Von: mk
Terlan – Der ehemalige Landtagsabgeordnete der Freiheitlichen, Sigmar Stocker, wird nicht bei den kommenden Gemeinderatswahlen in seiner Heimatgemeinde antreten. In einem offenen Brief erklärt er die Gründe dafür. Hier folgt der Brief im Wortlaut:
Ich wurde seit Ende des Jahres 2019 und bis heute sehr oft gefragt und auch motiviert, mich als Bürgermeisterkandidat der Gemeinde Terlan zur Verfügung zu stellen. Noch nie habe ich mich in meinem politischen Leben so schwergetan, eine negative Entscheidung zu treffen, wie bei dieser Wahl.
Leider kann ich in der jetzigen Zeit für dieses hohe und ehrenvolle Amt nicht zur Wahl antreten. Grund ist nicht, dass mir die Lust oder Freude fehlen würde, für das Dorf und seine Menschen zu arbeiten, sondern dass ich mich in den kommenden zwei bis drei Jahren in Ruhe meinem eigenen Sektgut widmen will und muss. Umbauarbeiten und diverse Umstrukturierungen sind geplant. Die Umsetzung erfordert jede Menge Zeit und Energie.
Das Bürgermeisteramt ist ein sehr zeitaufwendiges Amt. Würde ich kandidieren und vielleicht sogar gewählt werden, würde ich beide Arbeiten nur sehr schwer und unter großem Druck stemmen können. Hätte es in Terlan nur einen Bürgermeisterkandidaten gegeben, hätte ich trotz allem kandidiert, da ich als überzeugter Demokrat große Schwierigkeiten mit einer Einpersonenwahl gehabt hätte. Nun aber haben wir – mit heutigem Stand – zumindest eine Zweierauswahl, die sich womöglich noch weiter ausweitet.
Ich danke nochmals allen – ob Jugendlichen, Senioren, Vereinsmitgliedern aller Sparten, Wirtschaftstreibenden, Frauen wie Männer, Deutsche wie Italiener, Terlaner, Vilpianer und Siebeneichner – einfach querbeet – die meine Person für das Amt des Bürgermeisters schon nur in Betracht gezogen haben! Das ist mir so in meinem Dorf noch nie passiert und diese allgemeine Wertschätzung ist für mich persönlich eine große Ehre, Freude und erfüllt mich großer, großer Dankbarkeit! Ich werde weiterhin für unsere Gemeinde und Gemeinschaft mit Tatkraft und Ideen gerne zur Verfügung stehen.
Auch wenn ich nicht kandidiere, erlaube ich mir, hier noch einige Gedanken zu unserer Gemeinde niederzuschreibe.
Ich habe mich in dieser Zeit auch ausführlich mit den Belangen unserer schönen Gemeinde auseinandergesetzt und über ein „Was wäre, wenn?“ nachgedacht.
Die Gemeinde Terlan ist eine sehr lebenswerte Gemeinde mit vielen Strukturen für die Allgemeinheit: Volks- und Mittelschule, Kindergärten, Apotheke, Musikschule, Kulturhäuser- bzw. Räume, Zug- und Busverbindungen im Halbstundentakt, Bibliotheken, Sportstätten uvm. Wir haben eine starke Wirtschaft im Dorf mit sehr guten Betrieben in vielen Sparten und eine sehr gute Nahversorgung durch verschiedene Geschäfte für uns Bürger. Wir sind kein überfüllter Tourismusort, aber das muss nicht immer nur ein Nachteil sein. Aber wir sind, meiner Meinung nach, eine interessante Urlaubsdestination. Wir sind genauso eine Gemeinde mit einem überaus großen Angebot im Vereinswesen: von sozialen Tätigkeiten, über Sport, vom Seniorenverein zum Bevölkerungsschutz und zur prägenden Kulturtätigkeit. Und: in den 116 Gemeinden Südtirols gibt es mit Sicherheit keine zehn Gemeinden mit so einem schönen Faschingstreiben wie dem unseren! All diese Standards in unserer Gemeinde sind zu unserem gemeinsamen Wohl zu erhalten. Es ist also für jeden etwas dabei und ich sage immer: wer sich in dieser Gemeinde nicht wohl fühlt und mit dem Gebotenen nicht zufrieden ist, der lebt in der falschen Gemeinde.
Aber die Zeit bleibt nie stehen und es gibt immer neue Herausforderungen, Überlegungen, Umstellungen, Verfeinerungen. Für die Zukunft könnte man unsere Gemeinde noch mehr als internationales Weindorf positionieren. Die Idee von Terlan als Weißweindorf zu propagieren, wurde ja bereits angedacht. Nicht aufstellen würde ich jedoch die dazu geplante Skulptur im Kreisverkehr unter der Maultasch. Nicht, weil ich dagegen bin, in Kunst zu investieren – im Gegenteil. Sondern weil man die geplante Skulptur einfach nicht versteht bzw. ihr Zusammenhang mit dem Wein nicht ersichtlich ist. Wenn man etwas über Wein aufstellen will, dann muss man in einem Kreisverkehr in Sekundenschnelle verstehen, dass es damit in Verbindung steht und deshalb sind die angesagten 80.000 Euro für das geplante Projekt doch verschütteter Wein. Der zweite Vorschlag der Ausschreibung wäre viel besser und gerechtfertigt und würde auch der Terlaner Weinwirtschaft besser gefallen.
Die Gemeinde Terlan kann man aber auch als Genussdorf grundsätzlich mehr in den Mittelpunkt stellen: Neben Wein gibt es Spargelproduktion, Spargelverkauf und eine kulinarische Spargelzeit unserer Gastronomie. Weiters Äpfel, Apfelsaftproduktion, Hofläden und Direktvermarkter, zwei Dorfmetzgereien, Geschäfte und einen Wochenmarkt. Viel Regionales und regionale Kreisläufe, die einen Genussort ausmachen, sind also schon da. Es gilt, auf ihnen auf- und weiterzubauen. Man könnte beim „Jörgimarkt“ auch einen Bereich „Schokolade und Wein“, also einen „Schokoladenmarkt” (Schokolade von Schokolademanufakturen) als Schwerpunkt integrieren. Ganz generell kann über eine Aufwertung als Genussmarkt nachgedacht werden.
Die organisierte Bettelei vor den Geschäften hingegen gehört sofort abgeschafft, denn das passt zu keinem Genuss-, Gäste- und Wohnort! Zu einem schönen Ort gehören gepflegte Grünflächen, weshalb eine gezielte und durchdachte Dorfverschönerung in Angriff genommen werden muss, bei der sich die Bürger beteiligen können.
Bei Eisplatz oder Eishalle sollte eine ehrliche Antwort gegeben werden: was geht und was nicht geht. Sollte man hier mit Andrian zusammenarbeiten, wo auch ein Eisplatz steht, der weniger dem Wind ausgesetzt ist? Kann man eine Eishalle in den Berg verlegen, wo eine konstante Temperatur herrscht und man genauer kalkulieren kann? Jedenfalls muss diese jahrelange Ungewissheit für die Eissportler endlich beendet werden – auch wenn die Antwort wehtun kann.
Überhaupt ist Zusammenarbeit und das Zusammenschauen mit anderen Gemeinden ein sinnvoller Gedanke. Damit man mehr voneinander weiß, würde ich für eine Gemeindezeitung „Maultasch“ mit „für Terlan, Andrian und Nals“ plädieren. (Gab es übrigens schon, vor 1918, als „Gemeindeblatt für Terlan, Andrian, Nals, Mölten, Tisens und Gargazon“). Diese gemeindeübergreifende Maultasch sollte dann aber zumindest monatlich erscheinen und somit an Aktualität gewinnen. Damit würde sie auch für unsere Betriebe als Werbeträger interessanter werden.
Die Problematik der Lkw im St. Peter-Viertel, welche immer auf dem Andrianerweg parken, um im Betrieb IMES auf- und abzuladen ist groß und für die Bürger und Kinder dort sehr gefährlich. Hier könnte man versuchen, das Problem mit einer Blockabfertigung zu lösen. Will heißen: Lkw für die IMES dürfen erst dann zum Betrieb fahren, wenn dort ihre Betriebsladefläche frei ist. Bis nicht frei ist, müssen sie am Dorfeingang – beim Festplatz – warten und werden dann vom Betrieb telefonisch geholt. In der heutigen Zeit nur eine Sache des guten Willens und der Organisation. Straße und Gehsteig sind in einem solchen Wohnviertel kein Parkplatz. Wird dem Vorschlag, welcher die Situation wesentlich verbessern könnte, nicht Folge geleistet, werden parkende LKWs von den Ordnungshütern in der Folge täglich gestraft.
Eine Schicksalsfrage für Terlan ist das ehemalige TOG-Areal. Unter Bürgermeister Klaus Runer wurde eine Verbauung in Wohnungen für 15 Jahre verhindert. Was wird aber nun geschehen? Tatsache ist: sollten dort Wohnungen gebaut werden, so gerät das ganze Dorf aus den Fugen durch zu viel Zuzug. Der dörfliche Charakter unserer Gemeinde ginge langsam aber sicher verloren.
Es gibt noch eine weitere, wesentliche Gefahr für Terlan bei der TOG: auf einer Seite der TOG steht der Festplatz und auf der anderen Seite der Fußballplatz bzw. die Sportanlagen. Festplatz – (übrigens kenne ich in Südtirol fast keine zweite, größere Gemeinde, die so einen grünen Festplatz samt ausreichendem Parkplatz in der Dorfmitte hat) – und Sportanlagen sind Orte, die eine „Freiheit für Lärm“ brauchen. Sie sind programmierte Lärmquellen! Beim Sport Zuschauer die anfeuern, schreien, Platzmoderation mit Verstärker, Musik, Flutlicht im Herbst und Winter etc. Beim Festplatz bietet sich oft dasselbe Bild, verstärkt und mit wandernden Biergläsern, manchmal Notdurft und nichtgenüsslichen Gerüchen in der Umgebung. Sollten also diese beiden Gemeindestrukturen Wohnungen als Nachbarn bekommen, so sind beide Strukturen zum Tode verurteilt und kurzfristig zu verlegen. Kein Nachbar duldet so etwas neben sich – da kann man an Schutzmaßnahmen herumplanen wie man will! Also wird der künftige Gemeinderat und vor allem der Bürgermeister sich entscheiden müssen zwischen: für das Dorf und die Dorfgemeinschaft, wenn Wohnungen zum Schutz der genannten Stätten verhindert werden, oder gegen das Dorf und somit für den „Ausverkauf unserer Heimat“, wenn die Allgemeinheit die Zeche auf Jahrzehnte hinaus bezahlen müsste. Ich hoffe, das Interesse für die Terlaner Allgemeinheit steht hier auch in Zukunft im Vordergrund und die Gemeindeverwaltung schafft keine Probleme, wo es derzeit keine gibt!
Dies seien nur einige meiner Grundgedanken zu unserer Gemeinde, die natürlich nicht alle Themen der Gesellschaft berücksichtigen und abdecken, erklärt Stocker abschließend in dem Brief.