Von: mk
Sterzing – Heute Morgen kam ein rosafarbener Camper in Sterzing an, an Bord befand sich eine Delegation aus den Castelli Romani, die verschiedene freiwillige Vereinigungen rund um die Geburt und das Stillen vertrat (La Goccia Magica, Città delle Mamme Frascati, Chiara per i Bambini del Mondo). Am Samstagabend brach der Camper von Rom in Richtung Sterzing auf, wo die Insassen den Südtiroler Frauen ihre Solidarität bekunden wollen. Vor dem Sterzinger Krankenhaus wurden sie von zahlreichen Müttern und Vätern empfangen und es kam zu einem regen Austausch: Die Ethik-Kommission von OVOItalia (Osservatorio sulla Violenza Ostetrica Italia) legte den Bericht von #bastatacere vor, eine Medienkampagne, die dank der Schilderungen unzähliger Mütter sowie des Krankenhauspersonals schwere Fälle von Grenzüberschreitungen und Gewalt in Geburtenabteilungen und Kreißsälen in ganz Italien ans Licht brachte. Diese Kampagne sorgte für Betroffenheit bei Prominenten, Politikern und Personen, die im Gesundheitssektor tätig sind.
Diese Begegnung schlägt somit eine Brücke zwischen dem „Fall“ Sterzing und dem restlichen Italien. „Die Schließung der Geburtenabteilung in Sterzing ist keine rein lokale Angelegenheit. Seit Monaten schon stehen Frauenvereinigungen, die sich auf nationaler Ebene mit Geburten und dem Stillen beschäftigen und gerne aktiv an Entscheidungsprozessen teilnehmen würden, mit den Südtiroler Frauen in Kontakt – um zu verstehen, zu unterstützen, um all jenen Kraft und eine Stimme zu verleihen, die für die Erhaltung der Geburtenabteilung kämpfen und dafür, dass der große Erfahrungsschatz und das Knowhow des Sterzinger Teams rund um eine respektvolle Geburt nicht verloren geht. Im Gegenteil, das Wissen sollte den Politikern künftig als Modell dienen, wie der Geburtensektor in anderen Teilen der Provinz organisiert werden sollte. Auch für Außenstehende ist die Schließung des Sterzinger Kompetenzzentrums im Bereich Geburten, das Krankenhäusern in ganz Italien als Vorbild dient und selbst von renommierten nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen als beispielhaft betrachtet wird, unverständlich und inakzeptabel“, erklärt die Delegation.
In Rom setze sich der Parlamentarier Adriano Zaccagnini, der übrigens nicht aus Südtirol stammt, für die Erhaltung der Sterzinger Geburtenstation ein. Er möchte mittels parlamentarischer Anfrage diese Geburtskultur, die sich in Sterzing etabliert hat, verteidigen und schützen.
„Eines muss klar sein: Es geht nicht darum, die Geburtshilfestation von Sterzing als materielles Gut zu verteidigen“, erklärt Michela Cericco von der Organisation Goccia Magica dei Castelli Romani, „sondern darum, die dort gelebte Philosophie der Geburtshilfe zu verteidigen, die respektvoll mit den Bedürfnissen der Mütter und Kinder umgeht!“ Dieses Zeichen der Solidarität müsse erst als solches verstanden werden, um wirklich zu begreifen, warum die Schließung der Geburtenabteilung von Sterzing nicht nur die direkt betroffenen Frauen – nämlich jene aus den angrenzenden Tälern – auf den Plan rufe, sondern so viele Bürgerinnen und Bürger.
Was fordert nun die Delegation von den lokalen und nationalen Politikern? „Welche Art von ärztlichem Beistand und Unterstützung wünschen sich Eltern bei der Geburt ihrer Kinder und vor welcher Art „flüchten“ sie, indem sie hunderte Kilometer weit reisen, um zu entbinden oder sich gar für eine Hausgeburt entscheiden? Wer sich beim Lesen der Manifeste für die Erhaltung der Sterzinger Geburtenstation nur darauf beschränkt, emotionale oder logistische Aspekte herauszufiltern, der verliert den Blick für die Komplexität und die Reichweite des Problems. Auch der Begriff, der in der Diskussion rund um Sterzing am liebsten verwendet wird, um die Schließung der Geburtenabteilung zu rechtfertigen – der Begriff „Sicherheit“ –, ist nicht ausreichend, um dem Thema gerecht zu werden. Die Trentiner Politiker scheinen mittlerweile erkannt zu haben, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der direkt Betroffenen unumgänglich ist, um künftig angemessene Entscheidungen darüber zu treffen, welche Art von Geburtshilfe sich werdende Mütter und Väter wünschen. Sie haben daher beschlossen, eine Umfrage unter all jenen Müttern durchzuführen, die bislang von ihrer Provinz „geflüchtet“ sind (viele davon sind eben nach Sterzing gegangen), um zu entbinden“, erklärt die Delegation.
Eines stehe jetzt schon fest: Die Sterzinger Geburtenabteilung sei ein Symbol für eine Geburtskultur, die die Entmedikalisierung der Geburten anstrebt, die menschlich und familiär ist und die die menschliche Würde respektiert. „Sie ist ein Ort, an dem die wirtschaftliche Rentabilität nicht über das Recht auf die liebevolle Unterstützung in einem so einschneidenden Moment des Lebens gestellt wird, ein Ort, an dem Ärzte und Hebammen für die Gebärenden da sind und nicht umgekehrt. Auch wenn die Geburtenstation in Sterzing geschlossen wird, sind dies die Forderungen, die ein Teil der Bevölkerung weiterhin stellen wird“, erklärt die Delegation abschließend.