Unterschriftenübergabe

Sexueller Missbrauch: Mit 1.364 Unterschriften und 28 Organisationen das Schweigen brechen

Dienstag, 10. Oktober 2023 | 18:10 Uhr

Von: mk

Bozen – Obwohl es in Südtirol Einrichtungen und Organisationen gibt, die sich des Themas der sexualisierten Gewalt annehmen, braucht es dringend ein entschiedeneres und koordiniertes Vorgehen bei der Aufarbeitung und in der Prävention von sexuellem Missbrauch. Das fordern 28 Vereine. Sie haben im späten Frühjahr eine Petition gestartet und heute 1.364 Unterschriften an Landeshauptmann Arno Kompatscher, an Landesrätin Waltraud Deeg, an die Präsidentin des Südtiroler Landtages Rita Mattei und die Mitglieder der Arbeitsgruppe zu Beschlussantrag 541/22 übergeben.

Die breit aufgestellte Vereins-Plattform fordert Südtirols politisch Verantwortliche auf, endlich eine unabhängige und weisungsfreie Ombudsstelle für Fragen des sexuellen Missbrauchs einzurichten, eine wissenschaftliche Kommission zur Untersuchung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch einzusetzen und laufend Sensibilisierungsarbeit und wirksame Prävention zu betreiben.

Im Südtiroler Landtag wurde im Mai 2022 der Beschlussantrag 541/22 eingebracht, der die Errichtung einer landesweiten weisungsfreien Ombudsstelle mit einem Beauftragen/einer Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs vorsieht. Außerdem soll in Südtirol eine wissenschaftliche Kommission zur Untersuchung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch eingesetzt werden. Derzeit ist eine Arbeitsgruppe dabei, konkrete Vorschläge für die Umsetzung zu erarbeiten. Johanna Brunner von der Arbeitsgruppe sagte: „Wenn wir als Gesellschaft nicht endlich ins Handeln kommen, ist das ein gesellschaftliches Versagen und ein Schlag in das Gesicht der vielen Menschen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind.“ Die politisch Verantwortlichen und die Gesellschaft als Ganze seien dringend gefordert.

Weil die Umsetzung des Beschlussantrages nur langsam vorangeht, haben sich 28 Vereine und Verbände zu einer Plattform zusammengeschlossen und eine Petition formuliert, die die Inhalte des Beschlussantrags forciert. Unter dem Dach der Plattform „La Rete – Das Netzwerk – La Rëi“ wurden seit Mitte Mai Unterschriften gesammelt. Koordinatorin Judith Hafner sagte bei der heutigen Unterschriftenübergabe: „Das Thema ist sensibel, schmerzhaft und es drängt. Hinter jeder Unterschrift steht ein Mensch, der möchte, dass das Thema sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt in Südtirol endlich sichtbar und wirksam angegangen wird.“ Unterschrieben hätten auch zahlreiche von sexuellem Missbrauch betroffene Menschen.

Die Unterstützung so vieler Organisationen sei ein Signal dafür, dass unsere Gesellschaft bereit ist, sich dem Thema zu stellen, sagte Psychologin und Psychotherapeutin Veronika Oberbichler. Sie hat vor einem Jahr das Buch „Wir brechen das Schweigen. Betroffene sprechen über sexuellen Missbrauch“ geschrieben. Jeder von uns kenne Menschen, die mittelbar oder unmittelbar von sexuellem Missbrauch betroffen seien. Das Thema der sexuellen Gewalt und des sexuellen Missbrauchs gebe es in allen Gesellschaftsschichten, in den unterschiedlichen Orten und Kontexten, erklärte die Psychologin. Es brauche endlich ein gemeinsames und entschiedenes Vorgehen, fachlichen Support und klare politische Weichenstellungen.

„Die bestehende Landesregierung wird noch in der auslaufenden Legislaturperiode alle Vorbereitungen treffen, damit die neue Landesregierung gleich zu Beginn ihrer Arbeit die notwendigen Maßnahmen umsetzen kann.“, bestätigte Landeshauptmann Arno Kompatscher im Rahmen der Pressekonferenz. Auch Landesrätin Waltraud Deeg bekräftigte die Dringlichkeit dieses Anliegens: „Das Wichtige für die Betroffenen ist, dass jemand hinter ihnen steht.“ Deshalb sei es besonders erfreulich, heute zu sehen, wie viele Menschen und Vereine sich mit den Betroffenen solidarisieren.

„Gesellschaft und Politik dürfen nicht mehr wegschauen“, sagten Vertreterinnen und Vertreter von 28 Vereinen und Organisationen. Wegschauen bedeute, die Betroffenen alleine zu lassen.

Bezirk: Bozen