Österreich wählt seine Europaabgeordneten neu

Spitzenkandidaten demonstrieren bei Stimmabgabe Zuversicht

Sonntag, 09. Juni 2024 | 12:32 Uhr

Von: apa

Der Reigen der Stimmabgaben zur EU-Wahl ist am Sonntag gegen Mittag zu Ende gegangen. Gegen 11.45 Uhr wählte SPÖ-Kandidat Andreas Schieder als letzter der Spitzenkandidatinnen und -Kandidaten. Er gehe “mit positivem Gefühl” in den heutigen Tag, kritisierte aber die Diskussionskultur während des Wahlkampfs. “Ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr über Europa und weniger über (Fehl)Entscheidungen auf Listenplätzen reden hätten können”, sagte er in Bezug auf Lena Schilling.

Während des Wahlkampfs habe sowohl die SPÖ als auch er als Person viel Zuspruch erhalten, der sich auch in Wählerstimmen niederschlagen werde, gab sich Schieder bei der Stimmabgabe in Wien-Leopoldstadt optimistisch. Mit den Sozialdemokraten gebe es wieder ein “Europe first” anstatt China, außerdem sei ihm als Naturfreunde-Chef Klimaschutz ein Herzensthema, warb er noch einmal um Stimmen. “Es ärgert mich, in einem Land zu leben, in dem die Regierung immer wieder EU-Pläne blockiert”, versuchte er den Grünen ihr Steckenpferd abzunehmen.

Zu einem möglichen Rechtsruck in Europa wollte sich Schieder “aus Respekt vor der Wahl” nicht äußern, denn dieser gebiete es “keine Spekulationen anzustellen”. Ein EU-Austritt, “wie er von FPÖ-Chef Kickl immer wieder ins Spiel gebracht wird”, sei aber ein großer Fehler. Kritik hatte er auch für die Medien übrig, deren Interesse an Europa “viel zu schwach” sei, und nur vor EU-Wahlen aufkomme. Bevor es für Schieder und die anderen Spitzenkandidaten in das Haus der EU zur Trendrechnung geht, “gehe ich noch mit dem Team auf ein Schnitzel”.

Vor ihm ging FPÖ-Listenerster Harald Vilimsky wählen, wie davor schon Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Wiener Musikuniversität. Dass sich dieser positiv zur Grünen Lena Schilling geäußert hatte, kommentierte Vilimsky ablehnend. “Ich zähle zu seinen schärfsten Kritikern”, meinte er, und: “Er hat nie sein grünes Mäntelchen abgelegt.”

Als Wahlziel nannte Vilimsky, der nur in Begleitung seines Pressesprechers gekommen war, “möglichst viele Stimmen” und eine “rot-weiß-rote Mehrheit”, aber auch eine große Zahl an FPÖ-Repräsentanten im EU-Parlament und die Einbettung in ein möglichst großes Mitte-Rechts-Bündnis. Er hob hervor, “dass man sich vor uns nicht fürchten muss. Man wolle “nichts zerschlagen”, aber all das stoppen, was er als “EU-Wahninnigkeiten” bezeichne, und den Menschen mehr Mitbestimmung geben.

In Sachen österreichischem EU-Kommissar meinte Vilimsky, das Vorschlagsrecht dafür sollte eine Mehrheit nach der Nationalratswahl im Herbst erhalten, wobei die stimmenstärkste Partei die Person bestimmen sollte. Den Rest des Tages werde er wegen des großen Zuspruchs “am Smartphone” verbringen, so der FPÖ-Spitzenkandidat. Eine zuvor erwogene Motorradtour habe er deswegen absagen müssen.

Die Spitzenkandidatin der Liste DNA (Demokratisch – Neutral – Authentisch), die Ärztin Maria Hubmer-Mogg hat ebenfalls gegen Mittag ihre Stimme im Wahllokal im idyllischen Mariagrün im nordöstlichen Grazer Stadtbezirk Mariatrost abgegeben. Hubmer-Mogg zeigte sich gegenüber der APA optimistisch, ein Mandat im europäischen Parlament zu schaffen. Sie habe sich bis zum Schluss in der “Wahlkampagne” (das Wort Wahlkampf lehne sie ab, Anm.) eingesetzt und sei dabei auch auf Menschen getroffen, die gar nicht gewusst hätten, dass sich eine Liste wie die ihre bewerbe. Auf diese Weise sei es sicherlich auch gelungen, Unterstützung an der Wahlurne zu gewinnen. Nach Hubmer-Moggs eigenem Urnengang im Wahllokal “Lernvilla” ging es erst einmal mit ihrer Familie zu einem Spaziergang, bevor sie sich dann am Nachmittag nach Wien begab.

Davor war Helmut Brandstätter an der Reihe, der im Kreise seine Familie in Wien-Pötzleinsdorf zur Urne schritt und Zuversicht ausstrahlte. Positiv stimmte ihn das Interesse an den von den NEOS propagierten “Vereinigten Staaten” von Europa während des Wahlkampfs. Schon am Montag wird er nach Brüssel reisen, um sich sein künftiges Tätigkeitsgebiet näher anzusehen.

Der Spitzenkandidat der ÖVP für die Wahl zum Europaparlament, Reinhold Lopatka, gab schon gegen 8.00 Uhr seine Stimme im Gemeindeamt Greinbach in Penzendorf nördlich des oststeirischen Hartberg (Bezirk Hartberg-Fürstenfeld) ab. Er zeigte sich danach zuversichtlich, Ziel sei es, stärkste Partei zu werden. Nach der Stimmabgabe begab sich Lopatka zu einer Feldmesse auf dem Fußballplatz.

Im Wien-Meidling war die Grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling um 9 Uhr in der Früh wählen. “Das war ein langer Wahlkampf und ich freu mich, dass der Tag jetzt da ist”, sagte die etwas müde wirkende Schilling vor der Stimmabgabe gegenüber Journalisten. In Bezug auf das Wahlziel von 500.000 Stimmen für die Grünen zeigte sie sich vorsichtig: “Wir werden sehen”, aber natürlich sei es weiterhin ihr Wahlziel.

KPÖ-Spitzenkandidat Günther Hopfgartner wählte um 9 Uhr in Wien-Mariahilf. Vor Medienvertretern verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Kommunisten den Einzug ins Europaparlament schaffen.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat schon am Sonntagvormittag seine Stimme für die EU-Wahl abgegeben. Gemeinsam mit Ehefrau Doris Schmidauer wählte er in der Wiener Musikuniversität. Vor Journalisten meinte er danach: “Ich erwarte, dass eine Mehrheit zustande kommt, die sich der Notwendigkeit eines vereinten Europas bewusst ist.” Sorgen wegen eines möglichen Rechtsrucks äußerte er nicht.

“Ich befürchte gar nichts”, meinte er auf eine entsprechende Frage, “sondern ich stelle mich auf neue Verhältnisse ein”. Ohnehin zeigte er sich aber überzeugt, dass die Wähler mehrheitlich die Arbeit am gemeinsamen Europa gegenüber “27 Zwergstaaten” bevorzugten. Zu einer möglichen FPÖ-Mehrheit in Österreich wollte er nichts sagen, zu Problemen bei den Grünen merkt er an: “Die Frage ist nur, wer die Probleme verursacht hat.” Das Engagement der Grünen Spitzenkandidatin Lena Schilling und ihr Wissen nicht nur im Klimabereich hob er auf eine entsprechende Frage hervor. Am Programm stand für Van der Bellen danach ein Treffen mit Freunden, für danach erwog er einen Wechsel ins Büro.

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