Von: luk
Bozen – Südtirol ist das Land der Berge. Das beste und passendste Fortbewegungsmittel in den Bergen sind zweifelsfrei die eigenen Beine. Daneben haben sich auch Seilbahnen als Mobilitätsträger bewährt. Viele Landesteile konnten durch nicht straßen- bzw. nicht schienen-gebundene Verbindungen zugänglich gemacht und an die Außenwelt angeschlossen werden. Entsprechend wirbt die Landesregierung in Projekten und Dokumenten wie der „Dolomiten Low Emission Zone“ für Seilbahnen.
Trotz all der Vorteile, auch aus Klimaschutzperspektive, regt sich vielerorts Widerstand gegen neue Seilbahnen.
Südtirols Grüne betrachten die Sache differenziert:
Das Modell Rittnerbahn – Seilbahn als Öffi: JA!
Stellt die Aufstiegsanlage ein öffentliches Verkehrsmittel dar, mit dem Ansässige mit SüdtirolPass von der und zur Arbeit bzw. Schule pendeln können, so ist Akzeptanz meist groß und Nachhaltigkeit meist tatsächlich gegeben. Ein Erfolgsbeispiel ist die Rittner Seilbahn, die von Ansässigen und Gästen gleichermaßen genutzt und geschätzt wird.
Aber „Öffi-Camouflage“: NEIN!
Was in den letzten Jahren vermehrt gebaut und forciert wurde, und was in der Kritik steht, sind Aufstiegsanlagen, die als Zubringerdienste für Berge, Skipisten bzw. sogar als Verbindungen mehrerer Berge und Skipisten fungieren. Diese haben nicht das Ziel, den öffentlichen Nahverkehr zu bedienen, sondern sind eine touristische Infrastruktur. Sie werden zwar öffentlich subventioniert (mit bis zu 75 Prozent!), sind jedoch nicht mit dem Nahverkehrs-Abo „SüdtirolPass“ kompatibel. Trotz der öffentlichen Förderung sind die Preise oft gesalzen. Ein Beispiel ist die Cabriobahn in Tiers, die mit 11,3 Millionen Euro zu 75 % öffentlich gefördert wurde. Die Preise für eine Berg- und Talfahrt sind jedoch alles andere als nutzerfreundlich (22 Euro für 1 Berg- und Talfahrt, Familienticket 44 Euro).
Doch damit „öffentliche Aufstiegsanlagen diesen Namen auch verdienen, müssen sie für SüdtirolPass-Nutzer:innen zu angemessenen Preisen befahrbar sein, ansonsten haben sie diesen Namen nicht verdient.
Transparenz und Zustimmung der Bevölkerung. UNBEDINGT!
Hinzu kommt, dass das Seilbahnen-Business manchmal alles andere als transparent und regelkonform über die Bühne läuft. Ein Beispiel ist wiederum die Cabriobahn in Tiers. Es steht nämlich die Idee im Raum, die Bahn solle den bisher viel genutzten und günstigen Bus auf den Nigerpass ersetzen. Wäre die Bahn zu erschwinglichen Tarifen mit SüdtirolPass nutzbar, könnte man das noch nachvollziehen. Die Menschen aber zu zwingen, ein überteuertes Verkehrsmittel zu verwenden und sämtliche andere öffentliche Verkehrsmittel zu streichen, ist weder familienfreundlich noch nachhaltig.
Ein weiteres Beispiel ist der Korblift auf die Langkofelscharte. Noch vor kurzem gab es Bestrebungen, die Kapazität zu verdoppeln und die Kubatur von Berg- und Talstation zu vervierfachen. Um das Projekt ist es vorerst leise geworden, doch die Diskussionen, Auseinandersetzungen und Ängste im Tal sind weiterhin sehr präsent. Das Problem der Potenzierung trifft auch auf andere Aufstiegsanlagen zu: Erhöht man die Kapazität der Seilbahn, sind plötzlich auch der angrenzende Parkplatz und die nahen Berghütten zu klein.
Die Liste der in der Kritik stehenden Seilbahnprojekte ist hiermit noch lange nicht am Ende.
Die Grundfrage: Cui bono?
„Viele Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sehen Seilbahnprojekte und Erschließungen inzwischen sehr skeptisch. Sie wünschen sich einen klimafreundlichen öffentlichen Verkehr, der die Familienbudgets entlastet und eine Alternative zum Auto darstellt,“ so die Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa. „Viele Aufstiegsanlagen werden zwar öffentlich gefördert, stehen dann aber nicht kostengünstig der Öffentlichkeit zur Verfügung, sondern sind in Wirklichkeit (teure) Zubringerdienste für Tourismusgebiete. Für diese Praxis ist der Konsens in der Bevölkerung meist sehr gering, hier muss sich etwas ändern.“
Foppa ist Erstunterzeichnerin eines Beschlussantrages, der in der kommenden Woche im Landtag behandelt wird und vorsieht:
Sämtliche Aufstiegsanlagen, die mit öffentlichen Geldern subventioniert wurden, in das SüdtirolPass-System zu integrieren (logistisch und preislich!)
neue Seilbahnprojekte einem Klimacheck zu unterziehen
die Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden in den gesamten Planungsprozess von Aufstiegsanlagen zu integrieren.
für die kommenden 10 Jahre keine Kapazitätserhöhungen an Aufstiegsanlagen zuzulassen, die ihrerseits mit einer Kapazitätserhöhung der umliegenden Strukturen (Parkplätze, Hütten, Straßen, Hotels usw.) einhergehen würden.
Confinböden und Langkofelgruppe als Naturpark ausweisen und endlich schützenEng mit dem Thema verknüpft und bestes Exempel ist die Erschließung der Confinböden.
Seit vielen Jahren gibt es von der Seilbahnwirtschaft die Begehrlichkeit, die Seiser Alm mit Monte Pana oberhalb von St. Christina durch eine Seilbahn zu verbinden. Vor allem die Tourismustreibenden von Kastelruth versprechen sich einen Turboboost und halten unaufhörlich den Druck aufrecht.
„Diese Seilbahnverbindung würde die Confinböden zerschneiden und somit ein einmaliges Gebiet am Fuße des Langkofels stören und teilweise zerstören. Es handelt sich um ein Trinkwasserschutzgebiet ersten Ranges, welches St. Christina mit Wasser versorgt, es ist ein Rückzugsgebiet für Wildtiere und Vögel und überhaupt eine der letzten Ruhezonen im stark erschlossenen Gebiet zwischen Gröden und der Seiser Alm“.
Viele lokale und landesweite Organisationen wie Nosc Cunfin, Lia da Mont und Lia per Natura y Usanzes, Alpenverein Südtirol, CAI Alto Adige, Heimatpflegeverband, Vereinigung Südtiroler Biologen, Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz Südtirol, Mountain Wilderness und das Bündnis Klimaaktion Südtirol fordern seit geraumer Zeit den Schutz dieses Gebietes ein.
Es gibt auch Beschlüsse der Grödner Gemeinden, welche den Schutzstatus für dieses sensible Gebiet genehmigen. In Gröden herrscht zurzeit die Meinung vor, dass selbst die dortige Tourismusindustrie am Projekt zweifle und dass es in der Bevölkerung sowieso keine Mehrheit dafür gebe.
Wie sorglos mit der Landschaft rund um die Langkofelgruppe umgegangen wird, beweisen die kürzlich durchgeführten zerstörerischen Erdbewegungsarbeiten in der Steinenern Stadt am Sellajoch oder das völlig überdimensionierte Seilbahnprojekt auf die Langkofelscharte.
“Die Langkofelgruppe mit den Confinböden unter Schutz zu stellen ist eine ökologische Notwendigkeit. Zudem geht es auch darum, die Qualität des touristischen Angebots in diesem Gebiet zu bewahren. Mit Blick in die Zukunft müssen wir uns fragen, was wir unseren Gästen bieten wollen. Wuchtige Infrastruktur oder Natur? Es ist an der Zeit, den Wert der noch unberührten Gebiete zu erkennen und sie vor massiven Eingriffen zu schützen. Für die Umwelt, für unsere Wirtschaft und für künftige Generationen“, fügt die Grüne Kandidatin für die Landtagswahlen Elide Mussner hinzu.
Daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, für die Langkofelgruppe eine Unterschutzstellung anzupeilen und die Bevölkerung bei der Entscheidungsfindung einzubinden. Der Landtag kann in seiner letzten Sitzung dieser Legislaturperiode, die Weichen dafür stellen.