Von: apa
“Es gibt keinen Friedensprozess ohne Russland.” Das stellte der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis vor der in seinem Land geplanten Friedenskonferenz für die Ukraine klar. Die Schweiz erwarte sich, dass diese Konferenz “den Prozess eröffnet. Wir versuchen es”, sagte Cassis in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Dienstag in Bern. Russland, das nicht zu dem Schweizer Gipfel eingeladen wurde, hatte diesen scharf kritisiert.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der Schweiz vor, sie sei nicht neutral, sondern ein “offen feindseliges Land”. Diese “Kriegsrhetorik Russlands” wollte Cassis auf APA-Anfrage nicht kommentieren. Er sagte jedoch, dass Russland “an Bord kommen” müsse. Es gebe “keine Garantie des Erfolgs, aber die Alternative wäre, einfach nichts zu tun.”
Schallenberg erklärte, den Schweizer Friedensgipfel zu unterstützen. Er sah gleichzeitig aber eine “Problematik”: Die Konferenz gleiche einer “Echokammer. Man redet mit Bekehrten.” Wichtig sei es, auch Staaten des Globalen Südens, insbesondere China, Brasilien und Indien mitzunehmen, deren “Stimme in Moskau gehört wird”. Auf diese Länder angesprochen sagte Cassis nur etwas vage, dass es offene Gesprächskanäle gebe und man sehen werde, wie sie die Konferenz konkret unterstützten. Die Einladungen seien noch nicht verschickt.
Die Neutralität definierte Cassis militärisch, also dass die Schweiz keine Waffen und keine Truppen in der Ukraine stationiert habe. Beide Außenminister betonten aber gleichzeitig, dass eine militärische Neutralität keine “Werte- oder Gesinnungsneutralität” bedeute. Und Schallenberg ergänzte: “Das ist ein Betrag zur Aufrechterhaltung einer internationalen Ordnung.” Die rote Linie sei das Völkerrecht.
Schallenberg betonte außerdem die “seit 70 Jahren bestehende starke neutralitätspolitische Achse” zwischen der Schweiz und Österreich. Sie sei “ein Instrument der aktiven engagierten Außenpolitik”, die “extern und intern missinterpretiert werde”. Konkret nannte Schallenberg im Gespräch mit österreichischen Journalisten die FPÖ und den Schweizer Rechtspopulisten Christoph Blocher, der unlängst eine Initiative eingereicht hatte, die die “immerwährende Neutralität ” der Schweiz in der Verfassung verankern und die Teilnahme etwa am Europäischen Sky Shield verhindern soll. Diese “Vogelstraußpolitik, den Kopf in den Sand zu stecken, und zu glauben, dann sind wir sicher” funktioniere nicht, meinte Schallenberg.
Die Schweiz will sich ebenso wie Österreich an der deutschen Luftverteidigungsinitiative European Sky Shield (ESSI) beteiligen. Die Regierung in Bern genehmigte bereits die Beitrittserklärung zum ESSI-Memorandum of Understanding. Österreich und die weiteren beteiligten Staaten wollen die Erklärung bei einem EU-Verteidigungsministerrat Ende Mai unterzeichnen. Außer Österreich und der Schweiz schließen sich ausschließlich NATO-Länder der Initiative an. Deren Ziel ist vor allem die gemeinsame Beschaffung von Luftabwehrsystemen.
Auch vor dem Hintergrund der Eskalation im Nahen Osten soll die Bedeutung einer modernen Luftabwehr Thema sein. Besonders der Drohnenabwehr komme zuletzt erhöhte Bedeutung zu, nicht nur im Hinblick auf den Angriff des Iran auf Israel, sondern auch aufgrund häufiger auftretender Zwischenfälle in der zivilen Luftfahrt. Allein in Österreich gibt es laut Außenministerium jährlich rund 50 Vorfälle im Bereich der zivilen Luftfahrt, darunter abgebrochener Kontakt zu den Piloten.
Ein Luftfahrtzwischenfall führte auch dazu, dass der Besuch Schallenbergs erst mit einer Verspätung beginnen konnte. Wegen einer technischen Panne konnte das Flugzeug nicht aus Wien fliegen. Der Minister und seine Delegation mussten eine spätere Maschine nehmen. Der Schweizer Außenminister nahm dies mit Humor. “Ich weiß, dass ihr keine Regierungsmaschine habt”, sagte Cassis bei der Begrüßung in Schallenbergs Geburtsstadt.
Nach seinen Gesprächen in Bern wollte Schallenberg das neue Kommando “Cyber” der Schweizer Armee in Freiburg besuchen. Dort war ein Austausch mit Experten und Entscheidungsträgern zum Bereich hybride Bedrohungen und Desinformation vorgesehen. Geplant hat Schallenberg außerdem ein Treffen mit Auslandsösterreichern. Circa 67.000 Auslandsösterreicher, davon fast 25.000 Doppelstaatsbürger, leben in der Schweiz.