Hersh Goldbeg-Polin unter den toten Geiseln

Sechs tote Geiseln im Gazastreifen geborgen

Sonntag, 01. September 2024 | 13:51 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Israels Militär hat die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen geborgen. Darunter befinde sich der US-israelische Staatsbürger Hersh Goldberg-Polin, gab US-Präsident Joe Biden am Sonntag in einer Mitteilung bekannt. Israels Außenministerium hatte kurz zuvor eine Erklärung der Angehörigen veröffentlicht, in der sie den Tod “ihres geliebten Sohnes und Bruders” bekannt gaben. Israels Militär bestätigte später den Tod von sechs Geiseln.

Die Leichen seien aus einem unterirdischen Tunnel in der Umgebung von Rafah im Süden des Gazastreifens geborgen worden, teilte das Militär mit. Einem Armeesprecher zufolge wurden sie erst kurz vor der Entdeckung ihrer Leichen von den Entführern getötet. Die sterblichen Überreste würden nach Israel überführt. Ein Hamas-Sprecher teilte dagegen mit, die Geiseln seien bei israelischem Bombardement getötet worden.

Ein anderer Armeesprecher machte zunächst keine Angaben zum genauen Zeitpunkt und den Umständen ihres Todes. Sie seien von Hamas-Terroristen getötet worden, die Untersuchungen dauerten aber noch an. In etwa einem Kilometer Entfernung sei am Dienstag eine 52-jährige Geisel lebend aus einem Tunnel befreit worden. “Wir hatten keine spezifischen Geheimdienstinformationen über ihren Aufenthaltsort”, sagte er über die Geiseln und sprach von “allgemeinen Informationen, dass Geiseln in dem Gebiet festgehalten werden”.

Bei den toten Geiseln handelt es sich um vier Männer – Hersh Goldberg-Polin (23), Alexander Lobanov (32), Almog Sarusi (27) und Ori Danino (25) – sowie zwei Frauen – Carmel Gat (40) und Eden Jerushalmi (24). Dem Forum der Angehörigen der Entführten zufolge waren fünf von ihnen am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste nahe des Gazastreifens entführt worden.

Die Eltern von Goldberg-Polin, der auch US-Staatsbürger ist, hatten sich unermüdlich für seine Freilassung eingesetzt. Erst im vergangenen Monat rührten sie die Teilnehmer eines Parteitags der US-Demokraten mit der Geschichte ihres Sohnes, der bei der Entführung einen Arm verloren hatte, zu Tränen. Am Donnerstag nahmen sie gemeinsam mit anderen Geisel-Angehörigen an einem Protest an der Gaza-Grenze teil. “Hersh, hier ist Mama”, rief Rachel Goldberg-Polin mit einem Megafon in den Gazastreifen. “Ich liebe dich, bleib stark, überlebe!”

Die Geiseln waren bei dem überraschenden Überfall der Hamas und Kämpfer des verbündeten islamischen Jihad auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt worden. Nach israelischen Angaben töteten die Extremisten dabei 1.200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen. Bei den darauf folgenden israelischen Angriffen auf den Gazastreifen wurden nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde bisher mehr als 40.600 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet und fast 94.000 verletzt.

Im Laufe einer einwöchigen Waffenruhe Ende November ließ die Hamas 105 Geiseln frei. Im Gegenzug entließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Vereinzelt konnten Geiseln von der israelischen Armee befreit werden – teils unter hohem Blutzoll für die palästinensische Zivilbevölkerung bei diesen Militäreinsätzen, für die Israel international in der Kritik steht. Wie viele der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln noch am Leben sind, ist nicht bekannt.

Ob es zu einer weiteren Vereinbarung über eine Waffenruhe und Freilassung von Entführten kommen kann, ist offen. Seit geraumer Zeit führen die USA, Ägypten und Katar in Kairo Vermittlungsgespräche über ein Abkommen, das eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln vorsieht. Die Gespräche sind allerdings festgefahren. Israel und die Hamas verweigern direkte Verhandlungen mit der Gegenseite. Hauptstreitpunkt ist die Frage, wie lange israelische Truppen am Philadelphi-Korridor an der Grenze zu Ägypten stationiert bleiben dürfen.

Die Eltern von Hersh Goldberg-Polin hatten vor kurzem auf dem Demokraten-Parteitag in Chicago an das Schicksal ihres Sohns erinnert. Am Donnerstag versammelte sich das Paar mit anderen Geisel-Angehörigen an der Grenze zum Gazastreifen. Die Angehörigen versuchten, die Geiseln im Gazastreifen mit lauten Lautsprecher-Durchsagen direkt zu erreichen. “Hersh, hier ist Mama”, wandte sich Goldberg-Polins Mutter an ihren Sohn. “Ich bete zu Gott, dass er dich zurückbringt. Jetzt sofort. Ich liebe dich, bleib stark.”

Der 23-Jährige war einer der insgesamt 251 verschleppten Geiseln. Rund 100 Geiseln sind noch in Gefangenschaft – Dutzende von ihnen sind nach Angaben des israelischen Militärs tot. Im April hatte die Hamas ein Video von Goldberg-Polin veröffentlicht. Darin beschuldigt er den israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu, die Geiseln in der Gewalt der Hamas “im Stich gelassen” zu haben. Goldberg-Polin war israelischen Medien zufolge am 7. Oktober bei dem Hamas-Großangriff auf das Nova-Musikfestival in Südisrael schwer verletzt und anschließend entführt worden.

In der im April veröffentlichten Aufnahme ist er mit einem roten Hemd bekleidet und auf einem Plastikstuhl sitzend zu sehen, sein linker Arm ist amputiert. “Ich wollte mit meinen Freunden abhängen und fand mich stattdessen mit schweren Verletzungen am ganzen Körper um mein Leben kämpfend wieder”, sagt er darin.

Der Angehörige einer weiterhin vermissten Geisel sagte dem israelischen TV-Sender Channel 13: “Wenn wir warten, bis wir auch den letzten Hamas-Kämpfer gefangen haben, werden keine lebenden Geiseln mehr übrig bleiben, die man retten könnte.” Der Fund der Leichen sei ein trauriger Beweis dafür. “Netanyahu kann einen Deal zu ihrer Befreiung erzielen. Natürlich ist es die Hamas, die die Geiseln entführt und ermordet hat, daran hat niemand einen Zweifel, aber der Regierungschef kann sie retten – aber er tut es nicht, er lässt sie im Stich.”

In Tel Aviv und anderen Orten demonstrierten am Samstagabend Tausende für ein Abkommen zur Freilassung der Entführten aus der Gewalt der islamistischen Hamas.

Kommentare

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3 Kommentare auf "Sechs tote Geiseln im Gazastreifen geborgen"


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Doolin
Doolin
Kinig
6 h 9 Min

…lieber als Waffenstillstands gespräche zu führen, killt Hamas fie Geiseln…

Hustinettenbaer
4 h 21 Min

@Doolin
Dass die Befreiung der 251 Geiseln nicht höchste Priorität hatte, nennt ein Israeli (und viele Demonstranten) eine “moralische Bankrotterklärung”.
“Anders als bei dem Massaker, das uns wie ein Blitzschlag traf, sind wir hier zu einem aktiven Entscheidungsprozess gezwungen….Israel hatte stets behauptet, es würde, um auch nur einen Bürger seines Landes in Not zu retten, bis ans Ende der Welt gehen, ein ganzes Soldatenregiment würde sein Leben riskieren, und das sei das Geheimnis unserer Stärke. Nun sitzen Geiseln, die zu Fuß erreichbar wären [Anm.: Mai 2024], in der Falle, werden gefoltert… Wir haben sie im Stich gelassen…”
(Ron Leshem, Feuer, Seite 245)
https://www.juedische-allgemeine.de/israel/das-kabinett-verurteilt-die-geiseln-wissentlich-zum-tod/

Zugspitze947
9 h 6 Min

Das war leider zu erwarten ,nn die Hammas ist eine brutale Terrorbande die keine Rücksicht auf Intrenationale Gesetze nimmt. Jedem dieser Terroristen würde echtes Lebensänglich zustehen ! Ich glaube nicht dass noch viel Geiseln Leben wenn es auch immer wieder behauptete wird. 😭👌😡

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