Von: luk
Bozen – Südtirol soll ein Land der Chancen sein – nicht nur für einige wenige, sondern für alle. Solidarische Wohnprojekte, innovative Bildungsmodelle, eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung und die gezielte Unterstützung vulnerabler Personen sind nur einige der Themen, zu denen der Dachverband für Soziales und Gesundheit, das AFI und Eurac Research die Südtiroler Landesregierung zur Diskussion bat. Sieben Workshops mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Gesundheit, Familie, soziale Inklusion, Bildung, Arbeitsmarkt, Steuersystem, öffentliche Leistungen sowie urbane und ländliche Entwicklung wurden im Rahmen des Projektes „Soziale Mobilität: Was braucht Südtirol?“ organisiert. 14 konkrete Maßnahmen zur Förderung der sozialen Mobilität konnten bei der heutigen Abschlussveranstaltung vorgestellt werden. Das Thema müsse ganz vorne auf die Prioritätenliste der Politik gesetzt werden, betonen die Organisatorinnen und Organisatoren.
Dank der Autonomie und einer überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten steht Südtirol über die Landesgrenzen hinaus in vielen Bereichen als Vorreiter da. Dennoch sind die Chancen des sozialen Aufstiegs auch hierzulande noch maßgeblich vom sozialen Status der Eltern bestimmt. 14 konkrete Maßnahmen zur Förderung der sozialen Mobilität wurden heute im Pastoralzentrum Bozen vorgestellt und als Handlungsvorschläge persönlich an Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der lokalen Politik herangetragen. Die Maßnahmen entstammen einem partizipativen Projekt, das vom Dachverband für Soziales und Gesundheit, Arbeitsförderungsinstitut und Eurac Research initiiert wurde.
Zu den geladenen Gästen der Tagung zählten Landeshauptmann Arno Kompatscher, die Landesrätin Rosmarie Pamer sowie Landesrat Marco Galateo und in Vertretung von Landesrätin Ulli Mair nahm Ressortdirektor Luca Critelli an der Diskussion teil. Sie alle waren dazu angehalten, sich zu den Maßnahmen zu äußern und deren Umsetzung zu evaluieren. Abgerundet wurde das Podiumsgespräch durch Beiträge des Publikums sowie von Vertreterinnen und Vertretern involvierter Organisationen.
Eine Herausforderung mit interdisziplinärem Charakter
Um Chancengleichheit zu erreichen, bedarf es einer intensiven Förderung sozialer Mobilität. Roland Psenner, Präsident von Eurac Research verwies darauf, dass „die Erhöhung der sozialen Mobilität nur durch eine ständige Weiterentwicklung und gegenseitige Abstimmung aller betroffenen Bereiche – Politik, Behörden, soziale Organisationen, Dritter Sektor, Wirtschaft, Gewerkschaften, ebenso wie Wissenschaft und Bildung – gelingen kann.“ Es handle sich um eine interdisziplinäre Herausforderung, die von der Politik erkannt und konsequent angegangen werden muss. Dementsprechend lag dem Projekt die Idee zugrunde, ein Netzwerk des kontinuierlichen Austauschs zu initiieren. “Für uns war es besonders wichtig, die Sicht der Betroffenen einzubringen, um benachteiligten Personen die Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen”, betonte Dachverband-Präsident Wolfgang Obwexer.
Erschwinglicher Wohnraum und neue Wohnmodelle
Wie ein roter Faden zog sich das Thema der Wohnpolitik themenfeldübergreifend durch die Diskussionen in allen Workshops. Um soziale Inklusion zu fördern und einer Situation der relativen Armut entgegenzuwirken, brauche es ein größeres Angebot an Wohnraum zu erschwinglichen Preisen. Wohnraum müsse allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zugänglich sein. Die landesweite Förderung von intergenerationellen Wohnmodellen, die Nutzung von Leerständen sowie öffentliche Wohnbauprogramme seien wichtige Bausteine zur Lösung des Wohnproblems, um auch der Abwanderung in ländlichen Regionen entgegenzuwirken. So gelte es, auch in ländlichen Gebieten für eine ausreichende Grundinfrastruktur und Basisdienste zu sorgen, um die Eigenständigkeit des ländlichen Raums sicherzustellen.
Eine 30-Stunden-Vollzeitwoche für Erziehende und Pflegende
So lautet die konkrete Forderung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum Abbau von Chancenungleichheiten am Arbeitsmarkt. Der Südtiroler Arbeitsmarkt soll wieder attraktiver werden und durch den optimierten Einsatz von finanziellen und zeitlichen Ressourcen gestärkt werden. „Südtirol muss für Arbeitnehmende – aber auch darüber hinaus – ein Land werden, in dem sich alle unabhängig vom soziokulturellen Hintergrund entfalten können”, unterstrich AFI-Präsident Andreas Dorigoni. Die gezielte Unterstützung von Familien, die Förderung von Zweitsprachenkenntnissen in der Schule und später am Arbeitsplatz sowie die Bekämpfung existenzieller Unsicherheiten durch an Südtirol angepasste Löhne, seien prioritäre Punkte, die ab sofort auf der politischen Agenda gesetzt werden sollten.
„Südtirol soll ein Land der Chancen sein – nicht nur für einige wenige, sondern für alle“
Dieser grundlegende Gedanke motivierte die Organisatorinnen und Organisatoren, die im Dezember 2022 veröffentlichte Studie „Soziale Mobilität in Südtirol“ von AFI und Eurac Research wieder aufzugreifen und zu fragen: Was braucht Südtirol konkret, damit der soziale Aufzug funktioniert? Dank der vielseitigen Expertise von rund 60 Workshop-Teilnehmenden konnten die dringlichsten Probleme Südtirols identifizierten werden. Für diese insgesamt 14 „Baustellen“ wurde mithilfe eines vorgegebenen Schemas jeweils ein konkreter Lösungsansatz gesucht: Mit welcher Maßnahme kann das Problem wie und wann behoben werden? Welche Akteurinnen und Akteure sind für deren Umsetzung gefragt? Welche Hindernisse bestehen und wie kann der Erfolg gemessen werden?