Von: Ivd
Bozen – Die außerordentliche Landtagssitzung zur Autonomiereform endete am Dienstagvormittag mit einem Knall: Nachdem eine Abstimmung über einzelne Reformpunkte abgelehnt wurde, verließ die gesamte Opposition – mit Ausnahme von „Wir Bürger“ – den Plenarsaal.
Zu Beginn der Sitzung stand noch der gemeinsame Moment im Vordergrund. Mit einer Schweigeminute und einer Gedenkrede erinnerte Landtagspräsident Arnold Schuler an Papst Franziskus, dessen Tod am Ostermontag weltweit für Bestürzung gesorgt hatte. Doch die Einigkeit hielt nicht lange.
Die Sitzung war auf Antrag von 17 Abgeordneten einberufen worden, um über die Inhalte der geplanten Autonomiereform von Trentino-Südtirol zu beraten. Doch noch bevor die Debatte in Gang kam, machte Landtagspräsident Arnold Schuler klar: „Das Rechtsamt hat festgestellt, dass in dieser Sitzung keine Abstimmung vorgesehen ist. Die Prozedur ist eindeutig – abgestimmt wird nur über das Gesamtgutachten zum Paket.“
Sonderlandtag ohne Sinn? Kritik der Opposition
Schuler betonte weiter: „Wenn man die Gutachten der eigenen Ämter nicht respektiert, wird die Arbeit im Landtag schwierig.“ Das sorgte für scharfe Kritik. Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) erklärte: „Der Ersetzungsantrag war so formuliert, dass auch eine Abstimmung möglich gewesen wäre.“ Und weiter: „So mache dieser Sonderlandtag keinen Sinn.“
Brigitte Foppa (Grüne) sagte: „Man hat angekündigt, dass der Sonderlandtag mit der Reform befasst werde, sobald der Text da sei. Jetzt ist der Text da – und der Landtag darf nicht darüber abstimmen.“
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sprach von einem „undemokratischen Vorgehen“: „Hier wird Volksvertretern eine Abstimmung verweigert. Über die Reform der Autonomie entscheidet nun allein eine Partei, die nur mehr 35 Prozent Zustimmung unter der Bevölkerung hat.“ Seine Partei beantragt eine Expertenanhörung.
Paul Köllensperger (Team K) nannte es „einen traurigen Tag“ und sagte: „Der Landtagspräsident steht offensichtlich unter dem Druck der Mehrheit. Die Entscheidung ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten.“ Thomas Widmann (Für Südtirol) sagte: „Man hat Angst vor einer Abstimmung, was unverständlich ist.“ Renate Holzeisen (Vita) erklärte: „Das ist Armseligkeit pur.“
Auch Sandro Repetto (Demokratische Partei) äußerte sich deutlich: „Die Reform hat positive Aspekte, aber auch Grauzonen, die man besser beleuchten müsste.“ Leiter Reber sprach wörtlich von einem „Tiefpunkt der Demokratie“.
Stellungnahme der Kritiker
Die Opposition gab im Anschluss eine gemeinsame Stellungnahme ab: „Die Begründung, dass der Sonderlandtag das offizielle Gutachten zur Reform vorwegnehmen oder die Abstimmung im Mai beeinflussen könne, ist nicht nachvollziehbar.“ Und weiter: „Eine Abstimmung der einzelnen Punkte hätte ein umfassendes Stimmungsbild aller Abgeordneten ergeben und die Vorbereitung des offiziellen Gutachtens verbessert und fundierter gemacht.“
Unverständnis von der Regierungspartei und Kindervergleich
Harald Stauder (SVP) reagierte scharf auf den Auszug: „Die Opposition verlässt den Saal wie ein Kind, das sich nicht durchgesetzt hat.“ Er fügte hinzu: „Niemandem wurde das Wort verboten – aber die Prozedur sieht in dieser Phase keine Abstimmung vor.“
Landeshauptmann Arno Kompatscher zeigte sich enttäuscht über den Abbruch: „Die Sitzung wäre eine gute Gelegenheit gewesen, auch die Details der Reform zu besprechen.“ Er betonte: „Auch wenn keine Abstimmung vorgesehen ist, hätte jeder sein positives oder negatives Gutachten abgeben können.“
Die Fraktion von Fratelli d’Italia erklärte: „Im Rahmen der Fraktionssprechersitzung ist nie über eine Abstimmung gesprochen worden.“ Und: „Die Information über den Ablauf der Sitzung war immer klar.“ Um 12.47 Uhr wurde die Sitzung offiziell beendet.
Zuletzt Schlag auf Schlag bei Reform
Zuletzt war es in Sachen Autonomiereform Schlag auf Schlag gegangen. Anfang April stimmte die italienische Regierung in ihrer Ministerratssitzung dem verhandelten Verfassungsgesetzesentwurf zu bzw. genehmigte ihn. Eine Woche zuvor war der Entwurf, der auch das Trentino im Rahmen der gemeinsamen Region betrifft, im Rahmen einer Sitzung in Rom präsentiert worden. Am vergangenen Montagabend gaben auch die Delegierten einer außerordentlichen Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei mit überwältigender Mehrheit bzw. 98,37 Prozent ihren Segen zu dem Pakt.
Durch die Reform des Statuts soll der Spielraum für die autonome Gesetzgebung Südtirols ausgeweitet werden. In den Verhandlungen ging es um die Bereiche Urbanistik, Bauwesen, Straßen, Personal, Handel, Energie und Umweltschutz. Inhaltlich waren zudem auch mehrere Zugeständnisse an die italienische Sprachgruppe durchgesickert. So sollen zugewanderte italienische Staatsbürger künftig bereits nach zwei Jahren Ansässigkeit an den Landtagswahlen teilnehmen können, bisher waren es vier Jahre.
Während die Opposition einzelne Verhandlungsergebnisse bisher teils stark bemängelte, jubilierten Landeshauptmann Kompatscher und die SVP-Oberen, die seit der Landtagswahl 2023 Südtirol in einer Mitte-Rechts-Fünferkoalition mit den Südtiroler Freiheitlichen, der Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Fratelli d’Italia, Lega und La Civica regieren. Kompatscher sprach nicht nur von einer Wiederherstellung, sondern auch von einer stärkeren Absicherung der Autonomie.
Die Autonomiereform soll nach den Stellungnahmen der Landtage von Bozen und Trient, des Regionalrates sowie der Konferenz der Regionen erneut in den Ministerrat, der den Text noch einmal genehmigen muss – bevor er der Republik Österreich, in ihrer Funktion als Schutzmacht, übermittelt wird. Erst danach wird der Reformvorschlag als Gesetzentwurf ins römische Parlament kommen. Dies dürfte im Juni erfolgen. Da es sich um ein Verfassungsgesetz handelt, muss der Text zweimal von jeder der beiden Parlamentskammern verabschiedet werden. Zwischen den zwei Abstimmungen müssen mindestens drei Monate liegen und die Beschlüsse müssen jeweils mit absoluter Mehrheit erfolgen. Mit finalen Beschlüssen in den Parlamentskammern wurde im kommenden Jahr oder erst 2027 gerechnet.
Meloni versprach Reform in Regierungserklärung
Eigentlich war der Text für den Verfassungsgesetzesentwurf bereits vergangenen Sommer erwartet worden, die Vorlage des Reformtexts verzögerte sich aber. Es geht um die Wiederherstellung der Standards, die 1992 zur Streitbeilegung vor den Vereinten Nationen (UNO) geführt hatten und die durch die italienische Verfassungsreform bzw. Urteile des Verfassungsgerichts über die Jahre immer wieder ausgehöhlt worden waren. Ministerpräsidentin Meloni hatte sich bereits in ihrer Regierungserklärung zu Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 2022 dezidiert für die Reform ausgesprochen.
Sonderlandtag: Opposition verlässt Debatte zur Autonomiereform
Die Sitzung begann mit einer Schweigeminute für den verstorbenen Papst Franziskus, den Landtagspräsident Arnold Schuler mit einer Gedenkrede würdigte: “Sein Tod stimmt Gläubige und nicht religiöse Menschen gleichermaßen traurig: Für viele, auch hier in Südtirol, war Papst Franziskus, vor allem in der letzten Zeit, die von Konflikten und Unruhe in der Welt geprägt war, ein geistiges Oberhaupt, zu dem man aufschauen konnte und der Hoffnung spendete. Auch in einer weltlichen Institution wie dem Landtag ist es angebracht, unserer Anteilnahme am Tod des Heiligen Vaters Ausdruck zu verleihen: Sein unermüdlicher Aufruf zum Frieden und zur Solidarität während der 12 Jahre seines Pontifikats sind in der Tat eine wertvolle Botschaft für uns alle, die wir niemals vergessen dürfen, dass unsere Arbeit letztendlich dem Wohle der Gesellschaft und dem harmonischen Zusammenleben aller dienen muss. Im Segen Urbi et orbi, der am Ostersonntag verlesen wurde, hat Papst Franziskus gesagt: „Kein Frieden ist möglich, wenn es keine Religionsfreiheit und keine Meinungsfreiheit gibt und die Sichtweisen der anderen nicht respektiert werden.“ Diese Aufforderung zum gegenseitigen Respekt hat uns der Papst als sein Vermächtnis mitgegeben. Wir schließen uns hiermit der Trauer der Religionsgemeinschaft und all derjenigen an, die heute von Papst Franziskus Abschied nehmen.”
Nach einer Unterbrechung für Beratungen unter den Fraktionssprechern und innerhalb der Opposition verwies Landtagspräsident Arnold Schuler auf ein Gutachten des Rechtsamts und eine Entscheidung des Präsidiums hin, wonach eine Abstimmung im Rahmen dieses Sonderlandtags nicht möglich ist. Auch der nunmehr vorgelegte Ersetzungsantrag zur Einberufung (der die einzelnen Punkte der Reform auflistet, über die zu diskutieren und abzustimmen wäre; A.d.R.) ändere in der Substanz nichts. Die in dieser Sitzung abgegebenen Stellungnahmen würden sicher für den Sonderausschuss interessant sein, der sich morgen mit dem Thema befassen werde.
Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung des Präsidiums. Der Ersetzungsantrag sei so formuliert, dass auch eine Abstimmung möglich gewesen wäre. Bei der Reform der Autonomie sollten alle mitreden können. So mache dieser Sonderlandtag keinen Sinn.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) bezeichnete die Entscheidung als undemokratisch. Abstimmung gehöre zu einer Demokratie. Hier werde Volksvertretern eine Abstimmung verweigert. Über die Reform der Autonomie entscheide nun allein eine Partei, die nur mehr 35 Prozent Zustimmung unter der Bevölkerung habe. Der Landtagspräsident müsse über den Parteien stehen. Seine Fraktion werde den Saal verlassen.
Der Sonderlandtag hätte die Chance geboten, auch anderen Parteien ein Mitspracherecht zu geben, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). Es sei nicht der Landtagspräsident verantwortlich, diese Entscheidung komme aus der Mehrheit. Man habe angekündigt, dass der Sonderlandtag mit der Reform befasst werde, sobald der Text da sei. Jetzt sei der Text da, und der Landtag dürfe nicht darüber abstimmen. Ihre Fraktion werde den Saal verlassen.
Paul Köllensperger (Team K) sprach von einem traurigen Tag. Der Landtagspräsident stehe offensichtlich unter dem Druck der Mehrheit. Die Entscheidung sei an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Das Team K sei eine Autonomiepartei, aber sie werde hier nicht mitspielen und den Saal verlassen.
Renate Holzeisen (Vita) erinnerte an den Parteitag der SVP, bei dem Kritiker der Reform der Reform abschätzig abgeurteilt worden. Was heute geschehe, passe damit zusammen. Man verwehre dem Landtag eine demokratische Abstimmung zu den einzelnen Punkten des Reformentwurfs. Das sei Armseligkeit pur.
Man habe Angst vor einer Abstimmung, was unverständlich sei, meinte Thomas Widmann (Für Südtirol). Er hätte dafür gestimmt, auch wenn er im Entwurf einige Schwächen sehe, etwa das nationale Interesse, das geblieben sei. Damit könne der Staat alles kippen, was man dazubekommen habe. Es müsste im Text auch festgehalten werden, dass es keine Anpassung an die neue Verfassung sei, damit man sicherer sei. Die Mehrheit wäre jedenfalls nicht in Gefahr gewesen. Schuler hätte die Möglichkeit gehabt, auch anders zu entscheiden.
Wenig verwundert zeigte sich JWA. Das sei der Höhepunkt der Demokratiesimulation, ähnlich wie der Autonomiekonvent. Auch er werde sich nicht an der Debatte beteiligen.
Es gehe beim Reformtext um interessante Punkte, und er verstehe nicht, warum man keine Abstimmung zulasse, erklärte Andreas Colli (Wir Bürger). Er hätte dafür gestimmt. Diese Entscheidung sei kein Glanzstück der Demokratie.
Sandro Repetto (Demokratische Partei) zeigte sich verwundert. Während der Verhandlungen mit Rom sei die Reform Verschlusssache gewesen, aber jetzt, wo der Text vorliege, hätte man auch darüber reden können, um die Stimmungslage zu erkennen. Die Reform habe positive Aspekte, aber auch Grauzonen, die man besser beleuchten müsste.
Harald Stauder (SVP) fand es absolut schade, wie die Sitzung verlaufen sei. Er hätte sich erwartet, dass ein Gutachten des Rechtsamts respektiert. Niemandem sei hier das Wort verboten worden, aber die Prozedur sehe in dieser Phase keine Abstimmung vor. Die Opposition verlasse nun den Saal wie ein Kind, das sich nicht durchgesetzt habe. Man wollte wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen, im Scheinwerferlicht zu stehen. Die SVP sei die einzige Partei, die ihre Basis zu dem Thema befragt habe. Stauder drückte Präsident Schuler seine Solidarität für die klare Linie aus und dankte auch dem Rechtsamt für die Klarstellung, auch wenn sie manchen nicht passe. (In der Zwischenzeit verließen die Vertreter der Opposition, mit Ausnahme von Wir Bürger, den Saal; A.d.R.)
Fratelli d’Italia zeigte sich verwundert über das Verhalten. Im Rahmen der Fraktionssprechersitzung sei nie über eine Abstimmung gesprochen worden. Die Information über den Ablauf der Sitzung sei immer klar gewesen. Sie forderte die Mehrheit auf, bei ihrer Linie zu bleiben und die gute Reform nicht aufs Spiel zu setzen.
LH Arno Kompatscher bedauerte den Austritt der Opposition. Die Sitzung wäre eine gute Gelegenheit gewesen, auch die Details der Reform zu besprechen und Stellung zu nehmen. Auch wenn keine Abstimmung vorgesehen sei, hätte jeder sein positives oder negatives Gutachten abgeben können. Bei diesem Sonderlandtag hätte man auch Kritik und Wünsche hören können, die nicht ins Leere gelaufen wären, denn diese Reform sei ja nicht der Endpunkt. Der Landtag könne nur zum Gesamtpaket ein Gutachten abgeben, das sei vom Statut so vorgesehen. Es sei konsequent, wenn sich der Präsident und das Präsidium an das Gutachten des Rechtsamts hielten, das könne man nicht von Fall zu Fall annehmen oder missachten. Die Geschäftsordnung müsse eingehalten werden.
Die Prozedur zur Änderung des Autonomiestatuts sei im Statut selbst festgelegt, stellte Präsident Arnold Schuler klar. Abgestimmt werde über ein Gutachten zum ganzen Paket, nicht über einzelne Artikel. Das Rechtsamt habe die Sache geprüft und sei zu einem klaren Schluss gekommen. Wenn man die Gutachten der eigenen Ämter nicht respektiere, werde die Arbeit im Landtag schwierig.
Nach einer kurzen Unterbrechung auf Antrag von Harald Stauder und nachdem sich niemand mehr zu Wort meldete, schloss Präsident Schuler um 12.47 Uhr die Sitzung.
AM
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