumen, Unterrichtszeit, Masken, Tests und Desinfektion gespart wird: doch gerade hier drückt der Schuh. Das Sparen rentiert sich – wie so oft – langfristig nicht, sofern uns eine gute Schulbildung für Südtirols Kinder und Jugend ein Anliegen ist. Die langfristigen Folgen von schlechter Bildung sind nicht auszudenken. Ein würdiges Arbeitsumfeld wäre für ein Neustart ein Muss.

Die Aussichten auf eine Verbesserung der Schullandschaft sind nicht erst seit Corona wenig rosig, befindet sich doch ein Drittel des Lehrpersonals in einem prekären Arbeitsverhältnis und übernimmt Jahr für Jahr unsichere “Supplenzen”. Auch Südtirol als eine der reichen Provinzen Italiens schafft es nicht, die europäische Richtlinie 1999/70/CE umzusetzen, die Arbeitgeber dazu verpflichtet Personal aufzunehmen, das insgesamt mehr als 36 Monate abgeleistet hat. Weiterhin werden Kosten eingespart und dabei auch Schulzeit auf Kosten von Schülern und Lehrpersonal gekürzt. Das Prekariat begleitet Lehrpersonal nahezu ewig.

 

Bezirk: Bozen