Ukrainische Armee will nicht mehr von westlichen Waffen abhängig sein

Selenskyj will Ukraine zu führendem Rüstungserzeuger machen

Mittwoch, 27. Dezember 2023 | 21:40 Uhr

Von: APA/dpa

Die Ukraine kann nach Ansicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj künftig zu einem der größten Rüstungsproduzenten der Welt werden. Er sei sicher, dass die ukrainische Rüstungsindustrie “im Laufe der Zeit definitiv in die Top 10 der produktivsten und stärksten Rüstungskomplexe der Welt aufsteigen kann”, sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner allabendlichen Videoansprache. Zuvor hatte die Regierung mitgeteilt, dass sich die ukrainische Rüstungsproduktion heuer verdreifacht habe.

Schon jetzt trage der Industriezweig nicht nur zur Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit gegen den russischen Angriffskrieg, sondern auch wesentlich zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung bei, sagte Selenskyj. Er lobte die Vereinbarung mit westlichen Partnern, allen voran den USA, über eine gemeinsame Waffenproduktion als “eine unserer größten politischen Errungenschaften in diesem Jahr”. So sei es möglich, modernes Militärgerät zu bauen. Die Herstellung westlicher Waffentypen soll weiter lokalisiert werden.

Zuvor hatte der ukrainische Minister für strategische Industrien, Olexander Kamyschin, bei einer Pressekonferenz in Kiew von der massiven Ausweitung der Rüstungserzeugung berichtet. “Insgesamt haben wir in diesem Jahr unsere Produktion verdreifacht”, sagte er. Knapp ein Drittel des Wirtschaftswachstums von 4,9 Prozent sei durch Rüstungsbetriebe generiert worden.

Insgesamt seien in den gut 500 zumeist privaten Unternehmen derzeit rund 300.000 Arbeiter beschäftigt, sagte Kamyschin. Seinen Angaben nach wurde die Herstellung von Mörsergranaten um das 42-fache gesteigert. Bei Artilleriegranaten sei die Produktion fast verdreifacht worden. Bei Granaten mit NATO-Kaliber von 155 Millimetern bestehe weiter Abhängigkeit von westlichen Lieferungen. Kiew arbeite aber am Aufbau einer eigenen Produktion. “Wir planen im nächsten Jahr den Übergang zur Serienproduktion”, verkündete Kamyschin. Ein Problem sei dabei jedoch die Beschaffung von Schießpulver, das weltweit knapp sei.

Außerdem produziere die Ukraine inzwischen monatlich sechs Stück der selbstfahrenden Haubitzen des Typs “Bohdana”. Erheblich gesteigert wurde den Worten des Ministers nach auch die Produktion von Schützenpanzern und gepanzerten Fahrzeugen. Der Eigenbedarf könne dadurch aber noch lange nicht gedeckt werden. Der Chef des staatlichen Rüstungskonzerns Ukroboronprom, Herman Smetanin, räumte aber ein, dass keine Kampfpanzer hergestellt werden. Allerdings seien Reparaturkapazitäten im Land ausgebaut worden. Bald sollen auch westliche Panzer in der Ukraine repariert werden.

Bei Drohnen im Fronteinsatz kommt bereits jetzt der Löwenanteil aus eigener Produktion. Mehr als eine Million First-Person-View-Drohnen – per Hand gesteuerte Drohnen, deren Flug sich über die Kamera in dem Gerät verfolgen lässt – sollen 2024 produziert werden. Zudem sollen pro Jahr mehr als 1.000 Langstreckendrohnen über 1.000 Kilometer Reichweite, die auch Ziele in Russland erreichen können, gebaut werden. Höchster Geheimhaltung unterliegt dabei das eigene Raketenprogramm. “Glauben Sie mir, dass meine Kollegen und ich ausreichend Zeit dafür aufwenden, damit wir etwas haben, um russisches Gebiet zu erreichen”, betonte Kamyschin.

Die Ukraine wehrt seit über 22 Monaten eine russische Invasion ab. Noch ist das Land stark von westlichen Waffenlieferungen abhängig.